DaimlerChrysler:The Ueberboss

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Der Stuttgarter Konzern lässt Mitsubishi fallen. Jürgen Schrempps globale Strategie hat sich für DaimlerChrysler also nicht ausgezahlt.

Von Dagmar Deckstein

Einer der schärfsten Schrempp-Kritiker ist der Sprecher der "Kritischen DaimlerChrysler Aktionäre", Jürgen Grässlin. In seinem 1998 erschienenen Buch "Jürgen Schrempp. Der Herr der Sterne" versuchte Grässlin eine Annäherung an den heutigen Lenker der "WeltAG" und gestand ihm immerhin zu: "Schrempp versteht es, falsche Entscheidungen zu korrigieren und seine Niederlagen in Siege umzumünzen."

Der Autor hatte dabei das ehemalige Lieblingskind des Konzernherren, den niederländischen Flugzeugbauer Fokker im Blick, den Schrempp 1996 ebenso abrupt fallen ließ, wie er jetzt den überraschenden Ausstieg bei Mitsubishi betreibt.

Der Schmied des globalen Automobilkonzerns DaimlerChrysler hatte sich am vergangenen Wochenende nach Japan aufgemacht, um mit den anderen Anteilseignern der Mitsubishi Motor Corporation die Zukunft des Sorgenkinds zu beraten.

Noch auf der Daimler-Hauptversammlung am 7.April hatte Schrempp angesichts harscher Aktionärskritik gesagt, er halte sich bei der maroden Tochter Mitsubishi "alle Optionen offen". Nun hat er diejenige gewählt, die ihm keiner zugetraut hätte: Sayonara, Mitsubishi.

Bei der außerordentlichen Aufsichtsratssitzung am Donnerstag in Stuttgart, bei der der Ausstiegsbeschluss fiel, soll es sehr heftig zugegangen sein, berichten Teilnehmer. Schrempp habe sich geradezu verkämpft für diesen Tritt auf die Notbremse.

"Schrempps Stuhl ist angesägt"

Für Überraschungen ist "The Ueberboss", wie ihn die US-Zeitschrift Business Week einmal nannte, schon immer gut gewesen. Für die erste sorgte er 1995 kurz nach seiner Installierung als Vorstandsvorsitzender der Daimler-Benz AG, als er einen Verlust von umgerechnet 5,7 Milliarden Mark präsentierte - seht her, das Werk meines Vorgängers Edzard Reuter, wollte Schrempp damit sagen.

Umgehend begann der neue Chef damit, den von Reuter angestrebten "integrierten Technologiekonzern" um alle unrentablen Firmen von AEG bis Fokker abzuspecken und, wie das im Managerdeutsch heißt, die "Fokussierung auf Kernkompetenzen" voranzutreiben.

Daimler-Benz sollte nur noch Autos bauen, wozu Schrempp im nächsten Coup den geschätzten Mercedes-Chef Helmut Werner aus der Unternehmensspitze drängte, um die eigenständige Tochter in den Daimler-Benz-Konzern zu integrieren.

Mit dem Schlachtruf "Profit, Profit, Profit" führte Schrempp den bis dato in der gemütlichen deutschen Konzernlandschaft unbekannten Gedanken des Shareholder Value ein, was ihm sogleich den Ruf des "Rambo in Nadelstreifen" eintrug.

Bei seinem bislang größten Coup hielt die Wirtschaftswelt vorübergehend den Atem an, bevor sie Jubelarien anstimmte: Am 7. Mai 1998 verkündeten Schrempp und Chrysler-Chef Robert J. Eaton morgens um halb acht in London die Fusion "unter Gleichen" der beiden Autokonzerne. "Dies ist ein großartiger Deal, weil die Transaktion...zwei der ertragsstärksten Automobilhersteller der Welt zusammenführt", hieß es im vorbereiteten Redemanuskript. Doch es kam alles ganz anders.

Die "Hochzeit im Himmel", wie dieser Deal allenthalben genannt wurde, führte geradewegs in die Scheidung - zumindest von nahezu sämtlichen Chrysler-Vorständen, die nach und nach durch deutsche Manager ersetzt wurden. Schnell wurde offenbar, dass Chrysler genau das Gegenteil eines der "ertragsstärksten Automobilhersteller" der Welt war, dafür aber ein Fass ohne Boden.

Milliarden wurden in die Sanierung der maroden Konzern-Säule gepumpt, die sich unter Manager Dieter Zetsche gerade so eben auf den Rückweg in die schwarzen Zahlen aufmacht. 26000 entlassene Chrysler-Beschäftigte sind auf diesem Weg auf der Strecke geblieben.

Ein solcher Kraftakt hätte jetzt auch beim asiatischen Standbein der WeltAG angestanden. Zwischen drei und vier Milliarden Euro hätte DaimlerChrysler in die Sanierung der Asientochter stecken müssen, die Schulden von sechs Milliarden Euro angehäuft hat und im letzten Jahr 540 Millionen Euro Verlust produzierte.

Da zog Schrempp den Stecker. Fällt als nächste Säule auch Chrysler? Schrempp, dessen Vertrag gerade eben erst bis 2008 verlängert wurde, wird der Welt jetzt nicht mehr zeigen können, dass sein Konzept der WeltAG langfristig doch funktionieren könnte. Ein Analyst der Landesbank Rheinland-Pfalz kommentiert dazu trocken: "Schrempps Stuhl ist angesägt."

© SZ vom 24.04.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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