Der Weg zum maltesischen Pass ist nicht unmenschlich anstrengend - Malta will ja Geld verdienen, nicht abschrecken. Ein paar Hunderttausend Euro. Das ist die Eintrittskarte, dafür wird man Staatsbürger eines Mitgliedslandes der Europäischen Union.
Trotzdem müssen etliche Dokumente beigebracht werden, Urkunden, Beglaubigungen und so weiter. Wer akzeptiert wird, muss selbst in Malta erscheinen, Millionär hin, Milliardär her. Und zwar im Mediterranean Conference Center in der Hauptstadt Valletta, einem großen, einfallslosen Steingebäude, wenige Meter von der Uferpromenade entfernt, mit atemberaubendem Blick auf die Bucht vor Valletta.
Kinder malen, während Papa und Mama Malteser werden
Aber wohl die wenigsten sind hier, um Urlaub auf Malta zu machen. Denn dafür braucht man ja keinen maltesischen Pass - der ist für ganz andere Dinge von Nutzen: als Statussymbol, zur Sanktionsumgehung, zum Steuerdumping oder einfach nur, um bei internationalen Geschäften nicht den iranischen oder den russischen Pass vorzeigen zu müssen. Trotzdem soll es feierlich zugehen, wenn die maltesischen Neubürger, meist mindestens fünf Millionen Euro schwer, ihren Schwur auf ihre neue Heimat leisten - und deswegen stehen hinten im Büro von Jonathan Cardona auch ein Tischchen und zwei kleine Stühle: So können Kinder malen oder auf dem iPad herumdrücken, während Papa und Mama Malteser werden.
Jonathan Cardona ist der Geschäftsführer (Managing Director) von Identity Malta, und das wiederum ist die Behörde, die auf Malta das Passprogramm verantwortet, also: das Geldverdienen mit Pässen. Eine Handvoll Mitarbeiter trommelt Cardona zusammen, die den Gästen aus Deutschland versichern sollen, dass keine Terroristen oder Mafiapaten sich einen europäischen Pass erkaufen können, und dass es beim Passprogramm auch sonst mit rechten Dingen zugeht.
Daphne konnte ihre Recherchen nicht vollenden
Seit Malta im Jahr 2013 angefangen hat, aus Pässen Geld zu machen, hagelt es Kritik aus ganz Europa, vom EU-Parlament, der Kommission und Europol, aber auch aus Malta selbst. Auf der Insel war Daphne Caruana Galizia eine der Wortführerinnen. Daphne, wie die im Herbst ermordete Investigativjournalistin überall auf der Insel genannt wurde, lehnte aber nicht nur die Idee an sich ab. Sie hatte guten Grund zu glauben, dass es rund um dieses lukrative Geschäft nicht mit rechten Dingen zuging. Der Verdacht war genährt aus verschiedenen Quellen und substanziiert durch die Panama Papers, die geleakten Unterlagen der panamaischen Kanzlei Mossack Fonseca, die der SZ zugespielt wurden - und sie berichtete über Einbürgerungen von Geschäftsmännern mit zweifelhaftem Ruf.
Daphne konnte ihre Recherchen nicht vollenden. Zum Zeitpunkt ihrer Ermordung liefen 47 Klagen gegen sie wegen ihrer Recherchen, darunter auch solche, die mit dieser Recherche zu tun haben. Eine Gruppe von investigativen Reporterinnen und Reportern hat sich nun dieses Themas angenommen. Geleitet von der gemeinnützigen Rechercheplattform "Forbidden Stories" arbeiten internationale Medien wie der Guardian, Reuters, die New York Times oder Le Monde sowie aus Deutschland der Rechercheverbund aus SZ, NDR und WDR und die Zeit im Rahmen des "Projekts Daphne" zusammen.