Daimler: Stehaufmännchen Zetsche:Zurück im Spiel

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Nach einem annus horribilis hat Daimler-Chef Zetsche sein Feld nun doch bestellt: Sein Vorstandsvertrag ist um weitere drei Jahre verlängert worden.

Dagmar Deckstein

Viel Phantasie braucht man nicht, um sich auszumalen, wie Dieter Zetsche an diesem Donnerstag auf der Bilanz-Pressekonferenz seine Rede intonieren wird. Zwar wird er für den Daimler-Konzern im Autokrisenjahr 2009 unterm Strich eine rote Zahl verkünden müssen, aber auf der Gegenseite kann er auf mehrere spektakuläre Erfolge hinweisen. Der erste Gewinn ist schon seit Dezember bekannt und trägt den Namen Michael Schumacher.

Es ist noch gar nicht so lange her, da sah es so aus, als ob der Vertrag von Daimler-Chef Dieter Zetsche nicht verlängert werden könnte. Doch nun sitzt der Manager wieder fest im Sattel. (Foto: Foto: AP)

Es kommt einem genialen Schachzug der Schwaben gleich, der deutschen Formel-1-Ikone zu einem furiosen Comeback auf den Rennpisten dieser Welt zu verhelfen.

Für sieben Millionen Euro setzt sich Schumacher hinters Lenkrad von Mercedes, und das zu einer Zeit, da sich der Erzrivale BMW aus dem Rennsportgeschäft zurückgezogen hat.

Sechster Mann im Vorstand

Auch wenn im umweltbewussten Deutschland so mancher die Nase rümpfen mag über die CO2-trächtige Raserei, Zetsche ficht das nicht an: "In den Wachstumsmärkten zwischen Nahost und China kommt diese Art der Marken-Promotion sehr gut an", sagte er Mitte Dezember in Abu Dhabi, wo er mit dem anderen Mercedes-Rennfahrer Nico Rosberg auf der frisch aus dem Wüstenboden gestampften Formel-1-Rennstrecke Yas Marina posierte.

Für ein weiteres, nicht minder spektakuläres Comeback sorgte Zetsche dann einige Wochen später. Sein langjähriger Weggefährte Wolfgang Bernhard, von Zetsche-Vorgänger Jürgen Schrempp 2004 in die Wüste geschickt, zieht als sechster Mann in den Daimler-Vorstand ein.

Vorläufig zeichnet er dort verantwortlich für den Einkauf von Mercedes. Die Betonung liegt auf vorläufig, denn es wird wohl nur eine Frage der Zeit sein, bis Bernhard die Gesamtverantwortung für Mercedes übernehmen wird, die Zetsche immer noch in Doppelfunktion neben dem Konzernvorstand innehat.

Schließlich dürfte Zetsche mit Wohlgefallen auf ein drittes Comeback hinweisen, das der Marke Mercedes. Brach der Personenwagen-Absatz 2009 um mehr als zehn Prozent ein, so geht es seit einigen Monaten wieder aufwärts.

Im größten Werk Sindelfingen ist die Kurzarbeit beendet, es wurden sogar wieder Leiharbeiter eingestellt. Als Zugpferd erweist sich vor allem die neue E-Klasse, die - wie auch die S-Klasse - von den Flottenkunden zunehmend wieder als Geschäftswagen geordert wird.

Die "Angst um den Stern"

Nicht zuletzt darf Zetsche eine Art eigenes kleines Comeback nach seinem annus horribilis feiern, ist sein Vorstandsvertrag doch am Vorabend der Bilanzpräsentation um weitere drei Jahre verlängert worden, ebenso der von Forschungschef Thomas Weber. Zetsche hat sein Feld bestellt.

Vor einem halben Jahr noch sah es düster aus in den Chefetagen der Untertürkheimer Konzernzentrale einerseits und in den Schlagzeilen der Medien andererseits. Zetsche war abgetaucht, die "Angst um den Stern" grassierte in den Gazetten, und die Gerüchte mehrten sich, dass Zetsches Vertrag, der Ende dieses Jahres ausläuft, womöglich nicht verlängert werden könnte.

Ja, es wurde sogar kolportiert, dass der stellvertretende Aufsichtsratschef Erich Klemm, der zugleich Gesamtbetriebsratsvorsitzender ist, schon beim Ex-Porsche-Chef Wendelin Wiedeking Anwerbeversuche gestartet hätte.

