D-Mark-Einführung 1948:Haste mal die Mark?

D-Mark-Einführung 1948: Am 20. Juni 1948 erhielten die Westdeutschen ihr neues Geld: Jeder bekam 40 DM in kleinen Scheinen.

Am 20. Juni 1948 erhielten die Westdeutschen ihr neues Geld: Jeder bekam 40 DM in kleinen Scheinen.

(Foto: action press)

Vor 70 Jahren wurde in den Westzonen des besetzten Deutschland eine neue Währung eingeführt. Sie machte den Aufstieg der Bundesrepublik und das Wirtschaftswunder erst möglich. Eine Zeitreise.

Von Nikolaus Piper

Am 20. April 1948 fuhr vor einem Bürogebäude in Bad Homburg ein Bus vor. Amerikanische Soldaten bewachten ihn, die Scheiben waren aus Milchglas, niemand sollte ins Innere sehen. Emory D. Stroker, ein Colonel der US Army, war gekommen, um zehn Mitglieder der "Sonderstelle für Geld und Kredit" abzuholen, einer deutschen Behörde in der britischen und amerikanischen Besatzungszone ("Bizone").

Es waren renommierte Wissenschaftler, darunter etwa der Ökonom Hans Möller, der es später als Professor in Frankfurt und München zu einigem Ruhm bringen sollte. Die Männer mussten sich in wenigen Minuten von ihren Familien verabschieden, Wäsche und Zahnbürste einpacken. Sie hatten keine Ahnung, wohin sie gebracht werden sollten. Nach drei Stunden Fahrt kamen sie im ehemaligen Fliegerhorst Rothwesten bei Kassel an. Kaserniert und ohne Kontakt zur Außenwelt sollten sie dort zusammen mit Amerikanern, Briten und Franzosen den endgültigen Entwurf für eine Währungsreform in den drei Westzonen des besetzten Deutschland ausarbeiten.

Als das "Konklave von Rothwesten", so wurde es genannt, am 8. Juni 1948 zu Ende ging, war der Weg frei zur Einführung einer neuen Währung, der D-Mark. Die Reform machte den Wiederaufstieg Deutschlands nach der selbst verschuldeten Katastrophe des Zweiten Weltkriegs möglich. Die 1949 gegründete Bundesrepublik ist somit ein Staat, dessen Währung älter ist als er selbst.

Der Beitrag der deutschen Experten zu der Reform war allerdings minimal, wie der Historiker Manfred Pohl schreibt. Sie wurden in Rothwesten meist vor vollendete Tatsachen gestellt, die neue D-Mark war eine amerikanische Erfindung. Der Name "Deutsche Mark" stammte von dem US-Leutnant Edward Tenenbaum. Auch die neuen Banknoten waren bereits gedruckt, nicht in Berlin, sondern in New York von der American Bank Note Company und in Washington vom Bureau for Engraving and Printing.

Noch als das Konklave tagte, wurde das neue Geld in einer Geheimaktion unter dem Codenamen "Bird Dog" über den Atlantik gebracht. Die Frachtpapiere für die 23 000 Holzkisten mit den Banknoten wiesen das Ziel Barcelona aus, tatsächlich wurden sie in Bremerhaven entladen. Edward Tenenbaum bezeichnete "Bird Dog" später als größte logistische Leistung der US Army seit der Landung in der Normandie.

Die neuen Banknoten sahen für viele ein wenig merkwürdig aus

Am 18. Juni wurde die Währungsreform verkündet, und am 20. Juni, einem Sonntag, erhielten die Deutschen ihr neues Geld. Jeder Alleinstehende und jeder "Haushaltungsvorstand" erhielt 40 DM in kleinen Scheinen: 20 DM, zehn, fünf, sogar eine halbe DM gab es. Die Banknoten sahen ein wenig merkwürdig aus: Sie erinnerten entfernt an alte amerikanische Aktien, ein Hinweis darauf, von wem das neue Geld stammte, fehlte völlig.

Für alle Deutschen, die den 20. Juni 1948 erlebten, war es ein Tag, den sie nie vergessen sollten. Die Auslagen, tags zuvor noch öde und leer, waren prall gefüllt: Fleisch, Wurst, Schuhe, Kleider, Zigaretten konnte man von dem neuen Geld plötzlich kaufen. Dieser "Schaufenster-Effekt" gab der neuen Währung auf einen Schlag Vertrauen und schuf so die psychologischen Voraussetzungen für die soziale Marktwirtschaft.

An dieser Stelle kommt Ludwig Erhard ins Spiel. Der spätere Bundeswirtschaftsminister gilt vielen Deutschen als "Vater der D-Mark", was er eindeutig nicht war. Aber als Direktor der Wirtschaftsverwaltung für die Bizone gab er am Tag nach der Währungsreform auf Grundlage eines "Leitsätzgesetzes" die Preise für fast alle Konsumgüter frei. Das widersprach dem sozialistischen Zeitgeist und war mit den Alliierten nicht abgesprochen. Der amerikanische Militärgouverneur Lucius Clay zitierte Erhard daraufhin zu sich und fragte ihn, wie er dazu komme, ohne Erlaubnis so wichtige Vorschriften zu ändern. Darauf Erhard: "Ich habe sie nicht geändert, ich habe sie abgeschafft."

