Daimler-Chef Zetsche unter Druck:Problem für Doktor Z.

Ein überraschend kurzer Vertrag lässt Daimler-Chef Dieter Zetsche nur drei Jahre Zeit, den Abstand auf die Konkurrenten Audi und BMW zu verringern. Drei Hauptprobleme muss er für Mercedes lösen.

Von Artur Lebedew und Sascha Gorhau

Es ist ein Kompromiss zwischen Neuanfang und Weiter-so: Dieter Zetsche, der Mann mit dem mächtigen Bart, bleibt Mercedes-Chef - aber nicht wie erwartet für fünf, sondern nur für drei Jahre. Der Aufsichtsrat setzt ihm damit eine knappe Frist.

Als "Zeichen von Kontinuität" bezeichnet zwar Stefan Bratzel, Direktor des Auto-Instituts CAM in Bergisch Gladbach, den Vertrag. Das Unternehmen vertraue Zetsche. Die unorthodoxe Vertragsverlängerung zeige aber auch: Zetsche müsse sich beweisen und den Abstand zu den beiden deutschen Rivalen BMW und Audi schnell verringern. Denn trotz Rekordgewinnen könnten Daimlers Gewinnmargen schrumpfen - wenn die Konkurrenz ihre Sache weiterhin besser macht als die Luxusmarke mit dem Stern.

Auf dem Markt der Premiumhersteller ist Daimler schon heute hinter BMW und Audi auf den dritten Platz zurückgefallen. 1,54 Millionen Luxus-Autos verkauften die Münchner 2012, Audi 1,45 Millionen. Daimler hingegen setzte nur 1,32 Millionen ab. Zetsche muss diese Lücke nun rasch schließen. Ob ihm das gelingt, hängt davon ab, wie er die drei größten Probleme des Konzerns angeht: den schwachen Absatz in China, die Neuausrichtung der Produktpalette und die Verringerung der Kosten.

FILE picture of Daimler AG CEO Zetsche during the company's annual news conference in Stuttgart

Dieter Zetsche: Auch für die kommenden drei Jahre Vorstandvorsitzender von Mercedes.

(Foto: REUTERS)

Imageproblem in China

China ist für deutsche Premium-Hersteller der Markt der Zukuft. Fast eine Million Autos setzten BMW, Audi, Mercedes und Porsche im Jahr 2012 dort zusammen ab. Das soll sich fortsetzten, es muss sich sogar fortsetzen: In Europa stagneiren die Absatzzahlen von Jahr zu Jahr.

Während BMW und Audi in China jährliche Wachstumsraten in zweistelliger Höhe verzeichnen, verkaufte Mercedes dort 2012 nur zwei Prozent mehr als im Jahr zuvor. Dass das zu wenig ist, weiß auch Zetsche. Er kündigte an, den Absatz bis 2015 um 30 Prozent zu erhöhen.

In China gilt Mercedes als Altherrenauto

Für Automarkt-Forscher Stefan Bratzel entscheidet sich dort, ob Mercedes den Kampf der Luxuskarrossen verliert: "Wenn Daimler hier nicht aufholt, schaffen sie es gar nicht mehr."

Auto Show Detroit, Mercedes-Benz Präsentation

Werbung mit dem Papst: Dieter Zetsche zeigte auf der Detroiter Auto-Messe das Papamobil seines Daimler-Konzerns auf der Bühne.

(Foto: dpa)

In China leidet Daimler an einem Imageschaden. Die Jugend fährt BMW und Audi, die Limousinen mit dem Stern auf dem Grill gelten dagegen als Altherrenautos. Ein Image, gegen das sich die Marke bisher erfolglos wehrt.

Daimler habe China verschlafen, sagt Bratzel. Erst Jahre nachdem BMW und Audi den Markt unter sich aufteilten, habe auch Mercedes angefangen, dort zu verkaufen. Zudem hätte Daimler in der Vergangenheit Probleme mit den Partnern vor Ort gehabt, vor allem viele Vertriebsgesellschaften hätten sich nicht als gut genug erwiesen: "Da haben Audi und BMW einfach das bessere Händchen bewiesen."