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Zetsches Stern sank in dem Maße, in dem auch der Auto- und vor allem Lkw-Verkauf eingebrochen war. Noch unsichtbarer war Wolfgang Bernhard, den Zetsche vor einem Jahr zu Daimler zurückgeholt und als Bereichsleiter der Mercedes-Transportersparte sehr offensichtlich zwischengeparkt hatte.

Ausgerechnet Bernhard, der 2004 schon von Schrempp als Mercedes-Chef auserkoren war, dann aber wegen offener Widerworte gegen den Konzernchef gehen musste. Zetsche und Bernhard sind enge Vertraute und verstehen sich prächtig, spätestens nachdem beide 2000 nach Detroit geschickt wurden, um Chrysler zu sanieren.

"Ich hole dich zurück", versprach Zetsche dem Freund, nachdem der vom seinerzeitigen VW-Chef Bernd Pischetsrieder als Markenchef nach Wolfsburg geholt worden war und unter dem neuen Vorstandschef Martin Winterkorn Anfang 2007 wieder gehen musste.

Kein knallharter Sanierer

Noch heute schwärmen die Beschäftigten im Hause Volkswagen von Bernhard. Auch in Sindelfingen sind Mitarbeiter des Lobes voll über den Ex-McKinsey-Mann, der 1992 zu Mercedes kam, die S-Klassen-Montage aufbaute und 1999 Chef der Mercedes-AMG GmbH wurde.

Entgegen einschlägiger Beleumundung vor allem aus Metallgewerkschaftskreisen sei Bernhard eben kein knallharter Sanierer und Kostenkiller, heißt es. Im Gegenteil, der 49-jährige Manager sei ein begeisterter Automann, stets sachlich im Umgang mit Mitarbeitern, nie persönlich verletzend. Was man von manchem anderen Daimler-Chef nicht sagen könne.

So scheint Bernhard das Zeug dazu zu haben, eine Fehlstelle in Zetsches Managerprofil auszufüllen. Wenn man zum Beispiel mit Personalberatern spricht, die sich in den Topetagen bestens auskennen, ist immer wieder zu hören: Dieter Zetsche versteht sich außerordentlich gut darauf, die Mittlerfunktion zwischen Unternehmen und Gesellschaft auszufüllen.

Auf festerem Boden

Diese Fähigkeit werde künftig immer wichtiger, aber nicht viele Spitzenmanager besäßen sie. Hingegen sei Zetsches Wirkung nach innen, zur Belegschaft, eher undefinierbar. Darüber klagen auch immer wieder Konzernmitarbeiter, die von ihrem obersten Chef eine klare Ansage anmahnen, wohin er mit Daimler in den nächsten fünf oder zehn Jahren steuern will.

Gut möglich, dass der Automann Bernhard besser zu verklaren vermag, wohin die Reise gehen soll. Und sei es dereinst als Konzernchef, als der er jetzt zumindest bereitsteht. Zetsche ist heute 56 Jahre alt. Wenn sein verlängerter Vertrag ausläuft, ist er 60 - in jenem Alter also, in dem sich einem ungeschriebenen Daimler-Gesetz zufolge ein Vorstand in den Ruhestand verabschieden sollte. Wolfgang Bernhard wird dann 53 sein und damit im richtigen Alter für Höheres.

Zetsche steht also auf weit festerem Boden als noch vor einem halben Jahr. Bei aller Weltläufigkeit, die er in der Öffentlichkeit ausstrahlt, geht ihm doch jegliche Ähnlichkeit mit dem kraftstrotzenden grünen Monster namens Hulk ab. Den outete er auf der Detroiter Motorshow Anfang Januar als seine Lieblings-Comicfigur, und wie Hulk sieht er Daimler in die neue Dekade starten: "Wir sind stark, wir sind grün, und wir sind ready to roll."

Bei allen glücklichen Rückkehrern ist indes weit und breit noch keine Ankunft zu erkennen. Bis 2020, so eine wichtige Devise von Zetsche, sollen 20 Prozent aller Führungsposten mit Frauen besetzt sein, also auch der Vorstand. Es bleiben noch vier Jahre, auch daran zu arbeiten.

© SZ vom 18.02.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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