Mario Draghi hat seinen Mitarbeitern bei der jüngsten Belegschaftsversammlung der Europäischen Zentralbank einen Auftrag mit auf den Weg gegeben. Sie alle zusammen seien Botschafter der EZB und sollten mit darauf hinwirken, dass die Bürger in Europa den Job der Notenbank richtig verstehen. Die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit, so der EZB-Präsident, sei anders, als die Notenbank sich selbst sehe. Ein EZB-Mitarbeiter berichtet, dass er überrascht war. "Das war das erste Mal, dass da so ein Ton reinkam, nach dem Motto: Vielleicht ist ja was dran an dem, was die Kritiker sagen."
Nun darf niemand erwarten, dass Draghi demnächst öffentlich erklärt, die EZB-Geldpolitik sei wirkungslos und gefährlich. Aber der Italiener merkt natürlich, dass die vielen Billionen aus der Druckerpresse nicht die gewünschte Wirkung erzielen. Er merkt auch, dass die Kritik vor allem in Deutschland unvermindert anhält. Für viele Bürger hierzulande füllen die Technokraten aus dem EZB-Doppelturm ein politisches Vakuum und sehen zu, dass sich Euro-Staaten möglichst günstig neuverschulden können. Mit Geldpolitik habe das nicht mehr viel zu tun, so die Kritik. Man subventioniere Staatshaushalte, wofür man kein Mandat habe.
"Kleinster Hinweis auf Zurückschalten könnte missverstanden werden"
Für Draghi gilt ein unausgesprochener Pakt: Die EZB kauft Zeit, damit Politiker ihren Teil der Pflicht erfüllen. Die Euro-Staaten müssten nach Ansicht der EZB viel mehr tun, um die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu verbessern. Doch das geschehe viel zu wenig. Die EZB klagt darüber seit Jahren, und Draghi wirkt langsam ziemlich ermüdet, weil er immer wieder darauf hinweisen muss.
Gut möglich, dass der Italiener an diesem Donnerstag den Geist des Pakts trotzdem noch einmal beschwört. Dann trifft sich der EZB-Rat zu seiner regulären Sitzung. Im Anschluss gibt Draghi seine Pressekonferenz. Es gibt wichtige Fragen zu klären. Soll die EZB ihr Ankaufprogramm für Anleihen verlängern? Stand jetzt würde es Ende März 2017 auslaufen. Dann hätte die Notenbank rund 1,7 Billionen Euro in die Finanzmärkte kanalisiert.
Doch ein Stop im März könnte zu Turbulenzen an den Börsen führen. Dort geht man fest davon aus, dass Draghi verlängern wird, womöglich sogar bis Dezember 2017, um auch noch die Wahlen in Frankreich und Deutschland in einen weichen geldpolitischen Kokon einzubetten. Wenn er verlängert, würden wohl weiter jeden Monat 80 Milliarden Euro in den Ankauf der Schuldscheine fließen.
Spannend wird, ob Draghi dazu bereit ist, das brisanteste Thema anzusprechen: den Zeitpunkt für das Ende der EZB-Hilfen. Experten bezweifeln, dass er sich traut. "In diesem Umfeld, da die Finanzmärkte nervös sind und die politische Unsicherheit gewaltig ist, könnte selbst der kleinste Hinweis auf ein Zurückschalten der Geldpolitik missverstanden werden die Finanzierungsbedingungen verschärfen", sagt Carsten Brzeski, Chefvolkswirt der ING-Diba. "Daher denken wir, dass die EZB sehr vorsichtig sein wird."