Daimler: Großaktionär aus Abu Dhabi:Öl war gestern

Die Zukunft der Autoindustrie: Was kommt nach dem Abschied vom Erdöl? Mit dem Petro-Geld der Scheichs sucht Daimler neue Wege mit alternativen Antriebstechniken. Denn wer da nicht mithält, droht liegenzubleiben - spätestens beim nächsten Ölpreis-Boom.

Michael Bauchmüller

Wie wunderlich die Welt der Wirtschaft ist. Da nehmen Ölscheichs aus Abu Dhabi Milliarden Petrodollars in die Hand, um den Abschied vom Erdöl vorzubereiten. Nichts anderes bedeutet das Engagement des arabischen Erdöl-Fonds beim Daimler-Konzern; gemeinsam wollen sie Elektroautos erforschen. In der Nähe von Erfurt feiern Scheichs aus Abu Dhabi Anfang April Richtfest - für eine Solarfabrik. Deren Solarzellen sollen Elektromobile in der Wüstenstadt Masdar City betreiben, einem Modell für die Stadt der Zukunft - eine Stadt, die keine fossile Energie mehr braucht.

Daimler: Großaktionär aus Abu Dhabi - Öl war gestern

Auf der Suche nach dem richtigen Stern: Abu Dhabi steigt für knapp zwei Milliarden Euro bei Daimler ein und erhält dafür gut neun Prozent der Anteile.

(Foto: Foto: dpa)

Die ökonomische Wissenschaft, die in einer Art Springprozession aus Ereignissen Erkenntnisse abzuleiten versucht und diese dann verallgemeinert, gelangt derzeit zu ganz neuen Einsichten. Seit langem reden Ökonomen davon, dass Innovationen meist bereits vorgegebenen Pfaden folgen, sich solche Pfade nicht einfach ändern lassen. Jetzt erleben sie mit, wie die Welt einen solchen Pfad verlässt, langsam, aber mit wachsender Dynamik. Es ist der Pfad der Verbrennung, auch der Ausbeutung fossiler Ressourcen. Und es ist allerhöchste Zeit dazu.

Völlig zu Unrecht gilt die derzeitige Krise vor allem als "Finanzkrise". Zwar erreichte sie einen Höhepunkt durch kollabierende Immobilienmärkte in den USA und Kredite, die keiner mehr bediente. Aber begleitet war sie bis vor wenigen Monaten von einem beispiellosen Anstieg der Rohstoffpreise. Namentlich in den USA, in denen Alltag und Siedlungsstruktur auf individuelle Mobilität abstellen wie in keinem anderen Land der Erde, waren Ölpreise von knapp 150 Dollar je Fass ein Schock, der bis heute nachwirkt. Wer jetzt auf den Kauf eines wuchtigen Geländewagens verzichtet, handelt auch aus ökonomischer Rationalität. Das Auto ist einfach zu durstig.

Dabei suggeriert die Krise inzwischen sogar eine Entspannung. Der Ölpreis ist auf 50 Dollar pro Fass gefallen, Sprit gilt fast schon wieder als billig. Aber diese Entspannung trügt, das dicke Ende kommt erst. Gerade weil die Zeiten unsicher sind, weil große Projekte schwerer zu finanzieren sind, fahren Ölkonzerne Investitionen zurück. Selbst wenn noch einige Jahre lang genug Öl für alle da sein sollte, so wird es in den nächsten Jahren nicht gefördert werden. Mit anderen Worten: Sobald die Wirtschaft sich wieder erholt, sind die Ölpreise rasch wieder dreistellig. Allein die Erwartung wird die Spekulation mit Öl zusätzlich antreiben, Alternativen werden attraktiver. Das Ölzeitalter, so viel ist sicher, wird enden, lange bevor das Öl ausgeht.

Insofern handeln die Investoren vom Golf klüger als mancher deutsche Unternehmenslenker in den vergangenen Jahren. Sicher, die Autokonzerne forschen schon länger an Alternativen, an Brennstoffzellen, Hybridantrieben oder Erdgasautos. Aber im Kern kamen sie über das Prinzip eines explodierenden Luft-Kraftstoff-Gemisches nie hinaus. Entwicklungen fanden vor allem in den Marketing-Abteilungen statt, die neue Fabrikate mit Bezeichnungen wie "Blue Motion" oder "Efficient Dynamics" krönten.

Sie gaukeln Revolutionen vor, die es so nicht gibt. In Wirklichkeit bleibt die Fortbewegung mittels Verbrennung eine peinliche Verschwendung von Ressourcen. Auch bessere Motoren ändern nichts daran, dass der weit überwiegende Teil der Energie durch Kühlung oder Auspuff verlorengeht. In einer Welt, die bis 2050 auf neun Milliarden Einwohner zusteuert, ist solche Verschwendung ein Skandal.

Manches spricht dafür, dass Elektroautos das Problem lindern könnten. Sie nutzen (wenn nicht gerade wenig effiziente Kohlekraftwerke den Strom erzeugen) die Energie weit besser aus. Batterien werden leistungsfähiger und könnten noch eine zweite Aufgabe übernehmen: die Speicherung überschüssigen Stroms von Windrädern, etwa über Nacht. Sehr vieles spricht dafür, dass Autokonzerne die Chancen der Technologie erkennen. Mit dem Engagement der Scheichs bei Daimler könnte der Wettlauf nun sogar an Dynamik gewinnen. Wer nicht mitläuft, droht liegenzubleiben - spätestens beim nächsten Ölpreis-Boom.

Oft und gern wird derzeit die Krise zur Chance verklärt. Sie bietet Chancen vor allem für jene, die sie bisher nicht ergriffen - häufig wider besseres Wissen. Es ist bemerkenswert, wenn nun zwei Unternehmen (Daimler und der Fonds Aabar) kooperieren, die sich auf ihr bisheriges Geschäftsmodell nicht mehr verlassen können. Die Scheichs fürchten das abrupte Ende ihres Wohlstands mit dem Niedergang der Ölförderung. Daimler muss fürchten, herkömmliche Motoren irgendwann nicht mehr absetzen zu können. Diese Krise wird die Branche verändern, auch jenseits der Zukunft von GM, Opel oder Chrysler, ungeachtet auch von Staatshilfen und Abwrackprämien, so sehr sie den Wandel bremsen.

Die langsame Abkehr vom Öl ließe grundsätzliche Erkenntnisse zu, weit über den Rohstoff und das Automobil hinaus. Ökonomen, Unternehmensberater, auch Politiker könnten den Schluss ziehen, dass ein Geschäftsmodell, das auf Ausbeutung endlicher Ressourcen beruht, niemals dauerhaft funktionieren kann. So weit, leider, wird es nicht gehen; die Autoindustrie ist das beste Beispiel. Wandel entsteht nicht aus Weisheit, sondern aus ökonomischem Druck.

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