Daimler:Schon wieder

Ola Källenius

Daimler-Chef Ola Källenius muss mit den Altlasten fertigwerden.

(Foto: Christoph Soeder/dpa)

Der Autobauer verkündet die vierte Gewinnwarnung innerhalb von 13 Monaten. Er hat Probleme in der Produktion und beim Absatz, auch die Abgas-Affäre kostet weiter Geld. Und die Konjunktur wird nicht besser.

Von Stefan Mayr, Stuttgart

Der neue Daimler-Chef Ola Källenius ist noch keine zwei Monate im Amt. Dennoch hat er jetzt schon seine zweite Gewinnwarnung veröffentlicht. Und was für eine. Erste Überraschung: Nur drei Wochen nach der jüngsten Korrektur ist schon wieder ein weitere nötig. Man fragt sich unweigerlich: Wann kommt die nächste? Zweite Überraschung: Der Umfang des Gewinneinbruchs.

Ist das der Vorbote einer massiven Krise? Oder gar schon der Beleg? Selbst erfahrene Analysten wurden am Freitagmorgen überrascht, als der Stuttgarter Autobauer seine vierte Gewinnwarnung innerhalb von 13 Monaten veröffentlichte; Daimler verkündete für das zweite Quartal einen operativen Verlust (Ebit) von 1,6 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Im Vorjahresquartal hatte Daimler noch 2,6 Milliarden Gewinn gemacht. Die Prognose für das gesamte Geschäftsjahr 2019 fällt entsprechend aus: Das Betriebsergebnis werde nicht wie bislang angenommen stagnieren, sondern deutlich sinken.

Als Gründe führt Daimler vor allem zusätzliche Rückstellungen wegen der sogenannten Diesel-Affäre an; Hier laufen Ermittlungen und Gerichtsverfahren gegen den Premium-Hersteller, auch das Kraftfahrtbundesamt geht davon aus, dass Daimler in einigen Modellen unzulässige Abschalteinrichtungen eingebaut habe. Daimler bestreitet das und hat gegen die Bescheide des KBA Rechtsmittel eingelegt. Dennoch muss der Konzern die angeordneten Rückrufe zunächst umsetzen.

Am Freitag saßen Konzernchef Ola Källenius und seine Vorstandskollegen zusammen, man muss dieses Treffen wohl als Krisensitzung bezeichnen. Denn was die sechs Männer und zwei Frauen besprachen, machte wenig Spaß. Vor allem schmerzte das Thema Diesel: Der Vorstand nahm nach Konzernangaben eine "Neueinschätzung im Zusammenhang mit laufenden behördlichen und gerichtlichen Verfahren" vor. Ergebnis: Die Rückstellungen werden um weitere 1,6 Milliarden Euro aufgestockt. Erst im Juni hatte Daimler die Rückstellungen um einen nicht näher bezifferten "hohen dreistelligen Millionenbetrag" erhöht. Das macht zusammen etwa zwei Milliarden Euro. Eine gewaltige Summe, die dem Konzern bei den anstehenden Umwälzungen in der Autoindustrie sehr fehlen wird.

Die Diesel-Frage wird immer mehr zum Fass ohne Boden, wenn man bedenkt, wie sich die Rückstellungen in jüngster Vergangenheit entwickelt haben: Ende 2016 lagen sie noch bei "nur" 11,8 Milliarden - inzwischen haben sie die 18 Milliarden übersprungen. Damit sind sie innerhalb von zweieinhalb Jahren um 50 Prozent angewachsen. Mit diesem Geld könnte man in Stuttgart viel Know-how für die elektrisierte, digitalisierte und autonome Mobilität aufbauen.

Je länger Ola Källenius im Amt ist und je mehr Gewinnwarnungen er veröffentlicht, desto mehr drängt sich der Eindruck auf, der 50-Jährige muss Dinge abräumen, die ihm sein Vorgänger Dieter Zetsche hinterlassen hat. "Die Altlasten belasten Daimler und es kommt immer noch was Neues hoch", sagt Auto-Analyst Gerhard Wolf von der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW). Und damit ist nicht nur das Diesel-Problem gemeint. Denn Daimler begründet den Gewinneinbruch auch mit "verlangsamten Produktionshochläufen", die das "gesamte Jahr 2019 beeinflussen". Zudem wachse der Markt geringer als erwartet.

Zusätzlich hat der Vorstand im Geschäftsbereich Mercedes-Vans die Produktpalette "überprüft und priorisiert", allein das kostet 500 Millionen Euro. Genauere Angaben zu diesen Krisenherden macht Daimler nicht. In der Branche wird allerdings spekuliert, dass das Pick-up-Modell X-Klasse floppt und nach nur zwei Jahren eingestellt werden könnte. Fakt ist jedenfalls, dass die Van-Sparte das Sorgenkind des Konzerns ist: Im vergangenen Quartal machte sie zwei Milliarden Euro Minus. Die Pkw-Sparte vermeldet einen Quartals-Verlust von 700 Millionen.

Eine weitere Milliarde stellt Daimler wegen Problemen mit Airbags des japanischen Herstellers Takata zurück. Ein Sprecher betont, dies sei eine "reine Vorsichtsmaßnahme", es habe keinen konkreten Vorfall gegeben. Dennoch stehe ein "umfangreicher" Rückruf bevor. LBBW-Analyst Wolf wundert sich: "Das kommt völlig überraschend, wir dachten, das Thema sei erledigt."

Für Ola Källenius ist nach seiner zweiten Gewinnwarnung klar, dass er den bereits angekündigten Sparkurs zeitnah und rigoros umsetzen wird. Denn die Aussichten werden nicht besser: Einerseits sinkt die Nachfrage, andererseits muss Daimler viel Geld in Zukunftstechnologien investieren. Die Daimler-Aktie sackte am Freitag zwischenzeitlich bis zu 4,5 Prozent ab. Sie erholte sich jedoch im Lauf des Tages wieder.

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