Daimler-Hauptversammlung:Fast nix zu lachen

Dieter Zetsche verkündet Rekordzahlen und einen schnelleren Markteintritt der Elektro-Autos. Die Aktionäre sind aber unzufrieden: Die Dividende stagniert und Fragen zur Abgas-Affäre und zum Lkw-Kartell bleiben offen.

Von Stefan Mayr, Berlin

Dieter Zetsche verkündet Rekordzahlen, er spricht vom besten Jahr in der Unternehmensgeschichte, er redet von Perfektion und Marktführerschaft, er lobt seine Mitarbeiter und deren "starken Veränderungswillen", das klingt alles wunderbar bis perfekt, aber auf eines müssen die 6000 Aktionäre im Berliner City-Cube trotz all der Erfolgsmeldungen auf der Hauptversammlung der Daimler AG sehr lange warten: Auf ein Lächeln ihres Vorstandschefs. Hat der Mann nichts mehr zu lachen? Liegt das an den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Stuttgart zu Dieselgate oder an den einlaufenden Schadenersatz-Klagen wegen des Lkw-Kartells, in dem der Stuttgarter Autohersteller Daimler bei Preisabsprachen maßgeblich mitmischte? Es dauert bis kurz vor Ende seiner Rede, dann deutet Zetsche wenigstens ein Miniatur-Schmunzeln an.

Erstmals äußert sich Zetsche zu Trumps Abschottungs-Politik - und erhält kräftigen Applaus

Anlass der Gefühlsregung: Ein kräftiger Applaus für eine politische Äußerung Richtung US-Präsident Donald Trump. Es ist das erste Mal, dass Zetsche zu Trumps Abschottungspolitik öffentlich Stellung bezieht. Bei der Bilanzpressekonferenz Anfang Februar hatte er noch jede Frage zu Trumps Abschottungspolitik brutal abgeblockt. Jetzt sagt er: "Wachstum und Wohlstand gedeihen durch Kooperation, nicht Isolation." Den Namen Trump spricht er zwar nicht aus, dennoch nehmen die Aktionäre die klare und überfällige Ansage dankbar auf.

Nur sehr vage äußert sich Zetsche zu den zwei drängendsten Problemen des Konzerns: Dieselgate und das Lkw-Kartell.

Im Zusammenhang mit dem Schadstoff-Ausstoß von Dieselmotoren werde "gegen Mitarbeiter von Daimler" ermittelt, sagt er. Wohlgemerkt nicht gegen das Unternehmen Daimler, für diesen feinen Unterschied muss schon Zeit sein. Nicht nur Umweltschutz-Verbände prangern die Diskrepanz zwischen den Schadstoffwerten auf dem Prüfstand und jenen im realen Straßenverkehr an, auch der ADAC hat zuletzt darauf hingewiesen. Zetsche betont wie immer, weder das Kraftfahrtbundesamt noch das Verkehrsministerium hätten bislang Rechtsverstöße festgestellt. Was er nicht sagt: Daimler hat für mehr als 250 000 Fahrzeuge "eine freiwillige Servicemaßnahme" angeboten. Dabei erhalten die Wagen der Klassen V, A, B, CLA, GLA eine "weiterentwickelte Software" für niedrigeren Schadstoffausstoß - "im realen Fahrbetrieb" wohlgemerkt, nicht auf dem Prüfstand. Jens Hilgenberg von den Kritischen Aktionären bezeichnet dieses Vorgehen als "ethisch und moralisch nicht akzeptabel" - selbst wenn es Gerichte irgendwann akzeptieren werden. "Daimler trägt die Verantwortung für die hohen Belastungen mit Feinstaub und Stickoxiden in Städten", sagt Hilgenberg.

Daimler CEO Zetsche poses near the Mercedes Maybach 6 car before the Daimler annual shareholder meeting in Berlin

Der glänzende Mercedes Maybach 6 sollte Aktionäre bei der Daimler-Hauptversammlung wohl beeindrucken. Auch Konzernchef Zetsche hatte viel Gutes zu berichten, Probleme gibt es trotzdem.

(Foto: Hannibal Hanschke/Reuters)

"Droht ein neues Dieselgate?", fragt Aktionärsvertreter Ingo Speich von Union Investment. Er bekommt darauf keine Antwort. Wie auch auf die Frage, ob Daimler Rückstellungen gebildet hat wegen drohender Strafzahlungen oder Schadenersatzforderungen von Geschädigten des Lkw-Kartells. Daimler musste 2016 wegen illegaler Preisabsprachen unter Truck-Herstellern zwischen 1997 bis 2011 mehr als eine Milliarde Euro Strafe zahlen. Gleich mehrere Aktionärs-Vertreter kritisieren, dass das Unternehmen von den damals aktiven Vorständen keinen Schadenersatz fordert. Aufsichtsrats-Chef Manfred Bischoff betont, dass die Kontrolleure "gegenwärtig" von solchen Forderungen absehen - er schließt aber nicht aus, dass sich das noch ändert. Dies könnte dann auch Dieter Zetsche betreffen, er war von 1999 bis 2000 im Vorstand für das Lkw-Geschäft verantwortlich. Einige Aktionärsgruppen verweigern dem Vorstand deshalb die Entlastung, einer fordert Zetsche sogar zum Rücktritt auf.

