Cybersicherheit:Der Feind in meinem Netz

Wenn von Hacker-Attacken die Rede ist, geht es meist um große Unternehmen. Die meisten Angriffe treffen allerdings Mittelständler. Start-ups versprechen nun, ihnen zu helfen - und machen damit Versicherern Konkurrenz.

Von Jonas Tauber, Berlin

Wenn Angriffe krimineller Hacker publik werden, geht es fast immer um sehr große Unternehmen, wie auch im Fall des norwegischen Aluminiumherstellers Norsk Hydro, der im März 2019 Opfer einer solchen Attacke wurde. 22 000 Rechner an 170 Standorten waren befallen, den entstandenen Schaden schätzt der Konzern auf mindestens 52 Millionen Euro.

Die meisten Cyberüberfälle aber treffen kleine und mittelgroße Unternehmen. Hier fehlt es sowohl an Expertenwissen als auch an technischen Kapazitäten, Systeme wieder auf den Stand vor dem Angriff zu bringen. Diese Lücke will das Start-up Perseus füllen: Es verspricht Mittelständlern mehr Sicherheit vor Cyber-Bedrohungen. Bei der Namensfindung hat das 2017 gegründete Start-up sich am Sohn des griechischen Göttervaters Zeus orientiert: Ihm gelang es der Sage nach, die schlangenhaarige Medusa zu töten, deren Anblick jeden Betrachter zu Stein werden ließ.

Perseus bietet Schulungen oder Tests von Mitarbeitern und unterstützt sie mit technischer Expertise, wenn ihre Computersysteme von Kriminellen "versteinert" werden. "Wir erhöhen den Schutz im Unternehmen und sorgen im Fall eines Angriffs dafür, dass es wieder normal arbeiten kann", sagt Geschäftsführer Richard Renner.

Dabei kann er sich auf das wachsende Bewusstsein für Cyber-Risiken stützen. Das Thema rückt angesichts der fortlaufenden Vernetzung sowie der Berichterstattung über spektakuläre Fälle auch bei Mittelständlern in den Fokus. Seine Kunden findet Perseus über den eigenen Internetauftritt und über Kooperationspartner aus der Versicherungswirtschaft. Gesellschaften wie Signal Iduna oder HDI bieten die Dienstleistungen des Digitalunternehmens zusätzlich zu ihren Versicherungen gegen Cyber-Risiken an.

Cybersicherheit: Der Aluminiumhersteller Norsk Hydro wurde im Frühjahr zum Ziel von Hackern. 22 000 Rechner des Unternehmens waren betroffen.

Der Aluminiumhersteller Norsk Hydro wurde im Frühjahr zum Ziel von Hackern. 22 000 Rechner des Unternehmens waren betroffen.

(Foto: oh)

Neu ist seit Mai ein Cyber-Schutzbrief zur Deckung der Kosten von Unternehmen für technische Unterstützung bei einem Vorfall. "Gedeckt sind Kosten von bis zu 50 000 Euro im Jahr", sagt Renner. Ein typischer Fall: Kriminelle sperren Dateien und fordern für die Entschlüsselung ein Lösegeld. In einem ersten Schritt versucht Perseus ein betroffenes System selbst wieder flottzukriegen, dafür wählt sich das Unternehmen aus der Ferne ins betroffene System ein. Gelingt das nicht, holt der Dienstleister einen Forensiker aus dem Netzwerk von Partnern und Experten dazu.

Der Fokus auf Prävention und technische Unterstützung im Ernstfall kommt im Markt gut an, sagt Renner. Der Umsatz habe sich im laufenden Jahr im Vergleich zum Gesamtjahr 2018 verdreifacht, verfügbare Mittel würden in die weitere Expansion fließen. Genaue Zahlen will Renner nicht nennen. "Angesichts des explodierenden Marktes gibt es keine Alternative dazu, jeden verfügbaren Euro in Wachstum zu stecken", sagt der Perseus-Chef. Noch 2019 soll eine weitere Finanzierungsrunde folgen.

