Das Daphne-Projekt:Die Malta AG

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Damals herrschte Aufbruchstimmung: Premierminister Joseph Muscat nach seiner Wahl im Jahr 2013. (Foto: Matthew Mirabelli/AFP/Getty Images)

Seit Jahren wird das EU-Mitglied mit Korruptionsvorwürfen überzogen. Nun könnte Bewegung in die Arbeit von Anti-Korruptions-Spezialisten kommen.

Von Mauritius Much, Hannes Munzinger und Bastian Obermayer

Wer verstehen will, warum viele Malteser ihre Regierung für korrupt halten, landet irgendwann in einem verlassen wirkenden Industriegebiet in San Gwann im Osten Maltas. Vom Sitz des Premierministers in der Hauptstadt Valletta bräuchte man hierher gut 15 Minuten - wenn kein Stau wäre. Der Ort ist ein wenig enttäuschend, aber im vierten Stock des Capital Business Center sitzt der Finanzdienstleister Nexia BT. Der hat der Mannschaft um Premier Joseph Muscat heimlich Firmen und stiftungsähnliche Trusts in Panama und Neuseeland beschafft.

Ziemlich sicher ist Nexia BT auch das einzige Büro im Industriegebiet, das feierlich vom Premier eröffnet wurde - am 20. Juni 2013, daran erinnert eine gerahmte Urkunde im Foyer. Das BT steht für Brian Tonna. Der kahlköpfige Unternehmensgründer ist seit 2013, als die Labour-Partei um Joseph Muscat an die Macht kam, so etwas wie der Finanzberater ihres Vertrauens. Und zwar sowohl offiziell - Nexia BT bekam in den ersten fünf Jahren der Muscat-Regierung 15 Aufträge im Wert von rund 590 000 Euro zugeschanzt, die in den Verantwortungsbereich des Büros des Premierministers fallen. Wie auch inoffiziell. Oder sollte man sagen: im Verborgenen?

Nach Informationen des Daphne Projekts soll Tonna sogar ein eigenes Büro beim Premier besessen und dort zwei bis drei Tage pro Woche gearbeitet haben. In einer Antwort an einen Sonderausschuss des EU-Parlaments zu den Enthüllungen der Panama Papers bestritt Tonna, dort einen Schreibtisch gehabt zu haben. Auf SZ-Anfrage wollte er dem nichts hinzufügen.

SZ-Podcast "Das Thema"
:Verbotene Geschichten: Das Daphne Projekt

Im Oktober 2017 wird auf Malta die Journalistin Daphne Caruana Galizia ermordet. Bastian Obermayer und Hannes Munzinger erklären, wieso sie viele Feinde hatte und internationale Medien jetzt ihre Recherchen fortführen.

Ständig gab es in der maltesischen Politik in den vergangenen Jahren vor allem eines: Interessenskonflikte sozialdemokratischer Regierungspolitiker. Auch unter der konservativen Vorgängerregierung gab es Skandale, aber das Ausmaß der Verfilzung unter Muscat ist dann doch erstaunlich.

Als Brian Tonna Berater der regierenden Clique wurde, herrschte in Malta Aufbruchsstimmung. Es ist März 2013. Gerade hat Joseph Muscat, 39 Jahre jung und tatendurstig, die Wahlen gewonnen. Aber der neue Premier kommt nicht alleine, sondern zu dritt: Hinter ihm stehen Stabschef Keith Schembri, ein Schulfreund von Muscat, und Konrad Mizzi, zuerst Energieminister, seit Juni 2017 Tourismusminister. Er gilt als Mucats Problemlöser und starker Mann. Mizzi und Schembri spielen die Hauptrollen in den meisten Affären, die Malta in den nächsten Jahren erlebt.

Zeitgleich passieren 15 Autominuten vom Sitz des Premier eine Reihe von Dingen, die auf den ersten Blick nicht mit dem Machtwechsel zusammenzuhängen scheinen: Brian Tonna und Nexia BT bestellen bei der panamaischen Kanzlei Mossack Fonseca eine Reihe von Briefkastenfirmen. Das ist die Kanzlei im Zentrum der Panama Papers, des Datenleaks, das der SZ vor gut drei Jahren zugespielt wurde.

Im Mai 2013 wird die Dependance der panamaischen Kanzlei auf der Insel gegründet. Zwischenzeitlich alleinige Anteilseignerin: eine Tochterfirma von Brian Tonnas Nexia BT. Der Direktor von Mossack Fonseca Malta darf offenbar auch im Büro des Finanzdienstleisters in San Gwann arbeiten, für 250 Euro pro Monat plus Mehrwertsteuer. Mossack Fonseca und Brian Tonna arbeiten also auf einem Flur.

Zweieinhalb Jahre bleiben Tonnas Briefkastenfirmen vor der Öffentlichkeit versteckt. Bis im Frühjahr des Jahres 2016 die Panama- Papers-Affäre über Malta hereinbricht: Die Journalistin Daphne Caruana Galizia berichtet, dass drei Offshorefirmen in Wahrheit Konrad Mizzi und Keith Schembri zuzurechnen sind - Muscats rechter und linker Hand, wie die Malteser witzeln.

