Süddeutsche Zeitung

"Store bededag":Dänemark streicht Feiertag - für Rüstungsausgaben

Die Abschaffung des "Store bededag" soll 400 Millionen Euro in die Staatskasse spülen und das Zwei-Prozent-Ziel der Nato finanzieren. Viele Dänen sind empört.

Von Alex Rühle, Kopenhagen

Mette Frederiksens Regierungsstil war schon immer von kühlem Pragmatismus geprägt. Als die damalige Vorsitzende der dänischen Sozialdemokraten nach der Wahlniederlage von 2015 begann, die fremdenfeindliche Asylpolitik der rechtspopulistischen Dansk Folkeparti zu kopieren, um ihre eigene Partei an die Macht zurückzubringen, gab es zwar Proteste im linken Lager, mittlerweile aber ist ihre restriktive Migrationspolitik akzeptiert. Jetzt aber hat Ministerpräsidentin Frederiksen die lutherische Kirche, alle dänischen Bischöfe, die Gewerkschaften und Hunderttausende Wählerinnen und Wähler gegen sich aufgebracht: Am Dienstag beschloss das dänische Parlament mit 95 zu 68 Stimmen, den "Store bededag", einen der elf gesetzlichen Feiertage, abzuschaffen - um mehr Geld für Rüstungsausgaben zu haben.

Der "Store bededag" oder "Große Gebetstag", der auf den vierten Freitag nach Ostern fällt, wurde Ende des 17. Jahrhunderts eingeführt, als mehrere ältere Fasten- und Gebetstage zusammengelegt wurden. Geblieben ist davon in den meisten Familien nur das Ritual, am Vorabend warme Weizenbrötchen ("varme hveder") mit Kardamom zu essen, ansonsten gilt der Tag als eine Art institutionalisiertes verlängertes Wochenende.

Religiöse Gefühle dürften durch die Feiertagsstreichung also kaum verletzt worden sein. Deutschland schaffte aus ähnlichen Gründen 1994 den Buß- und Bettag ab, um die Unternehmen wegen der damals neu eingeführten Pflegeversicherung zu entlasten.

Die Gewerkschaften forderten eine Volksabstimmung

Aber als die dänische Regierung im Januar erstmals verkündete, dass an diesem Tag zukünftig gearbeitet werden solle, brach ein Sturm der Entrüstung los. Die Kirchen empörten sich darüber, dass die Abschaffung des Feiertags ausgerechnet höhere Rüstungsausgaben finanzieren solle. Mehrere Minister betonten, dass man mit dem Geld auch Dinge wie Sozialhilfe oder die grüne Energiewende finanzieren könne. Die Gewerkschaften forderten eine Volksabstimmung und sammelten fast eine halbe Million Unterschriften. Am Dienstag dieser Woche versammelten sich Zehntausende Demonstranten vor dem Regierungssitz Christiansborg. Im konsensfreudigen Dänemark gleicht das schon fast einem Volksaufstand.

Warum das alles? Die Nato fordert von ihren Mitgliedern einen Verteidigungsetat von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts. 2022 kam Dänemark mit 27 Milliarden Kronen gerade mal auf ein Prozent. Das Parlament beschloss denn auch am Dienstag gemeinsam mit der Abschaffung des Feiertags eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben, um das Zwei-Prozent-Ziel bereits 2030 statt, wie ursprünglich geplant, 2033 erreichen zu können. Das Wirtschaftsministerium ließ errechnen, dass der zusätzliche Werktag rund drei Milliarden dänische Kronen (400 Millionen Euro) in die Staatskasse spülen werde und durch diese Maßnahme 8500 Vollzeitstellen gesichert werden. Später reduzierte das Ministerium diese Zahl auf 6500. Beide Berechnungen werden von Ökonomen vehement angezweifelt. Arbeitnehmer mit festem Lohn sollen für den Tag einen Gehaltszuschlag von 0,45 Prozent des Jahresgehalts erhalten.

Dänemark braucht Reformen auf dem Arbeitsmarkt, das Gesundheitssystem ist in Schieflage und dann ist da noch die internationale Großkrisenlage aus Inflation, Ukraine-Krieg und energiepolitischer Unsicherheit. Frederiksen versprach nach ihrer Wahl denn auch "eine Million Neuigkeiten, die Sie alle überraschen werden". Die Abschaffung des Feiertags kann man als erste Neuerung verbuchen. Allen, die die Hoffnung hatten, der Feiertag könne ja vielleicht in ein paar Jahren wiedereingeführt werden, erteilte Frederiksen auf einer Wirtschaftskonferenz am Mittwoch eine Absage. "Es gibt alle möglichen Leute, die denken, wir könnten weniger arbeiten", sagte sie. "Vergesst es, Freunde, vergesst es einfach."

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