Cybersicherheit: Zum vierten Mal zeichnet der Wirtschaftsgipfel der Süddeutschen Zeitung mit dem Start-up-Wettbewerb "Gipfelstürmer" die besten Gründer aus Deutschland aus. Die Ausschreibung läuft bis zum 31. August. Eine Jury aus Mitgliedern der SZ-Wirtschaftsredaktion wählt aus allen Bewerbern die sechs Finalisten aus. Diese dürfen im November am SZ-Wirtschaftsgipfel in Berlin teilnehmen und dort ihre Firma vorstellen. Die Teilnehmer des Gipfels küren den Sieger. Einzelheiten und Bewerbungen: www.sz-wirtschaftsgipfel.de/gipfelstuermer

Zum vierten Mal zeichnet der Wirtschaftsgipfel der Süddeutschen Zeitung mit dem Start-up-Wettbewerb "Gipfelstürmer" die besten Gründer aus Deutschland aus. Die Ausschreibung läuft bis zum 31. August. Eine Jury aus Mitgliedern der SZ-Wirtschaftsredaktion wählt aus allen Bewerbern die sechs Finalisten aus. Diese dürfen im November am SZ-Wirtschaftsgipfel in Berlin teilnehmen und dort ihre Firma vorstellen. Die Teilnehmer des Gipfels küren den Sieger. Einzelheiten und Bewerbungen: www.sz-wirtschaftsgipfel.de/gipfelstuermer

Aus dem Geschäft mit Cyber-Versicherungen selbst will sich Perseus dagegen heraushalten. "Da wollen wir gar nicht mitspielen", sagt Renner. Der Markt für solche Policen ist in Deutschland vergleichsweise jung und klein. Während in den USA Milliarden umgesetzt werden, ist das Beitragsaufkommen hierzulande noch überschaubar. Das bedeutet auch, dass die Gesellschaften erst noch Erfahrungen mit Schäden sammeln müssen. Außerdem befürchten Versicherer, dass ein Virus oder eine Attacke gleich eine Vielzahl von Kunden gleichzeitig trifft. Die Angst vor dem sogenannten Kumul bremst die Bereitschaft zum ungehemmten Wachstum. Ein Dienstleister wie Perseus muss sich darüber weniger sorgen - ein klarer Vorteil.

Das Berliner Start-up gehört zu einer ganzen Gruppe neuer, digitaler Wettbewerber, mit denen es die traditionellen Versicherer seit einigen Jahren zu tun bekommen. Die Branche gilt als Nachzügler bei der Digitalisierung. Entsprechend attraktiv ist sie für Newcomer, die sich auf digitale Prozesse und die veränderten Bedürfnisse verstehen.

Die Kunden richten ihre Erwartungen immer mehr daran aus, was sie von digitalen Vorreitern wie Amazon gewohnt sind. Darauf reagieren sogenannte Insurtechs wie Perseus. Hinter der Firma steht mit Finleap ein ausgewiesener Finanzspezialist für Digitalunternehmen, der inzwischen ein Dutzend Gründer zur Marktreife begleitet und sich Beteiligungen an ihnen gesichert hat. Dazu gehört auch der Digitalversicherer Element, der hinter dem Cyber-Schutzbrief von Perseus steht.

Neben seiner menschlichen Expertise wirbt Perseus auch mit künstlicher Intelligenz um Kunden - derzeit eines der heißesten Technologiethemen in der Versicherungswirtschaft. Zusammen mit dem Cyber-Schutzbrief hat das Insurtech eine neue Antiviren-Software ins Programm genommen. Sie soll nicht nur Bedrohungen erkennen, über die sie zuvor mit Informationen gefüttert wurde, sondern schlägt auch bei verdächtigen Begleiterscheinungen im betroffenen System an. "Das Programm ist in der Lage, auch bisher unbekannte Schadsoftware zu erkennen", sagt Renner.

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