Aber die Reflexe einer normalen Demokratie greifen nicht auf der Insel. Mizzi und Schembri ziehen sich keineswegs aus der Regierung zurück - und Muscat entlässt sie nicht. Seine Gefolgsleute wischen die Enthüllungen weg, als parteipolitisch motivierte Angriffe einer niederträchtigen Journalistin - und haben damit Erfolg. Die Geschichte wird nie richtig aufgeklärt.

Reporter des Daphne-Projekts haben die Recherche nun fortgesetzt. Zentral sind die Briefkastenfirmen mit den Namen Tillgate und Hearnville, beide wurden im Juli 2013 von Tonna eingerichtet, kurz nach Amtsantritt der Regierung, und offiziell gehörten sie laut den Panama Papers ab Mitte 2015 Schembri und Mizzi. Die beiden packten ihre Firmenanteile wiederum in zwei Trusts in Neuseeland. Dort müssen weder die Begünstigten registriert werden, noch gibt es eine Steuer auf ausländisches Einkommen. Die Konstruktion ist also steuergünstig und absolut blickdicht.

Beim erneuten Check der Panama Papers findet sich ein Hinweis, der die Geschichte noch einmal in Schwung bringen könnte: Zwischen August 2015 und Februar 2016 versuchten Mossack-Fonseca-Mitarbeiter bei einer Reihe von Banken, Konten für die beiden Briefkastenfirmen zu eröffnen. Dafür muss man jede Menge Formulare ausfüllen und Fragen beantworten. So wollen die Kreditinstitute wissen, mit welchen Firmen die Inhaber Geschäfte machen wollen und aus welchen Quellen Geld erwartet wird. Ein Partner bei Nexia BT trägt, das sieht man in einer Email, eine Firma namens "17 Black Limited" ein, sowohl in der Spalte "Hauptzielkunden" als auch bei "mögliche Zahler/Absender".

Gut möglich, dass die heimliche Struktur zu früh aufflog

Die Firma "17 Black Limited" wiederum findet sich in einem Bericht der maltesische Anti-Korruptions-Behörde FIAU, welcher der SZ vorliegt. Darin ging sie fragwürdigen Energie-Geschäften nach. Die Ermittler stießen im Zusammenhang mit einem 300-Millionen-US-Dollar-Flüssiggas-Deal auf eine problematische Zahlung von 200 000 US-Dollar. Der Deal ist Teil der maltesischen Energiewende weg vom Erdöl - dafür war zu dieser Zeit Energieministers Konrad Mizzi zuständig. Die 200 000 US-Dollar gingen laut Bericht an "17 Black Limited" in Dubai. Die Firma, mit der offenbar sowohl der Stabschef als auch der zuständige Minister Geschäfte machen wollte und von der ihre Offshore-Firmen Geld erwarteten. Die FIAU-Ermittler haben den Verdacht, dass es sich hier um Geldwäsche handelt. Sie finden aber keine Belege dafür, dass es tatsächlich zu den offenbar angedachten Transaktionen von 17 Black an die Firmen der Politiker gekommen ist. Möglicherweise liegt das an Caruana Galizias Recherchen: Nachdem sie im Februar 2016 die ersten Texte zu den Panama-Firmen Mizzis und Schembris veröffentlicht hatte, stoppten die Mossack Fonseca-Mitarbeiter offenbar den Versuch, Bankkonten zu eröffnen. Gut möglich, dass die heimliche Struktur zu früh aufflog. Aber schon der Wille dazu sollte einem Politiker auf die Füße fallen, könnte man meinen.

Mizzi und Schembri bestreiten die Offshore-Firmen und Trusts nicht. Mizzi behauptet aber, es habe keine Verbindung zu jener "17 Black Limited" gegeben. Konfrontiert mit einem Screenshot der Email, zweifelt er die Authentizität der Dokumente an. Keith Schembri antwortet zunächst nur allgemein: Er sei dem Rat seiner Finanzberater gefolgt, und "nichts, was meine Berater taten, war illegal." Dann gab er anders als Mizzi zu, dass 17 Black Limited zu den potenziellen Kunden seiner Firmengruppe gehört habe. Jedoch sei es zu keinen Geschäften oder Transaktionen gekommen.

Ein merkwürdiger Maßstab. Europäische Politiker sorgen sich wegen der Verwicklungen maltesischer Politiker in den Panama-Papers-Skandal und dem Mord an Daphne Caruana Galizia um den Inselstaat. Ende November 2017 bereist eine Delegation von EU-Parlamentariern Malta. In ihrem Bericht heißt es: "Besonders besorgniserregend" sei, dass "keine Polizeiuntersuchung, die sich auf den Verdacht von Korruption und Geldwäsche von einem Kabinettsminister und dem Stabschef des Premierministers konzentrierte, eingeleitet wurde." In der Tat. Bis heute hat die maltesische Polizei keine Ermittlungen aufgenommen - und Konrad Mizzi und Keith Schembri sind weiter im Amt.

© SZ vom 20.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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