Dachser:Fahrer gesucht

Dachser: Dachser befördert 40 Millionen Tonnen Frachtgut jährlich und beschäftigt mehr als 30 000 Mitarbeiter weltweit.

Dachser befördert 40 Millionen Tonnen Frachtgut jährlich und beschäftigt mehr als 30 000 Mitarbeiter weltweit.

(Foto: Dachser GmbH & Co. KG)

Weil es an Arbeitskräften mangelt, ist die Spedition Dachser froh um die Zuwanderung. Seit 2015 hat das Unternehmen 50 Flüchtlinge ausgebildet.

Von Dagmar Deckstein

Bernhard Simon hält wenig von Prognosen, dass Drohnen oder selbstfahrende Lastkraftwagen über kurz oder lang den Warentransport der Zukunft nahezu menschenlos erledigen könnten. "Statt solch fast schon ideologische Debatten zu führen, scheint es mir viel wichtiger zu sein, Antworten auf die Frage zu finden, wie wir den technischen Fortschritt einsetzen, damit Menschen und Technik Hand in Hand gehen, um unsere tägliche Arbeit zu verbessern", sagt der Chef von Dachser, Deutschlands drittgrößter Spedition nach DHL und der Deutschen Bahn.

Bernhard Simon, 58 Jahre alt und Enkel des Firmengründers Thomas Dachser, hat nicht die geringsten Zweifel, dass dieses Speditions- und Logistikgeschäft noch über sehr viele Jahre vor allem von einem Erfolgsfaktor lebt: von Menschen und ihrem umsichtigen, tatkräftigen Arbeitseinsatz. Ob als Lkw-Fahrer, als Fachlagerist oder Disponent: Es gibt immer etwas zu tun im Logistikgeschäft, wobei nur der Mensch eigene Hand anlegen kann.

Und so ist das Unternehmen Dachser auch um die Mitarbeiter Michael Jarju und Imad A. froh. Jarju, 26, ist 2015 aus Gambia nach Deutschland geflüchtet. Imad A., 39, floh ebenfalls 2015 aus Syrien als Offizier aus Assads Armee. Die beiden sitzen im Besprechungsraum des Firmengebäudes in Baindt bei Ravensburg, einer der insgesamt 69 deutschen Niederlassungen von Dachser. Sie haben mit Unterstützung der örtlichen Arbeitsagentur und nach zwei Jahren intensiver Deutschkurse inzwischen ihre Ausbildung inklusive IHK-Prüfung abgeschlossen und arbeiten jetzt - Michael Jarju als Fachlagerist, Imad A. als Lkw-Fahrer - für Dachser.

Beide sind glücklich über ihre neue Aufgabe. "Die Kollegen bei Dachser sind alle richtig nette Leute", sagt Imad A., der seinen Nachnamen nicht nennen will aus Angst vor dem Assad-Regime, dem er entflohen ist. In Syrien hat er ein Jurastudium abgeschlossen. Weiterstudieren in Deutschland kommt für den 39-Jährigen nicht infrage, dafür reichen seine Deutschkenntnisse noch nicht aus. Doch dafür freue er sich jetzt jeden Morgen auf den Arbeitsantritt im gelb-blauen Dachser-Laster mit seinem neu erworbenen Lkw-Führerschein, zumal er abends wieder bei seiner Familie im neuen Zuhause sein kann. Dank des dichten Niederlassungsnetzes der Spedition müssen die Dachser-Lastwagenkapitäne fast nur Tagestouren unternehmen. Der gelernte Jurist Imad A. fährt häufig Waren über die deutsch-schweizerische Grenze und hat sich inzwischen intensiv in die Feinheiten der Zollbürokratie eingearbeitet. Und es ist gut möglich, dass Imads Expertise als Jurist und Zollspezialist im Falle eines harten Brexit bei Dachser noch mehr gefragt wird.

Jutta Usanmaz, die Personalbeauftragte der Ravensburger Niederlassung, ist froh über die lernwilligen Neuzugänge aus den Flüchtlingsländern zwischen Nahost und Afrika - insgesamt sind es 13 an der Zahl in Baindt. "Es wird immer schwieriger, Nachwuchs fürs Logistikgeschäft zu begeistern", so die Dachser-Mitarbeiterin. "Wir hatten schon in verschiedenen Regionalblättern inseriert, weil wir dachten, Landmaschinen-Fahrer von aufgegebenen Bauernhöfen oder aus anderen Branchen könnten sich dafür interessieren, bei uns als Lkw-Fahrer anzufangen. Null Resonanz." Auf schiefe Bilder von Logistikberufen träfe man oft: Auf einer Bewerbermesse für Schulabgänger habe sie erlebt, dass Eltern ihrem zunächst begeisterten Nachwuchs vehement abgeraten hätten vom Speditionsgewerbe, nach dem Motto, das sei doch ein zukunftsloser Beruf, da die Lkw über kurz oder lang alle autonom führen.