Es ist ein wunder Punkt im ansonsten so prächtig aufgestellten Konzern. Fragen nach Details der Ermittlungen und Prüfungen blocken Zetsche und Finanzvorstand Bodo Uebber ab. Sie verweisen auf den 300 Seiten dicken Geschäftsbericht. Wer diese Stellen sucht, der findet dort spannende Aussagen, die so bislang noch kein Daimler-Manager öffentlich ausgesprochen hat (siehe Kasten).

Dieter Zetsche konzentriert sich da lieber auf die glänzenden Zahlen und verkündet positive Botschaften. Dabei hat er sogar eine richtige Neuigkeit dabei: Bei der Produkt-Offensive mit Elektro-Autos drückt er zusätzlich aufs Gaspedal. Bis 2022 will er mehr als zehn neue Elektro-Modelle auf die Straße bringen. Damit hat er das Ziel um drei Jahre nach vorne verschoben. Ein sportlicher Plan, der wohl auch den Zeichen der Zeit geschuldet ist: Es werden wohl mehrere Diesel-Fahrverbote in Städte kommen, die Grenzwerte werden verschärft, die internationale Konkurrenz macht Druck.

Die Risiken

So mancher Aktionär spricht von "Verbrechen" und "kriminellen Machenschaften", von "Haft" und "Haftung". Ganz so schlimm muss es nicht kommen, und die Manager der Daimler AG wiegeln Fragen nach Dieselgate, Lkw-Kartell und möglichen juristischen Konsequenzen stets ab. Nur in seinem Geschäftsbericht 2016 geht das Unternehmen detailliert auf die "rechtlichen Risiken"ein, die die Affären bergen. Was dort steht, klingt erheblich brisanter als in den Reden der Manager: "Daimler könnte zu erheblichen Geldstrafen, (...) Rückrufaktionen, Maßnahmen zur (...) Schadensbegrenzung verpflichtet sein." Sollte es so weit kommen, könnte das für Daimler "einen erheblichen Kollateralschaden" sowie "Reputationsschaden" bedeuten. An einer Stelle heißt es, man könne "erhebliche nachteilige Auswirkungen auf unsere Ertrags-, Finanz- und Vermögenslage" nicht ausschließen. Woanders steht, mögliche Verpflichtungen hätten "nach Einschätzung des Konzerns" dagegen "keinen nachhaltigen Einfluss auf die Vermögenslage". 2016 hat Daimler laut Geschäftsbericht 400 Millionen Euro für juristische Verfahren ausgegeben. Die Rückstellungen betrugen 16 Milliarden Euro, also 230 Millionen mehr als 2015. Stefan Mayr

Zetsche sieht seinen Konzern für die Herausforderungen der Zukunft gut gerüstet. "Wir stärken beides: Neues und Bewährtes", sagt er. Angesichts des Rekordumsatzes von 153 Milliarden Euro und eines Gewinns von 8,8 Milliarden ruft er aus: "Noch nie war unser Unternehmen so erfolgreich wie heute." Die Dividende beträgt wie im Vorjahr 3,25 Euro pro Aktie, damit schüttet Daimler insgesamt fast 3,5 Milliarden Euro aus. Damit sind etliche Aktionäre nicht zufrieden. Sie fordern eine Steigerung, schließlich seien auch Umsatz und Gewinn gestiegen. Finanz-Vorstand Uebber hält den Kritikern entgegen, die Ausschüttungsquote von 40 Prozent sei die höchste aller Dax-Unternehmen. Damit will sich ein kritischer Fragesteller nicht abfinden. "Wo sind meine acht Pfennig?", fragt er. Er hätte sich zumindest eine Anhebung auf die Schnapszahl 3,33 Euro gewünscht. Unruhe bricht im Saal aus, als Aufsichtsratschef Manfred Bischoff ankündigt, dass die Bezüge der Aufsichtsräte um 20 Prozent auf 144 000 Euro erhöht werden. Lautes Raunen, vereinzelte Pfiffe und Buhrufe.

Bei allen kritischen und offenen Fragen, um die Umsätze muss sich Zetsche keine Sorgen machen: Das Unternehmen kündigte am Mittwoch für das erste Quartal 2017 einen neuen Absatz-Rekord an.

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