Cyberpolicen:Günstig, aber manchmal unnötig

Die Versicherungsbranche baut ein neues Geschäftsfeld auf: Privatleute können sich nun gegen die finanziellen Folgen von Datendiebstahl absichern. Manchmal aber bräuchten sie gar keine neue Police.

Von Katrin Berkenkopf, Köln

Cyberangriffe gegen Firmen und große Organisationen, das ist seit Langem Thema. Aber in den vergangenen Wochen machten kriminelle Hacker deutlich, dass jeder einzelne Internet-Nutzer nicht sicher vor ihnen ist. Im Dezember standen plötzlich private Daten von Hunderten Prominenten und Politikern frei zugänglich im Netz. Im Januar fand ein Sicherheitsexperte online mehr als zwei Milliarden E-Mail-Adressen und Passwörter, die Angreifer anderen Kriminellen zum Kauf anboten.

Nach solchen Nachrichten steigt auf der Webseite des Versicherers Bavaria Direkt die Zahl der Zugriffe. Verbraucher interessieren sich für privaten Cyber-Versicherungsschutz, und immer mehr schließen eine Police ab, berichtet ein Sprecher der Gesellschaft, die zur Versicherungskammer Bayern gehört. Zahlen nennt er nicht.

Noch steht der Geschäftsbereich am Anfang, kein Vergleich mit Hausrat oder Glasbruch. Dabei wird die Bandbreite möglicher Schäden mit der zunehmenden Online-Nutzung und der Vernetzung von Geräten in privaten Haushalten immer größer: Ein Hacker veröffentlicht peinliche Fotos, Schüler mobben in sozialen Netzwerken ihre Klassenkameraden, Betrüger stehlen Kontodaten und kaufen auf Kosten des Opfers ein - das alles passiert täglich.

Es bleibt nicht beim digitalen Einbruch: Auf einem Fachkongress in Leipzig demonstrierte ein IT-Sicherheitsexperte im Dezember, wie Hacker mittels smarter Glühbirnen in das Netzwerk eines Haushaltes eindringen und persönliche Daten abgreifen können. Die klassischen Einbruchswerkzeuge Stemmeisen und Schraubenzieher werden überflüssig. Der Dieb muss sich einfach in das Netzwerk einhacken, dann stehen ihm Tür und Fenster nicht nur virtuell, sondern ganz real offen.

Der Düsseldorfer Versicherer Arag hat als einer der ersten Anbieter private Cyber-Policen auf den Markt gebracht. Im vergangenen Jahr ist die Zahl der abgeschlossenen Policen bei ihm um sieben Prozent gestiegen, erläutert ein Sprecher. Bislang hat er 50 000 Kunden in dem Segment. Das Geschäftsfeld ist also noch klein, aber profitabel: Weniger als 50 Prozent der Prämieneinnahmen gibt die Arag für Schäden aus. Neben Bavaria Direkt und Arag bieten auch die Sparkassenversicherung in Stuttgart, Hiscox und die VGH solche Verträge an, die Allianz bereitet ein Angebot vor. Cyber-Policen für Privatleute ersetzen in der Regel Schäden, die durch Daten- oder Identitätsdiebstahl entstanden sind - zum Beispiel die Kosten von Spezialisten für Online-Löschungen. Oft übernehmen sie die Rechtsberatung, wenn dem Versicherten Verstöße gegen das Urheberrecht vorgeworfen werden. Die Kosten einer Datenrettung oder der Streit um einen Online-Einkauf können auch versichert sein.

Die Unterschiede liegen im Detail: So bietet Bavaria Direkt eine telefonische Erstberatung für die Opfer von Cyber-Mobbing. Das Angebot der Arag zielt darauf, die Urheber des Cyber-Mobbings zu finden und mittels Strafanzeige zur Verantwortung zu ziehen. Bei der VGH erscheint Cyber-Mobbing unter den versicherten Haftpflichtschäden, das sind Schäden, die der Kunde bei einem anderen verursacht. Die VGH zahlt in dem Fall, dass Kinder Dritte durch Cyber-Mobbing schädigen und die Eltern haftbar gemacht werden.

In vielen Fällen zahlen die Versicherer Dienstleister, die das Internet nach illegal erbeuteten persönlichen Daten des Kunden durchforsten. Bei Bavaria Direkt ist ein solcher Service in den ersten drei Monaten inklusive. Immerhin jeder vierte Kunde zahlt das Angebot danach weiter aus eigener Tasche, so der Sprecher.

Die Arag stellt ihr Modell gerade um. Noch in der ersten Jahreshälfte soll es ein neues Angebot geben, bei dem in der Premium-Variante auch eine Elektronikversicherung eingeschlossen ist. Damit will der Düsseldorfer Versicherer sie für Gamer oder Influencer interessanter machen, deren Geräte im Schadenfall ersetzt werden, egal, ob sie durch einen Angriff oder durch Hinfallen kaputt gegangen sind. Für Selbstständige will die Arag die Abdeckung von Kosten nach Verstößen gegen die Datenschutzgrundverordnung einbauen.

Eigenständige Cyber-Policen sind mit wenigen Klicks online abschließbar und kosten nicht viel. Bei Bavaria Direkt sind es 4,99 Euro im Monat. Das derzeitige Angebot der Arag startet bei 10,09 Euro.

Manche Cyber-Schäden sind jedoch auch über die schon vorhandenen Policen versichert. Eine Reihe von Anbietern sichert die Fehlbedienung des Smart-Home-Systems oder Angriffe auf die Geräte über einen Baustein in der Hausratversicherung ab. Manche Privathaftpflichtpolicen zahlen, wenn bei Dritten durch E-Mails, die Viren oder Schadprogramme enthielten, ein Schaden entstanden ist.

Der unterschiedliche Leistungsumfang und die Cyber-Bausteine in etablierten Policentypen machen es für Verbraucherschützer schwierig, einen echten Marktüberblick zu gewinnen. "Ein einheitliches Marktbild zeichnet sich hier noch nicht ab", sagt Claudia Frenz vom Bund der Versicherten. Der Kunde solle sich deshalb die angebotenen Leistungen genau ansehen. "Im Vordergrund muss dann die Frage stehen, ob der jeweils angebotene Schutz tatsächlich notwendig ist, und ob nicht vielleicht schon bestehende Versicherungsverträge vergleichbare Risiken abdecken."

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