Daimler prescht online vor:Abgesang auf das Autohaus?

Daimler prescht online vor: Autohaus in Bayern: Händler beobachten die Onlineoffensive von Daimler genau (Symbolfoto).

Autohaus in Bayern: Händler beobachten die Onlineoffensive von Daimler genau (Symbolfoto).

(Foto: Renate Schmidt)

Daimler will erstmals Neuwagen in großem Stil über eine Internet-Plattform verkaufen. Geht die Strategie auf, könnte das Schule machen - deshalb schauen Konkurrenten und auch Mercedes-Händler genau hin.

Von Thomas Fromm und Max Hägler

Mehr als 125 Jahre nach der Erfindung des Automobils durch Carl Benz und Gottlieb Daimler beginnt bei dem Stuttgarter Autobauer am kommenden Dienstag ein neues Zeitalter: Erstmals will Daimler einen großen Teil seiner Fahrzeuge dann auch im Internet vertreiben. Auf der Homepage www.connection-online.mercedes-benz.com, die am Dienstag freigeschaltet werden soll, werden Kompaktwagenmodelle der A- und B-Klasse sowie der Mittelklasse-Coupé CLA und der Sportwagen CLS Shooting Brake angeboten. 2014 soll die C-Klasse dazukommen.

Die Online-Offensive ist nicht nur für den Hersteller, sondern für die gesamte Branche ein Novum: Bislang haben die großen Autokonzerne aus Rücksicht auf den klassischen Autovertrieb durch Händler vor Ort auf einen eigenen Online-Handel weitgehend verzichtet. Ausnahme: Einzelne E-Auto-Projekte wie der i3 des Daimler-Rivalen BMW.

Jetzt aber prescht Daimler vor - und testet, ob Online-Handel und Oberklasseautos zusammen funktionieren.

Längst haben die Hersteller erkannt, dass gerade jüngere Kunden anders einkaufen als deren Eltern und Großeltern. Auch Autos. Die Angst, die in den Vorstandsetagen umgeht: dass irgendwann die Käufer ausgehen, wenn man diese nicht auch im Netz bedient.

Daimler startet nun als Erster die große Revolution und nimmt den Direktvertrieb via online selbst in die Hand. Es gehe darum, die Verbindung zum Kunden künftig über die verschiedensten Kanäle aufzubauen, heißt es bei Daimler. "Wir Autohersteller machen jetzt unsere Erfahrungen mit Online-Verkäufen", sagt Andrea Finkbeiner-Müller, Leiterin der Händlernetzentwicklung von Mercedes. Zurzeit habe der Konzern in Deutschland an die 95 Handelspartner und 34 konzerneigene Niederlassungen mit Tausenden Mitarbeitern. Vertreten sei das Unternehmen an etwa 700 Standorten.

Es ist ein großes und auch ein kostspieliges Reich: Wer in den eigenen Konzernniederlassungen arbeitet, wird in der Regel nach den Usancen des Unternehmens bezahlt - also Gehalt zuzüglich aller üblichen Sonderzahlungen. Der Online-Handel könnte auf Dauer also auch Geld sparen. In Stuttgart aber heißt es, dass man bei der Anzahl seiner Verkaufspunkte "in Zukunft relativ stabil bleiben" wolle. Oder anders gesagt: Der eine Kanal soll nicht zulasten des anderen gehen.

Das aber ist genau die Frage, welche die traditionellen Händler umtreibt: Wird der Online-Kanal wirklich nur ein zusätzliches Verkaufsvehikel sein? Oder wird er viele der ohnehin unter der Euro-Krise leidenden Autohäuser im Laufe der nächsten Jahre an den Rand der Existenz drängen?

Gemischte Gefühle bei den Händlern

Mercedes will seine Fahrzeuge auf der neuen Online-Plattform von der nächsten Woche an zunächst als Leasing-Angebote präsentieren. Geplant seien Gesamtpakete mit Fahrzeug, Versicherung und Wartungsverträgen, heißt es. Eine Hotline sei von acht bis 22 Uhr erreichbar; bei Bedarf könnten Probefahrten online bestellt werden. Das heißt: Das Netz wird so zur ersten Anlaufstelle für den Käufer, nicht mehr das Autohaus. Bisher galten die Online-Angebote der Hersteller oft nur als Anlaufstelle für diejenigen, die sich ihr Auto mit seinen Extras zusammenstellen lassen wollten. Jetzt aber zeigen Studien, dass rund ein Zehntel der deutschen Autokäufer ihr Fahrzeug auch online kaufen und bezahlen würden. Die Anzahl der Online-Affinen steigt.

Allerdings sind Online-Verkäufe im Autohandel ein sensibles Thema. Bei BMW reagierten die Händler mit gemischten Gefühlen, als der Hersteller seine Pläne bekannt gab, den Elektrowagen i3 im Internet anzubieten. Direkte Verkaufskanäle lehne man ab, hieß es seinerzeit vonseiten des Händlerverbandes. Später versicherte der Münchner BMW-Konzern: Der Online-Verkauf sei nur ein zusätzlicher Service und keine Abkehr von der traditionellen Vertriebsstrategie mit Autohäusern. Bei VW schaut man erst mal zu, was die anderen machen. Dort heißt es, man setze "klar auf unsere Handelsorganisation, denn uns kommt es auf die Bindung zum Kunden an, und die lässt sich in einem persönlichen Beratungsgespräch am besten aufbauen". Es gehe beim Autokauf um eine "fundierte und persönliche Beratung durch einen qualifizierten Verkäufer".

Wer mit freien Mercedes-Händlern spricht, bekommt hinter vorgehaltener Hand manche Sorge zu hören. Etwa dass die Vertragsabwicklung, also auch das Geld, komplett an diesen vorbeilaufe und der Kunde gerade in den Großstädten über neue mobile Verkaufsberater in die konzerneigenen Niederlassungen gelenkt werde. Beim Verband der Mercedes-Benz- Vertreter (V MB) gibt man sich dagegen demonstrativ gelassen, ja zuversichtlich: "Der Verband der Mercedes-Benz-Vertreter war von Beginn an in die Diskussionen um den Online-Vertrieb eingebunden", sagt Verbandschef Peter Ritter.

Hat er keine Sorgen, dass das Geschäft an ihm vorbeigeht? Antwort: Nach allem, was man bisher wisse - nein! Und verschließen könne sich der Autohandel dem Online-Vertrieb ja auch nicht, da doch jeder überall auf der Welt Geschäfte dort mache. Insofern sei es "positiv", an einer starken Internetpräsenz zu arbeiten. Entscheidend für seine Verbandsmitglieder werde das "Routing" sein, wie es Ritter formuliert, also die Frage, wie Kaufinteressenten bei Bedarf an einen konkreten Händler weitergeleitet werden. Dem Vernehmen nach diskutiert eine Arbeitsgruppe, bestehend aus Händlern und dem Autokonzern, gerade über diese Schlüsselfragen. "Solche Gespräche führen wir auf Augenhöhe", davon ist Ritter überzeugt.

Eines macht Daimler aber schon jetzt klar: Rabatte wird es keine geben. "Wir werden unseren Online-Kanal nicht als Modell für Preisnachlässe positionieren", sagt Daimler-Vertriebsfrau Finkbeiner-Müller. Das heißt: Wer Schnäppchen sucht, dürfte hier nicht fündig werden.

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