Probleme einer Branche, die ja obendrein durch ihre straßenbelastenden Lkw nicht den besten Ruf genießt. Darin liegt durchaus eine Paradoxie: Kunden bestellen immer mehr Waren, online oder offline, die in immer kürzerer Zeit an Ort und Stelle sein sollen. Dass dafür Lkw nötig sind, wird gerne verdrängt. Allein Dachser befördert inzwischen 40 Millionen Tonnen Frachtgut jährlich, beschäftigt mehr als 30 000 Mitarbeiter weltweit - davon 15 500 in Deutschland - und setzte zuletzt sechs Milliarden Euro um im Jahr. Ungebrochenes Wachstum der Logistikbranche einerseits - andererseits beständig nachlassendes Interesse an den Berufen, die in diesem Gewerbe benötigt werden.

Insgesamt bildet Dachser jährlich 1660 Menschen aus, die fast vollständig in Festanstellung übernommen werden. Aber das reicht wohl nicht, um die Herausforderungen des Wachstums für die Zukunft zu bewältigen. Dachser setzt daher nicht zuletzt auch auf Flüchtlinge, die sich in Deutschland beruflich integrieren wollen, und hat erstmals im Oktober 2018 eine Bestandsaufnahme der bisherigen Erfahrungen mit den Azubis aus dem Ausland vorgenommen. An den zehn Dachser-Standorten begannen seit 2015 insgesamt 62 junge Menschen ihre Ausbildung. Bis heute sind 50 dabeigeblieben, vorwiegend junge Männer aus Afghanistan und Syrien, aus Gambia und Guinea, die übrigen stammen aus weiteren 16 arabischen und afrikanischen Ländern. Zwölf Auszubildende scheiterten an mangelhaften Deutschkenntnissen, zu hohen bürokratischen Hürden oder gingen wieder in ihre Heimatländer zurück.

Für die 50 Auszubildenden haben die Dachser-Ausbilder in ihrer gemeinsamen Bestandsaufnahme nur beste Noten zu vergeben: "Sie fügen sich sehr gut in unsere Teams ein, zeigen ausgeprägten Fleiß, Ehrgeiz und Integrationswillen. Sie verfügen über hohe Sozialkompetenz und über ausgesprochen gute Umgangsformen, besitzen ein großes Durchhaltevermögen und Stressresistenz, sind höflich, zuvorkommend und umsichtig."

"Es geht immer um das Miteinander", sagt der Chef

Für den Chef Bernhard Simon passen solche Eigenschaften bestens zum "Dachser-Spirit", den er so umschreibt: "Es geht immer um das Miteinander. Keiner kann allein und ohne Respekt gegenüber den Kollegen Erfolg haben in unserem Dienstleistungsnetzwerk, in dem jeder in erster Linie dem Kunden dient, aber zur Bewältigung seiner vielschichtigen Aufgaben auch hohe Freiheitsgrade genießt." Gerade die Flüchtlinge würden diesen unternehmerischen Spirit mitbringen, ohne den sie ja die Fluchtreisen gar nicht hätten überstehen können.

Auch Jutta Usanmaz, die Personalerin in der Ravensburger Niederlassung Baindt, meint: "Sie haben sich hier hervorragend eingegliedert und werden von ihren Kollegen geschätzt, die selbst sehr viel im Umgang mit anderen Menschen dazugelernt haben. Allerdings ist das mit vergleichsweise hohem Aufwand der Kollegen und Ausbilder verbunden gewesen, ihnen mit viel Geduld und Einfühlungsvermögen unsere Abläufe nahezubringen."

Unterm Strich aber, das betont Bernhard Simon, sei die Integration von Flüchtlingen für Dachser ganz sicher eine Win-win-Geschichte: "Wir bieten Flüchtlingen gerne eine Integrationschance. Für uns wiederum ist das eine von mehreren Maßnahmen, uns gegen den zunehmenden Fachkräftemangel zu wappnen."

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