Autobau:PS statt Klimaschutz

Autobau: Noch werden in Hambach E-Smarts gebaut.

Noch werden in Hambach E-Smarts gebaut.

(Foto: Frederick Florin/AFP)

Der britische Milliardär Jim Ratcliffe rettet das Werk, in dem Daimler bisher das umweltfreundliche Stadtauto Smart fertigt - um dort einen PS-starken Geländewagen zu bauen.

Von Leo Klimm, Paris

Daimler-Chef Ola Källenius bekommt seinen Willen: Er wird das Werk im lothringischen Hambach los, wo sein Konzern den elektrischen Kleinwagen Smart baut. Ineos, das Unternehmen des britischen Chemie-Milliardärs Jim Ratcliffe, übernimmt die Fabrik, teilten die beiden Konzerne mit. Immerhin 1300 von 1600 Arbeitsplätzen in dem Werk sind damit gerettet. Vorerst zumindest. Doch das hat seinen Preis: Anstatt kleiner, klimaschonender Stadtautos wird in Hambach künftig vor allem Ratcliffes Traumwagen gebaut - ein rustikaler Allrad-Geländewagen mit Sechs-Zylinder-Verbrennungsmotor namens Grenadier.

Der Verkauf des Werks markiert das Ende eines früheren Vorzeigeprojekts. Die kleinen Autos aus Hambach sollten die Städte von verdreckter Luft und von verstopften Straßen befreien und zugleich ein konkreter Beitrag zur Europäischen Union sein. Bei der Eröffnung der Fabrik, die unmittelbar an der Grenze zwischen Frankreich und Deutschland steht, wurde sie 1997 als europäisches Einigungswerk gefeiert. Doch der Smart hatte am Markt nicht den erhofften Erfolg. Jetzt übernimmt mit Ratcliffe ein bekennender EU-Gegner die Fabrik. In einer Mitteilung zu dem Deal mit Daimler lobt Ineos trotzdem den Zugang zu Lieferketten und Zielmärkten, die der Standort im Zentrum Europas biete.

Im Sommer hatte Daimler überraschend verkündet, der Konzern trenne sich im Zuge seiner Restrukturierung von Hambach. Eine Überraschung war das, weil der Stuttgarter Hersteller dort gerade für 500 Millionen Euro eine hochmoderne Fertigungslinie errichtet hatte. Darauf sollte ein elektrischer Mercedes-Geländewagen gefertigt werden. Als einziger Kaufinteressent meldete sich der Petrochemiekonzern Ineos, ein Novize im Autobau. Wie viel Ineos nun bezahlt, halten beide Seiten geheim.

Ratcliffe jedenfalls frohlockt, er habe ein gutes Geschäft gemacht. "Hambach war eine einzigartige Gelegenheit für uns, die wir uns einfach nicht entgehen lassen konnten: eine moderne Autofertigungsanlage mit einer Belegschaft auf Spizenniveau zu übernehmen", sagt er. Und der Grenadier werde "ein absolut kompromissloses Fahrzeug", versprechen seine Kommunikatoren. Der Wagen ist dem berühmten Landrover Defender nachempfunden, es sollen nur 25 000 Exemplare jährlich gebaut werden. Einer Schätzung der Unternehmensberatung Roland Berger zufolge sichert das 1000 Jobs. Zusätzlich soll Ineos noch einige Jahre lang in Daimlers Auftrag das aktuelle Smart-Modell bauen. Was danach aus den Arbeitsplätzen wird, die von diesem Auftrag abhängen, ist unklar.

Die Gewerkschaften des Hambacher Werks haben sich zunächst gegen den Verkauf an Ineos gesträubt. Mangels Alternativen stimmten sie schließlich dennoch dafür. In einer Stellungnahme äußern sie aber die Sorge, dass sich der Grenadier angesichts zunehmend scharfer Schadstoffauflagen "mit seinem hohen CO2-Ausstoß immer schlechter verkauft". Zur Entwicklung umweltfreundlicherer Antriebe hat Ineos jüngst eine Partnerschaft mit dem koreanischen Hersteller Hyundai geschlossen.

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