Warum sich Erhards Sturheit sich am Ende auszahlte

In Deutschland war Erhards Kurs heftig umstritten. Der SPD-Vorsitzende Kurt Schumacher bezeichnete ihn als "Klassenkampf von oben". Auch in den eigenen Reihen, also im bürgerlichen Lager, war Erhard ziemlich einsam. Der CSU-Politiker Johannes Semler, wie Erhard Direktor der Wirtschaftsverwaltung, war zwar im Prinzip für die Marktwirtschaft, verlangte aber eine lange planwirtschaftliche Übergangszeit. Erhard kam da der Zufall zu Hilfe, Semler manövrierte sich selber ins Aus. Im Januar 1948 wetterte er vor dem Landesausschuss der CSU gegen die Politik der Amerikaner und machte deren Nahrungsmittelhilfe als "Hühnerfutter" verächtlich (bayerische Hausfrauen konnten damals mit Mais nichts anfangen). General Clay war verständlicherweise empört - und entließ Semler.

Aber auch nach der Währungsreform ging der Widerstand gegen Erhards Politik weiter. Weil, genau wie Erhards Gegner es vorhergesagt hatten, Preise und Arbeitslosenzahlen zunächst stiegen, forderten im Oktober 1948 nicht nur SPD und KPD, sondern auch die CSU Erhards Entlassung. Am 12. November rief der DGB zu einem eintägigen Generalstreik in der Bizone auf. Erhard blieb stur und wich nicht von seinem Kurs ab. Es zahlte sich aus. Bereits 1950 hatte der Lebensstandard einer durchschnittlichen Arbeiterfamilie wieder Vorkriegsniveau erreicht. Mit dem Nachfrageboom, den der Koreakrieg auslöste, begann dann 1951 das eigentliche Wirtschaftswunder.

Das Nazi-Regime hatte die deutsche Währung ruiniert

Die Notwendigkeit einer Währungsreform war dabei nie umstritten. Nur verblendete Nazis konnten bestreiten, dass ihr Regime die deutsche Währung ruiniert hatte. Anders als das Kaiserreich im Ersten Weltkrieg hatte die NSDAP nie den Mut gehabt, Kriegsanleihen zu begeben. Hitler finanzierte seinen Krieg durch Plünderung der besetzten Länder und gedrucktes Geld. Die Geldmenge stieg von 51 Milliarden Reichsmark (Ende 1939) auf 160 Milliarden (1944). Nach dem Krieg äußerte sich die zurückgestaute Inflation in existenzbedrohenden Versorgungsengpässen und einem überbordenden Schwarzmarkt. Im Mai 1948 kostete ein Kilo Roggenbrot auf dem Hamburger Schwarzmarkt 9,50 Reichsmark, ein Facharbeiter verdiente zehn Reichsmark am Tag. Die Amerikaner setzten daher auf einen klaren Geldschnitt: Nur zehn Prozent der Einlagen bei den Banken wurden in D-Mark umgetauscht, 90 Prozent vernichtet, die Schulden des Deutschen Reiches komplett gestrichen.

Theoretisch hätte das Problem auch anders gelöst werden können. Statt eines Geldschnittes hätte man die zurückgestaute Inflation an die Geldmenge anpassen können. Das Konzept so einer "Anpassungsinflation" verfolgte die britische Labour-Regierung, weil sie es für sozialer hielt. Sie konnte sich aber gegen die Amerikaner nicht durchsetzen - zum Glück vermutlich, denn das Konzept hätte eine lange Übergangszeit notwendig gemacht, in der die Zwangswirtschaft hätte aufrechterhalten werden müssen. Die britischen Pläne würde man in heutiger Terminologie als "keynesianisch" bezeichnen, den amerikanischen Plan als "Austerität", weil er auf Stabilität ausgerichtet war. In Deutschland hat Austerität jedenfalls funktioniert.

Zur Teilung wäre es wohl auch ohne Währungsreform gekommen

Hat die Währungsreform zur deutschen Teilung geführt? Über die Frage wird bis heute diskutiert. Richtig ist, dass die Sowjetunion vier Tage nach Einführung der D-Mark mit der Blockade West-Berlins begann. Richtig ist auch, dass die USA irgendwann gezielt eine West-Lösung anstrebten. Nur hatte der Kalte Krieg da längst begonnen. Im Alliierten Kontrollrat, der offiziell noch Deutschland regierte, zögerten die sowjetischen Vertreter die Entscheidung über eine gesamtdeutsche Währungsreform immer wieder hinaus. Die Amerikaner fürchteten, die Sowjets könnten ihnen mit einer eigenen Währungsreform zuvorkommen. Und, ein wichtiger Einschnitt: Im Februar 1948 hatten die tschechoslowakischen Kommunisten mit einem Putsch in Prag die Macht an sich gerissen. Die Westmächte hatten also gute Gründe für ihr Misstrauen. Zur Teilung wäre es daher wohl auch ohne Währungsreform gekommen.

Und schließlich gibt es die These des Bielefelder Historikers Werner Abelshauser, wonach es gar kein Wirtschaftswunder gab: Deutschland sei einfach auf den Wachstumspfad zurückgekehrt, den es im Krieg verlassen musste. Fabriken und Fachkräfte hätten schnell wieder produzieren können, die Währungsreform hätte es dazu nicht gebraucht. Das ist bis heute heftig umstritten. Der Münchner Historiker Knut Borchardt meint: Die Währungsreform und die daran anschließende Bewirtschaftungsreform markierten auch eine grundlegende Änderung des Charakters des Wachstums. "Jetzt gab es in den Westzonen eine Initialzündung, wie sie bei Beibehaltung des zum großen Teil noch aus der NS-Zeit stammenden Wirtschaftsregimes nicht denkbar gewesen wäre." Will sagen: Man sollte die Währungsreform nicht kleinreden.

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