Süddeutsche Zeitung

D&O-Policen:Rettungsring für die Chefs

Ob VW oder Bayern-LB: Nach schweren Managementfehlern sollen die Versicherer einspringen und zahlen. Meistens geht es dann vor Gericht.

Von Harald Freiberger, Herbert Fromme und Patrick Hagen, Köln/München

Es kann zäh werden, wenn eine Managerhaftpflicht-Versicherung zahlen soll. Das zeigt das Beispiel der Bayerischen Landesbank: Zwölf Jahre ist es schon her, dass die Bayern-LB die österreichische Hypo Alpe Adria kaufte. Das Institut entpuppte sich bald als Milliardengrab. Zwölf Jahre ziehen sich die Prozesse gegen die früheren Vorstände hin, die für die teure Fehlentscheidung haften sollen.

Das Strafverfahren wurde 2014 abgeschlossen, Ex-Vorstandschef Werner Schmidt wurde zu einer Bewährungsstrafe von 18 Monaten und zur Zahlung von 100 000 Euro verurteilt. Die anderen Vorstände kamen mit Vergleichssummen zwischen 5000 und 20 000 Euro davon.

Der Zivilprozess, in dem die Bayern-LB von den Ex-Vorständen und den Managerhaftpflicht-Versicherern 200 Millionen Euro einklagt, läuft aber immer noch vor dem Landgericht München I. Erst vor zehn Tagen schlug Richterin Isabel Liesegang einen Vergleich vor. Demnach soll das Versicherungs-Konsortium 60 bis 70 Millionen Euro tragen, die sechs Ex-Vorstände sieben bis zehn Millionen Euro. Das wären bis zu 80 Millionen Euro der geforderten 200 Millionen Euro.

Ob der Vergleich zustande kommt, ist sehr fraglich. Das Konsortium der D&O-Versicherer - nach dem angelsächsischen Directors' & Officers' Liability - wird von der Bermuda-Gesellschaft XL Insurance angeführt, die 2018 von der Axa übernommen wurde. Die Versicherungssumme beläuft sich auf 105 Millionen Euro. Ein Vergleich von 70 Millionen Euro würde bedeuten, dass jeder Versicherer einwilligen muss, zwei Drittel der Summe zu zahlen, für die er haftet. XL Insurance als führender Versicherer haftet bis zu 25 Millionen Euro. Nicht jede Gesellschaft ist begeistert. Bei den Großschäden ist das die Regel: Sie werden fast nie ohne juristische Auseinandersetzung abgerechnet. Es geht immer um Millionensummen. Lufthansa, Siemens, Volkswagen, Bilfinger, Daimler, Deutsche Bank - die Liste ist lang. Am Ende stehen meistens Vergleiche.

Auch bei kleineren Schäden kämpfen die Versicherer zunehmend mit harten Bandagen, hat Marcel Armon beobachtet, Chef des Spezialmaklers Howden Germany. "Einige versuchen, die Fälle so in die Länge zu ziehen, dass den klagenden Unternehmen die Luft ausgeht", sagt er.

Sobald die Firma den Vorstand verklagt, rückt der Versicherer an dessen Seite

Die D&O-Versicherung ist ein merkwürdiges Konstrukt. Ein Unternehmen kauft eine solche Absicherung für seine Vorstände, Aufsichtsräte, Prokuristen und Geschäftsführer. Hat einer von ihnen dann seine Sorgfaltspflicht verletzt und einen Fehler gemacht, der die Firma viel Geld kostet, verklagt sie ihn auf Schadenersatz.

Ab dem Moment muss der Versicherer - den das Unternehmen selbst bezahlt - vollständig auf Seiten des betroffenen Vorstandsmitglieds stehen und die juristische Abwehr finanzieren, also alles tun, damit nicht gezahlt werden muss.

