Daimler:Giftpillen für Heuschrecken

Die Spekulationen, dass sich feindliche Investoren für Daimler interessieren, reißen nicht ab. Doch sie müssten einige Hürden nehmen.

Dagmar Deckstein

Nichts ist unmöglich. Der Toyota-Slogan könnte derzeit auch das Daimler-Management umtreiben, das sich seit vielen Wochen mit immer neuen Übernahmespekulationen und möglichen Heuschrecken-Attacken konfrontiert sieht. Spätestens seit sich das fränkische Familienunternehmen Schaeffler beim viel größeren Zulieferer Continental sozusagen durch die Hintertür eingeschlichen und nahezu die Hälfte der Aktien gekauft hat, werden solche Szenarien gerade beim Stuttgarter Autohersteller mit Vorliebe durchgespielt.

Daimler-Aktionaersstruktur
(Foto: Foto: Grafik: SZ)

Mal sind es Staatsfonds aus Dubai, mal der als aggressiv geltende schwedische Investor Cevian, die angeblich an einem größeren Einstieg an Daimler interessiert sein sollen. Bestätigt wird offiziell gar nichts, inoffiziell heißt es, Cevian habe mittlerweile ein Aktienpaket unterhalb der gesetzlichen Meldeschwelle von drei Prozent.

Günstiger Dax-Konzern

Was Daimler als potentiellen Übernahmekandidaten erscheinen lässt, ist zum einen der Aktienkurs, der sich seit vergangenen Herbst halbiert hat und übrigens trotz anhaltender Übernahmespekulationen nicht wieder steigt. So hat das Unternehmen mit 964 Millionen Aktien einen Börsenwert von knapp 40 Milliarden Euro. Inzwischen gehört Daimler mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 7,6 zu den am niedrigsten bewerteten Unternehmen im Dax.

Und schließlich verfügt Daimler über nur einen Großaktionär, das Emirat Kuwait, der 7,6 Prozent am Unternehmen hält; der Rest der Aktien inklusive der zwei Prozent, die die Deutsche Bank noch hält, befindet sich im Streubesitz. Von dem wiederum sind seit langem um die 20 Prozent in den Händen von verschiedenen Finanzinvestoren, die aber jeder für sich weniger als drei Prozent halten.

Das ist die Meldeschwelle. Sollte ein Investor mehr zusammenkaufen, müsste das innerhalb von sieben Börsenhandelstagen von Daimler ausgewiesen werden. Sollte Cevian zwei Prozent an Daimler erworben haben, hätte er dafür 800 Millionen Euro zahlen müssen.

Dass ein Investor in großem Stil bei Daimler einsteigt und etwa die Sperrminorität von 25 Prozent plus einer Aktie oder sogar noch mehr kauft, ist eher unwahrscheinlich. Bei der derzeitigen Misere auf den Finanzmärkten wären die benötigten Kredite kaum zusammenzubekommen. Und was dann mit dem Investment anfangen?

Schon länger kursieren Spekulationen, ein Großaktionär könnte das Daimler-Management dazu zwingen, die Lastwagensparte im Wert von 16 Milliarden Euro aus dem Konzern herauszulösen und zu verkaufen oder gesondert an die Börse zu bringen. "Das ist für uns überhaupt kein Thema", heißt es bei Daimler. Zumal Konzernchef Dieter Zetsche seit seinem Antritt 2006 sich nicht nur von Chrysler getrennt, sondern das gesamte Unternehmen umgebaut habe. Im Zuge seines neuen Managementmodells mussten weltweit 6500 Führungskräfte gehen, wurden Forschung, Einkauf, Informationstechnologie, Verwaltung, Logistik und Vertrieb von Auto- und LKW-Sparte eng verzahnt.

Diese Synergieeffekte wieder zu kassieren und das Lastwagengeschäft mit neuem Management auszustatten, wäre nicht sehr sinnvoll. Außerdem ist Daimler Weltmarktführer bei Nutzfahrzeugen, womit ein Verkauf an einen anderen Hersteller überall Kartellbehörden alarmieren würde.

Ein Börsengang brächte beim derzeit flauen Umfeld für die Autobranche nicht viel. Nicht zuletzt hat sich Daimler-Betriebsratschef Erich Klemm dieser Tage mannhaft vors Unternehmen geworfen und mit dem massiven Widerstand der Belegschaft gedroht, sollten sich Zerschlagungspläne abzeichnen.

Einfluss aus Berlin

Vor allem aber hätte ein übernahmewilliger Investor allerhand Giftpillen zu schlucken: Daimler ist mit 15,22 Prozent am Luft- und Raumfahrtkonzern EADS beteiligt, dieser deutsche Einfluss bei einem der größten Rüstungshersteller ist politisch gewollt.

Ein Verkauf des Anteils, gar ins Ausland, wäre kaum durchzusetzen. Auch an der maroden Ex-Tochter Chrysler hält Daimler noch knapp 20 Prozent. Dadurch müssen die Stuttgarter anteilsmäßig auch die Verluste schultern. Bei einer Pleite Chryslers müssten sie noch eine Milliarde Dollar für Pensionsleistungen nachschießen, dieses Risiko übernimmt jeder potentielle Käufer.

So richtig Kasse machen lässt sich für einen feindlichen Übernahme-Interessenten erst einmal nur auf dem Papier. Im Konzern, so heißt es, nehme man die Gerüchte gelassen zur Kenntnis. "99 Prozent unserer Aktionäre sind happy mit Zetsches Kurs", sagt einer.

Mit acht Prozent Kapitalrendite verdiene Daimler mehr als jeder andere Autohersteller außer Porsche, das Aktienrückkaufprogramm für sechs Milliarden Euro komme bei den Aktionären auch bestens an. Unermüdlich preisen Zetsche und sein Finanzchef Bodo Uebber die Aktie bei Investoren an. Denkbar, dass die Gerüchte vom "feindlichen Aggressor" potentiell willkommenen Investoren die Entscheidung zum Einstieg erleichtern. Nichts ist unmöglich.

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