Ola Källenius ist ein kühl denkender Manager. Wenn der 1,95-Meter-Hüne etwas als richtig erachtet, zieht er das durch, ohne Rücksicht auf Traditionen, Emotionen und Widerstände. Und damit ist der 50-Jährige genau der richtige Mann am richtigen Ort. Denn angesichts der prekären Lage bei Daimler kann Källenius gar nicht entschlossen genug vorgehen.
Vor einem halben Jahr hat Källenius den Vorstandsvorsitz übernommen. Seitdem ist einiges passiert unter dem Dach der Stuttgarter Konzernzentrale: Källenius musste innerhalb von vier Wochen zwei Gewinnwarnungen veröffentlichen. Er musste ein 870 Millionen Euro schweres Bußgeld einstecken. Und er musste viele Tausende Dieselfahrzeuge zurückrufen, weil deren Motoren mehr Schadstoffe ausstoßen als erlaubt. Ganz schön viele Nackenschläge für die stolzen Mercedes-Manager. So mancher Experte attestiert Källenius bereits einen klassischen Fehlstart. Doch dieses Urteil ist vorschnell. Je länger Källenius im Amt ist, desto klarer tritt zu Tage: Der zurückhaltende Schwede musste jede Menge Altlasten aufräumen, die ihm sein schillernder Vorgänger Dieter Zetsche hinterlassen hat.
Die Liste ist lang, sie reicht vom mehrere Milliarden teuren Dauerproblem Dieselaffäre über Produktionsprobleme in den Werken von Mexiko und USA bis hin zu einer generell mangelhaften Aufstellung des Konzerns für die Zukunft. Nach all den vergangenen Rekordjahren ist das 300 000-Mitarbeiter-Konglomerat heute zu satt, zu unbeweglich und zu ineffizient, um gegen die aggressive und agile Konkurrenz aus China und den USA zu bestehen. Die Kosten steigen, die Einnahmen sinken. Källenius will deshalb 1100 Führungs-Jobs abbauen und verlangt von den Mitarbeitern, auf die nächste Tariferhöhung zu verzichten. Von diesen Forderungen wird er gegen den mächtigen Betriebsrat nicht alles durchsetzen können. Doch als klares und wichtiges Signal nach innen taugt diese Ansage allemal: Aufwachen, abspecken, anpacken!
Aus Dieter Zetsches Ära kommen einem angesichts der angespannten Lage zwei Dinge in Erinnerung. Erstens: Nach der missratenen Fusion mit Chrysler hat er mit maximaler Entschlossenheit das Unternehmen in letzter Sekunde gerettet. Sicherlich braucht es auch jetzt wieder schmerzhafte Einschnitte, um das Überleben zu sichern. Zweitens sagte Zetsche vor seinem Abschied einen Satz, den sich jeder Daimler-Mitarbeiter an seinen Badspiegel pinnen sollte: "Es ist kein Naturgesetz, dass Daimler ewig besteht." Offensichtlich sah er schon, dass sein Vermächtnis schwer auf den Schultern seines Nachfolgers lasten wird - in einer ohnehin schwierigen Zeit.
Der Konzernchef geht einen schwierigen, aber den einzig richtigen Weg
Der Umbruch in der Autoindustrie ist gewaltig angesichts von Elektrifizierung und Digitalisierung, Klimadebatten und neuem Kaufverhalten. Und es wird Verlierer geben, Entlassungen und Pleiten, Fusionen und feindliche Übernahmen. Die traditionellen Hersteller haben derzeit schwer zu kämpfen. Die einen versuchen es mit einer Megafusion (Peugeot, Fiat-Chrysler), die anderen mit Kooperationen, die noch vor Kurzem undenkbar waren (Volkswagen/Ford, Daimler/BMW).
Auch bei Daimler sehen die Aktionäre derzeit keine Perspektive, das Papier war 2019 zeitweise nur noch halb so viel wert wie 2015. Am Donnerstag wird Källenius in London Investoren seine Strategie präsentieren. Er wird die Modell- und Motorenpalette entschlacken, um Investitionen in die Zukunftsthemen Elektro und Digitales zu heben. Er wird den Abbau von Führungsjobs und weitere drastische Sparmaßnahmen ankündigen. Dabei muss er die Investoren überzeugen, darf es sich aber nicht mit den Mitarbeitern verscherzen. Denn er braucht sie für die Wandlung vom Hersteller dicker Karossen zum agilen Mobilitätsanbieter.
Nach außen schimpfen die Arbeitnehmer-Vertreter über Källenius' Sparpläne. Aber wer gründlich hineinhorcht in den Betriebsrat, der hört über den kühlen Schweden viele warme Worte. Bei aller Härte gehe er stets fair und mit Augenmaß vor, heißt es. Kein bisheriger Daimler-Boss habe wichtige Probleme so offen und transparent mit anderen, auch untergeordneten Gremien, besprochen wie er.
Solche Chefs braucht es jetzt in der deutschen Autoindustrie: korrekt und klug, aber an den richtigen Stellen auch knallhart.