In vielen Fällen verlangen die Unternehmen nur deshalb Schadenersatz von den eigenen Leuten, weil sie wissen, dass es die D&O-Police gibt. Für die betroffenen Manager hat die lange Verfahrensdauer oft katastrophale berufliche und private Folgen. Doch kein vernünftiger Manager wird heute noch Vorstand oder Geschäftsführer, ohne dass er durch eine D&O-Police geschützt ist.

Die sogenannte Innendeckung von Ansprüchen der eigenen Firma ist eine deutsche Spezialität - in den USA, dem Herkunftsland der Policen, sind in der Regel nur Ansprüche von Außenstehenden versichert, zum Beispiel von Aktionären. Die D&O-Versicherung ist politisch umstritten. Erst machen die Manager Fehler, und dann müssen sie nicht einmal persönlich haften, lautet das Argument. Als Volkswagen vom Ex-Vorstand Peter Hartz Millionen wegen der von ihm genehmigten Bordellbesuche und Lustreisen für Betriebsräte verlangte, zahlten die D&O-Versicherer im Jahr 2006 4,5 Millionen Euro. Der Spott über die "Puff-Policen" hat 2009 zu einer Gesetzesänderung beigetragen. Seither müssen Manager im Schadenfall mindestens 10 Prozent der Summe aus eigener Tasche zahlen. Allerdings können sie sich mit einer privaten D&O-Police absichern.

Seit dem Diesel-Skandal ist die Autoindustrie nicht mehr so beliebt

Höchstwahrscheinlich wird auch der Diesel-Skandal zu einem D&O-Schaden führen. Eigentlich sind Ansprüche gegen die Versicherer ausgeschlossen, wenn die Vorstände vorsätzlich gehandelt haben. Weil der Vorsatz aber nicht immer sauber nachgewiesen werden kann, kommt es fast immer zu einem Vergleich.

Die Automobilindustrie ist wegen des Diesel-Skandals jedenfalls nicht mehr beliebt bei den Versicherern. Konnte VW früher eine D&O-Deckung von 500 Millionen Euro für seine Vorstände und Aufsichtsräte abschließen, sind es mittlerweile nur noch 250 Millionen Euro für die Vorstände, heißt es in Marktkreisen.

Dazu kommen zwar noch 200 Millionen Euro für die Aufsichtsräte, der Schutz fällt aber insgesamt deutlich geringer aus. Denn Vorstände sind einem viel höheren Risiko ausgesetzt als Aufsichtsräte.

Die spektakulären Fälle dominieren das öffentliche Bild der Managerhaftpflicht. "Das Problem ist, dass sie nicht repräsentativ sind für den deutschen D&O-Markt", sagt Makler Armon. Denn inzwischen haben auch viele mittelgroße und kleine Unternehmen eine D&O-Versicherung. Ein Grund dafür ist das Insolvenzrisiko. Die Insolvenzen sind in den vergangenen Jahren zur Hauptsorge der D&O-Versicherer geworden. Geht ein Unternehmen Pleite, schauen Insolvenzverwalter zuerst, ob es eine D&O-Deckung gibt. Ist das der Fall, nehmen sie die Arbeit von Vorstand oder Geschäftsführung unter die Lupe und finden fast immer etwas, weswegen sie Ansprüche gegen den Manager - und damit den Versicherer - stellen können.

Auch offizielle Prüfungen lösen D&O-Fälle aus. Heiner Eickhoff, Gründer und Executive President des Kölner Anbieters Dual, berichtet über eine mittelgroße Bank. "Da ist der BaFin bei einer Prüfung aufgefallen, dass der Vorstand unglaublich viel Geld für Feste mit Aufsichtsräten ausgegeben hat, außerdem für Geschenke und für Einladungen an die Ehefrauen, Einladungen zu WM-Spielen, teure Weihnachtsgeschenke und viel mehr." Die Liste der Geschenke ist lang, bis hin zu den Thermomix-Geräten für die Ehefrauen der Aufsichtsräte. Der Bestechungsskandal hat den Verantwortlichen der Bank ein Strafverfahren eingebracht - und Dual die Zahlung eines D&O-Schadens in Höhe von einer Million Euro.

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SZ vom 05.03.2019
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