Daimler: Korruption:Das Ende des Managers Mackie Messer

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Korruption und Reputation: Nach Siemens lernt nun auch Daimler, dass Moral bilanzierbar ist. Durch die Großunternehmen geht so etwas wie ein gut kalkulierter Ruck.

Heribert Prantl

Das Fressen kommt schon deswegen vor der Moral, weil jeder weiß, was Fressen ist. Fressen in all seinen Erscheinungsformen ist greifbar und fassbar. Fressen ist alles, was schmeckt, befriedigt oder sonst dem Körper gut tut. Bei juristischen Personen heißt das Fressen Gewinn.

Gewinn ist ein Synonym für das Wohlbehagen der Aktien- und Handelsgesellschaften. Im Gegensatz zur Moral steht der Gewinn auch in der Bilanz - an der wichtigsten Stelle. Die Moral aber sucht man als Bilanzierungsposten vergeblich. Das hat viele Unternehmen zu lange dazu verleitet, sich um Moral nicht zu kümmern, und zwar nicht einmal dann, wenn es um den harten Kern der Moral geht: um die Rechtstreue. Das rächt sich immer mehr.

Korruption war lange Zeit Geschäftsmodell von Großfirmen. Die per Schmiergeld erreichten Aufträge waren greifbar, der Gewinn auch. Schmieren galt den Firmen als Notwehr gegen die Konkurrenz, so wie Steuerhinterziehung vielen Begüterten als Notwehr gegen staatliche Geldverschwendung galt und gilt. Die Zeit für solche Art von Selbsthilfe geht zu Ende: Die Aufdeckungsgefahr ist sowohl bei Steuerhinterziehung als auch bei Korruption zu hoch geworden.

In jüngerer Zeit haben Weltfirmen wie VW und Siemens lernen müssen, dass die wirtschaftlichen Folgen der Unmoral sehr wohl greifbar sind. Und soeben lernt dies auch Daimler. Die Unmoral bei Daimler bestand wie bei Siemens in globaler Korruption.

Wäre Daimler keine Aktiengesellschaft, sondern eine natürliche Person, müsste der Herr Daimler jetzt ins Gefängnis; auch der Herr Siemens hätte schon hinter Gitter gemusst. Als juristische Personen können sich die Weltfirmen mit einem finanziellen Deal vor harten wirtschaftlichen Sanktionen retten.

Der Daimler-Konzern wird in den USA 185 Millionen Dollar Buße zahlen. Der Betrag erinnert an das Bußgeld, das Siemens in Deutschland hat berappen müssen: es waren 600 Millionen Euro.

Solche Summen klingen gewaltig, sind es aber nicht unbedingt. Von dem wirtschaftlichen Vorteil, den Großfirmen weltweit durch Mega-Korruption erzielt haben, wird auf diese Weise nur ein Löffelchen Rahm abgeschöpft. Schlimmer als die Geldbuße ist der Reputationsverlust. Reputation ist ein weicher Faktor, der harte wirtschaftliche Konsequenzen haben kann, wenn er verschwindet.

"Wer die Moral vernachlässigt, der schadet in letzter Konsequenz auch der Profitabilität." Diesen schönen Satz hat im Jahr 2003 einer geschrieben, der vier Jahre später die Richtigkeit seiner Aussage am eigenen Leib erfuhrt: der langjährige Siemens-Vorstandsvorsitzende und Aufsichtsratschef Heinrich von Pierer.

Die Firma Siemens und Herr von Pierer selbst hätten sich viel erspart, wenn sie sich an diese Devise gehalten hätten. Bei anderen Weltfirmen ist es nicht anders: Der Reputationsverlust erstreckt sich auf Firma und Manager, er verdunkelt die Verdienste, er zerkratzt die Lebensleistung. Darin besteht die generalpräventive Wirkung der Aufdeckung der Korruptionsskandale: Was hilft dem Großmanager sein Wahnsinns-Einkommen, wenn später sein Konzern ihn auf Schadenersatz verklagt und die Menschen mit Fingern auf ihn zeigen?

Deshalb geht durch die Großunternehmen so etwas wie ein gut kalkulierter moralischer Ruck. An die Stelle der Mackie-Messer-Devise tritt Reputations-Management. Es wächst die Erkenntnis, dass mit unsauberen Geschäften, jedenfalls auf lange Sicht, kein Geld gewonnen wird. Und Moral, auch diese Erkenntnis wächst, besteht nicht allein aus Rechtstreue. Die Unternehmen stehen ja nicht nur unter der Beobachtung der Justiz, sondern auch unter dem Druck von NGOs, die nach der Umweltverträglichkeit eines Produkts fragen und nach den Bedingungen, unter denen es produziert wurde.

Wenn sich Moral auf diese Weise rentiert, muss das der Moral nicht schaden.

© SZ vom 25.03.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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