Daimlers Vertriebsproblem soll jetzt ein neuer Deal lösen. Anfang Februar unterzeichneten die Schwaben eine Beteiligung am chinesichen Auto-Produzenten BAIC Motor, im Dezember 2012 führten sie ihre Vertriebsgesellschaften zusammen.

Neue Produktpalette soll helfen

Helfen sollen neue Modelle. Darum überarbeitet Daimler von 2013 an großflächig die Produktpalette. Einen Vorgeschmack darauf gab bereits die radikal erneuerte A-Klasse 2012. Sportlich und modern will Mercedes sich nun geben.

Ein weiteres Beispiel für den Wunsch zum Wandel ist die jüngst überarbeitete E-Klasse. Sie wirkt nun optisch deutlich frischer und setzt zudem konsequent auf Daimler-Kernkompetenzen: Sicherheit und Komfort. Das soll die Kunden überzeugen, die inzwischen zahlreich zu Audi A6 und dem Fünfer von BMW übergelaufen sind. Die kommende Generation der C-Klasse erscheint 2014.

Die Sicherheitsfeatures der Mercedes-Mittelklasse sind ein Vorgriff auf die neue S-Klasse. Sie muss ein Erfolg werden. Denn noch immer leiden die Schwaben am kläglichen Scheitern der Nobel-Limousine Maybach. Deswegen bekommt die neue S-Klasse eine besonders luxuriöse Ausführung mit extra-langem Radstand, um endlich wieder die Kundschaft im Höchstpreissegment bedienen zu können.

Vor allem aber: Bei teuren Fahrzeugen ist die Gewinnspanne am höchsten. Deshalb betreibt Mercedes auch viel Aufwand für die sportlichen AMG-Modelle. Die neue A-Klasse erscheint erstmals als Sportversion, auch das kleine Coupé CLA. Außerdem plant Mercedes Coupé-Versionen des SUVs GLK und ML. Der X6 von BMW ist in diesem Bereich bisher konkurrenzlos. Diesen strategischen Nachteil muss Daimler ausgleichen.

Sparen oder investieren?

Dringender Handlungsbedarf besteht beim Kleinstwagen Smart, seit Jahren ist der Zwerg ein Draufzahlgeschäft für Mercedes. Die aktuelle Version ist inzwischen nicht mehr zeitgemäß, der Nachfolger überfällig. Mercedes kooperiert für die Entwicklung einer neuen Generation mit dem Renault-Nissan-Konzern. 2014 werden vermutlich die ersten Modelle erscheinen.

Zetsche muss sparen und investieren zugleich

Das dritte Problem Zetsches ist die Kostenstruktur. Ein schwieriges Unterfangen, ihm zwei Dinge zugleich gelingen müssen: Sparen und Investieren. Auch dabei ist ihm die Konkurrenz voraus.

In der Autobranche hat sich das Baukastenprinzip durchgesetzt. Autos werden wie Legosteine zusammen gesetzt. Auf immergleiche Plattformen setzen Maschinen andere Module. BMW gehörte zu den ersten, die so Fahrzeuge bauten. Über Jahre konnten sie so die Kosten für die Modulfabrikate senken. Zudem hat das Unternehmen aus Bayern geschafft, seine Produktionsfabriken fast vollständig auszulasten.

Audi profitiert von seinem mächtigen Mutterkonzern VW. Auch die Wolfsburger wenden erfolgreich das Baukastenmodell an. Der Unterschied zu vielen Konkurrenten jedoch ist, dass VW bei Zulieferern Großbestellungen für alle seine Töchterunternehmen abgibt - und deshalb einen geringeren Preis bezahlt. So baut auch Audi günstig seine Autos.

Und Mercedes? Eine Lösung, Fahrzeuge so billig zu bauen wie seine Konkurrenten, hat das Unternehmen noch nicht gefunden. Dabei müsste Daimler investieren, um auch in der Zukunft seinem Ruf als Innovationstreiber gerecht zu werden. Zum Beispiel in neue Technologien zur Senkung der CO2-Emissionen, eine evolutionsfähige Elektronik, in mehr Flexibilität zwischen den verschiedenen Baureihen.

Daimler habe seine Probleme erkannt, sagt Stefan Bratzel, "aber es fehlen bislang die guten Lösungen". An denen wird sich Dieter Zetsche in seiner nächsten Amtsperiode messen lassen. Er hat nur drei Jahre Zeit.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: