Süddeutsche Zeitung

Cyberattacke:Datendiebstahl verursacht Unruhe

Die Kreditfirma Kreditech aus Hamburg hat einen Cyberschaden - und ist versichert.

Von Anna Gentrup und Herbert Fromme, Köln

Daten werden gestohlen, die Polizei ermittelt. Nicht wirklich ungewöhnlich heutzutage. Doch der jetzt bekannt gewordene Datendiebstahl bei dem Hamburger Kreditunternehmen Kreditech verursacht Aufregung. Denn das Start-up gehört zu den wenigen Unternehmen, die eine Versicherung gegen die Folgen von Cyberrisiken abgeschlossen haben. Weil es so wenige Policen gibt, haben die Versicherer auch kaum Schadenerfahrungen. Für die Assekuranz gilt aber der alte Grundsatz: Ohne Schäden keine Versicherung.

Kreditech war Ende 2014 angegriffen worden. Nach SZ-Informationen wurde die Unternehmensleitung mit gestohlenen Daten erpresst. Versicherer für die Cyberdeckung ist die deutsche Niederlassung des US-Giganten AIG.

Kreditech verwies an die Hamburger Polizei. "Kreditech hält eine Cyberversicherung", bestätigte deren Sprecher. Die Frage, ob es ein Ermittlungsverfahren wegen Erpressung gibt, beantwortete er nicht.

Kreditech vergibt in neun Ländern in Ost- und Südeuropa sowie in Lateinamerika kleine Kredite. Die Laufzeiten der Kredite sind kurz, die Zinsen enorm. Wer sich in Polen 100 Euro leiht, zahlt am Ende des Monats 120 Euro zurück.

Das Besondere: Kreditech wertet mit Zustimmung der Antragsteller bis zu 20 000 Datenpunkte aus, darunter die Aktivitäten in sozialen Netzwerken sowie das Kaufverhalten bei Amazon und Ebay. Fällt die Kreditentscheidung positiv aus, soll das Geld in 15 Minuten überwiesen werden. Die Online-Antragstellung und die schnelle Entscheidung gehören zum Kern des Geschäftsmodells. Wer einem solchen Unternehmen damit droht, vertrauliche Daten öffentlich zu machen, könnte es empfindlich treffen.

Kreditech hat bislang 274 Millionen Dollar an Fremd- und Eigenkapital eingesammelt, zuletzt im Januar 200 Millionen Dollar vom US-Anleger Victory Park Capital. Auch die Samwer-Brüder, in Berlin als Internet-Unternehmer unterwegs, sind beteiligt. Im Mai will sich das Unternehmen weitere Millionen von Investoren besorgen.

Berichte über Sicherheitslücken stören da. Deshalb gibt sich Kreditech bei Anfragen sehr zugeknöpft. Aktuell wollte ein Sprecher überhaupt nichts sagen. In früheren Stellungnahmen hatte Kreditech erklärt, es habe sich nicht um Kundendaten gehandelt, sondern um Daten von Antragstellern. Die seien in einem "isolierten internen Sicherheitsvorfall" gestohlen worden. Dabei seien die Zwischenspeicher der Website angegriffen worden, die Datenbank selbst sei nicht betroffen. Allerdings bestreitet das Unternehmen nicht, dass sensible Daten möglicher Kunden einschließlich eingescannter Ausweisdokumente im Internet sichtbar waren und möglicherweise noch sind.

Für genau solche Fälle bieten die Versicherer Cyberpolicen an. Sie decken unter anderem die Kosten für die Benachrichtigung von Betroffenen und für Notfallmaßnahmen. Auch Kosten durch Ausfallzeiten und die Datenwiederherstellung sind oft gedeckt. Über die Höhe der Deckung, die Kreditech eingekauft hat, wird spekuliert - sie dürfte aber einen zweistelligen Millionenbereich erreichen. Wie viel AIG bislang gezahlt hat, ist ebenfalls offen.

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Quelle:
SZ vom 02.04.2015
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