Medien:Warum der "Daily Telegraph" verkauft wird

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Viele betrachten den Daily Telegraph als Instrument der politischen Einflussnahme. (Foto: Rob Pinney/Getty Images)

Nach einem Streit unter den Eigentümern steht der "Daily Telegraph" zum Verkauf, eines der einflussreichsten Blätter Großbritanniens. Als Interessent wird auch ein deutscher Verlag gehandelt.

Von Alexander Mühlauer, London

Als zwei Brüder der britischen Milliardärsfamilie Barclay die Telegraph Media Group 2004 kauften, erwarben sie eine der einflussreichsten Zeitungen Großbritanniens: den Daily Telegraph. Das konservative Blatt, bei dem Boris Johnson einst als Journalist gearbeitet hatte, gilt als eine der Lieblingslektüren der Tories. Das liegt mitunter daran, dass der Telegraph Autoren wie David Frost beschäftigt, der unter Johnson Brexit-Minister war - und nun als Mitglied des House of Lords den EU-Austritt in seinen Artikeln preist. Kein Wunder also, dass nicht wenige in Westminster den Telegraph als vorzügliches Instrument der politischen Einflussnahme betrachten. Ein Instrument, das man als Besitzer nicht so einfach aus der Hand gibt. Doch nun steht die Zeitung zum Verkauf.

Die überraschende Nachricht verbreitete sich in London nicht nur wie das sprichwörtliche Lauffeuer, sie sorgte in dieser Woche auch für allerlei Spekulationen. Schließlich könnte sich mit einem neuen Eigentümer die politisch-mediale Landschaft im Vereinigten Königreich erheblich verändern. Fest steht jedenfalls, dass die britische Großbank Lloyds einen sogenannten Zwangsverwalter mit dem Verkauf der Telegraph Media Group beauftragt hat. Dem Vernehmen nach sah sich die Bank zu diesem Schritt gezwungen, nachdem ein Streit in der Eigentümerfamilie Barclay eskaliert ist. Es geht offenbar um Schulden von fast einer Milliarde Pfund.

Die Lloyds Banking Group hat die Beratungsgesellschaft AlixPartners eingeschaltet, die nun die Kontrolle über eine Holding der Barclay-Familie besitzt. Die Holding heißt B.UK, hat ihren Sitz auf den Bermudas, und hält mittels einer komplizierten Struktur die Aktien der Telegraph Media Group sowie der Spectator Ltd., zu der wiederum die Zeitschrift The Spectator gehört. Das Magazin erscheint wöchentlich und gilt in Westminster als ebenso einflussreich wie der Daily Telegraph und dessen Sonntagsausgabe Sunday Telegraph.

Der Wert der Zeitungen wird auf bis zu 700 Millionen Pfund geschätzt, umgerechnet sind das 816 Millionen Euro. 2004 hatten die Zwillingsbrüder Frederick und David Barclay 665 Millionen Pfund bezahlt. Frederick ist heute 88, David ist vor zwei Jahren verstorben. Zuletzt waren die beiden 2020 in den Schlagzeilen, nachdem Frederick die Söhne seines Bruders verklagt hatte. Er beschuldigte seine Neffen Aidan, Alistair und Howard, ihn und seine Tochter mit einer Wanze abgehört zu haben. Und zwar bei einem vertraulichen Gespräch im Hotel Ritz in London, das auch einst den Zwillingsbrüdern gehört hatte. Der Lauschangriff war der vorläufige Höhepunkt einer Familienfehde, die bis heute nicht beendet ist.

Was das Verlagsgeschäft angeht, so waren Aidan und Howard Barclay im Vorstand der Telegraph Media Group. Doch in dieser Woche wurden sie von AlixPartners rausgeschmissen. Die Barclay-Familie war sichtlich um Schadensbegrenzung bemüht und stellte klar, dass die Zwangsverwaltung nicht mit der finanziellen Situation der Telegraph Media Group in Verbindung stehe. Die Darlehen, um die ein Streit entbrannt sein soll, sind laut einem Sprecher der Barclay-Familie zwar mit der Eigentümerstruktur der Familie und deren Medien-Investments verbunden, aber sie würden "in keiner Weise die Operationen oder die finanzielle Stabilität der Telegraph Media Group betreffen". Die Firmen der Barclay-Familie seien allesamt "gut mit Kapital ausgestattet, mit minimalen Schulden und starker Liquidität".

Chancen auf einen Käufer stehen wohl nicht schlecht

Der Zwangsverwalter AlixPartners wird jedenfalls kein Insolvenzverfahren einleiten, sondern dafür sorgen, dass die Mediengruppe verkauft wird. Die Investmentbank Lazard soll dabei behilflich sein. Wie es aussieht, stehen die Chancen nicht schlecht, einen Käufer zu finden. Der Telegraph und der Spectator sind nämlich nicht nur politisch einflussreich, sondern auch wirtschaftlich profitabel. Im vergangenen Geschäftsjahr konnte die Telegraph Media Group den Umsatz um vier Prozent auf 245 Millionen Pfund steigern. Der Gewinn lag bei 30 Millionen Pfund.

Wie hoch die Auflage der Zeitungen ist, lässt sich nicht genau sagen, weil die Mediengruppe seit 2020 keine Zahlen mehr veröffentlicht. Ende 2019 lag die Auflage des Daily Telegraph noch bei 318 000 gedruckten Exemplaren, ein Minus von zwölf Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Seitdem dürfte die Printauflage weiter zurückgegangen sein. Im Gegenzug stieg die Zahl der Digital-Abos.

Bleibt die Frage, wer nun ein Gebot für den Kauf der Zeitungen abgibt. In London wird über allerlei mögliche Interessenten spekuliert, darunter auch den Axel Springer Verlag ( Bild), der bereits 2004 Interesse an der Telegraph Media Group hatte. Als potenzielle Bieter gelten außerdem DMG Media ( Daily Mail) aus Großbritannien, der niederländische Mediahuis-Konzern ( De Telegraaf) sowie die Staatsfonds aus Saudi-Arabien und Katar. In London gibt es auch Gerüchte, dass Paul Marshall, ein bekannter Hedgefondsmanager und Brexiteer, beim Telegraph einsteigen könnte. In diesem Fall würde zumindest eines passen: die politische Ausrichtung.

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