Steuerskandal:Mr. Cum-Ex will Auslieferung aus der Schweiz verhindern

Steuerskandal: Der frühere Steueranwalt Hanno Berger ist einer der prominentesten Akteure in der Cum-Ex-Affäre.

Der frühere Steueranwalt Hanno Berger ist einer der prominentesten Akteure in der Cum-Ex-Affäre.

(Foto: privat)

Bis Hanno Berger wegen Aktiendeals zulasten der Steuerzahler vor Gericht kommt, könnte es noch lange dauern. Agiert die deutsche Justiz zu trickreich?

Von Klaus Ott, Jörg Schmitt und Nils Wischmeyer

70 Jahre ist Hanno Berger inzwischen alt, der deutsche Steueranwalt, der als Mr. Cum-Ex gilt und im neunten Jahr in der Schweiz im Exil lebt. Aber des Streitens mit seinen deutschen Verfolgern, die ihn in einem der größten Steuerskandale vor Gericht bringen wollen, ist er längst nicht müde. Als an diesem Mittwoch Schweizer Beamte bei ihm vorstellig wurden und ihm mitteilten, er sei festgenommen, wehrte sich Berger sogleich.

"Anlässlich seiner Einvernahme erklärte die Person, sich der Auslieferung an Deutschland zu widersetzen." Das teilte das Bundesamt für Justiz in Bern auf Anfrage von Süddeutscher Zeitung und WDR mit. Die Person, das ist Berger, der in Hessen einst für den Fiskus arbeitete und es dort bis zum Regierungsdirektor brachte. Der anschließend die Seite wechselte und als Anwalt vielen reichen Mandanten half, trickreich Steuern zu sparen. Und der es dann mit dem Tricksen übertrieben haben soll. Was ihm nun sogar einen Auslieferungshaftbefehl der Schweizer Justiz eingebracht hat.

Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt wirft Berger in einer Anklage vor, "Spiritus Rector", also gewissermaßen Drahtzieher vieler Aktiendeals zu Lasten des Fiskus gewesen zu sein. Der Steueranwalt war nicht Erfinder der Aktiendeals, bei denen sich Banken und Börsenhändler mit Hilfe gerissener Juristen eine nur einmal gezahlte Steuer auf Dividendenerlöse mehrmals erstatten ließen. Berger, der alle Vorwürfe bestreitet, soll das System aber verfeinert haben und mit fragwürdigen juristischen Gutachten gestützt haben.

Insgesamt soll Cum-Ex den deutschen Staat mehr als zehn Milliarden Euro gekostet haben

Auch die Staatsanwaltschaft Köln hat Berger angeklagt. Zwei deutsche Haftbefehle und ein Auslieferungsersuchen an die Schweiz liegen vor. Doch ob der Ex-Regierungsdirektor tatsächlich nach Deutschland zurückgebracht wird, ist fraglich. Drei Gründe sind es, die zumindest eine schnelle Auslieferung unwahrscheinlich machen. Bergers Alter und Gesundheitszustand, das langwierige Verfahren in der Schweiz und das trickreiche Vorgehen der deutschen Justiz, die möglicherweise zu trickreich agiert.

Bei den von Berger geförderten Aktiendeals soll der Fiskus um mehrere hundert Millionen Euro geschädigt worden sein. Insgesamt soll Cum-Ex den deutschen Staat mehr als zehn Milliarden Euro gekostet haben. Berger wehrt sich seit Jahren vehement gegen alle Maßnahmen, die gegen ihn ergriffen werden.

In der Schweiz kann Mr. Cum-Ex in zwei Instanzen gegen eine Auslieferung vorgehen. Erst beim Bundesstrafgericht und dann, sofern ein besonders wichtiger Fall vorliegt, beim Bundesgericht. Das dauert, und in dieser Zeit wird Berger nicht jünger und vielleicht auch nicht gesünder. Er soll sich wegen verschiedener Beschwerden in Chur im Kanton Graubünden im Krankenhaus befinden. In diesem Kanton lebt Berger, seitdem er nach einer Cum-Ex-Razzia im Herbst 2012 Deutschland fluchtartig verlassen hat, in Zuoz im Oberengandin. In Graubünden wurde Berger laut dem Berner Bundesamt für Justiz auch seine Festnahme erklärt.

Wollte ihn die Schweiz am Ende der deutschen Justiz überlassen, dann liefe es wohl auf einen weiteren Streit hinaus, auf eine medizinische Auseinandersetzung. Ein Schweizer Amtsarzt soll Berger aber für haft- und reiseunfähig erklärt haben. Seine deutschen Strafverfolger würden das bestimmt nicht hinnehmen, sondern auf weiteren Untersuchungen bestehen. Auch das könnte dann lange dauern. Ein ehemaliger Weggefährte von Berger mutmaßt, Mr. Cum-Ex werde alle Register ziehen, um sich Gerichtsverfahren und das drohende Gefängnis in Deutschland zu ersparen.

Lässt sich der Vorwurf des gewerbsmäßigen Bandenbetrugs halten?

Vor einem möglichen Streit der Ärzte zeichnet sich aber ein Grundsatzkonflikt auf juristischer Ebene ab. Das Oberlandesgericht (OLG) hat vor einigen Monaten Cum-Ex-Deals zu Lasten der Staatskasse als gewerbsmäßigen Bandenbetrug und nicht nur als Steuerhinterziehung eingestuft. Darauf stehen bis zu zehn Jahre Haft. Anlass für den OLG-Bescheid war eine Beschwerde Bergers gegen einen der deutschen Haftbefehle gewesen. Dass der Steueranwalt sich in die Schweiz abgesetzt hatte, bewertete der OLG als Flucht.

Bandenbetrug statt nur Steuerhinterziehung, das eröffnet den deutschen Strafverfolgern in der Schweiz ganz neue Möglichkeiten. Die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags sind in einer Expertise Ende 2020 zu dem Ergebnis gelangt, dass die Schweiz im Falle einer Steuerhinterziehung wohl niemanden ausliefere. Gehe man aber von Betrug aus, dann dürfte eine Auslieferung möglich sein.

Ob der Vorwurf des bandenmäßigen Betrugs haltbar ist, muss sich aber erst noch zeigen. Einer von Bergers Anwälten, Kai Schaffelhuber, verweist auf einen Aufsatz von Andreas Mosbacher, Richter am Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe. Darin verwirft Mosbacher die These des OLG Frankfurt vom bandenmäßigen Steuerbetrug. Das sei eine "Abkehr von einer jahrzehntelang gefestigten Rechtsprechung" des Bundesgerichtshofs und des Bundesfinanzhofs, also zweier höchster Gerichte.

Mosbacher schreibt weiter, Zweck der "schöpferischen Rechtsfindung" des OLG Frankfurt sei es offenbar, Bergers Auslieferung aus der Schweiz zu ermöglichen. Doch eine Rechtsauffassung, die sonst niemand vertrete, könne nicht einfach ohne jede nähere Begründung "zum Zwecke einer sonst nicht möglichen Auslieferung" etabliert werden. "Das wirkt, als würde hier nicht das Recht, sondern die Macht sprechen." Mosbacher geht sogar noch einen Schritt weiter. Der OLG-Bescheid könne keinen Bestand haben. "Jedes andere Ergebnis würde richterlicher Beliebigkeit und Willkür Tür und Tor öffnen."

Das schreibt immerhin ein BGH-Richter. Berger dürfte sich die Gelegenheit, Mosbachers Aufsatz der Schweizer Justiz vorzulegen, kaum entgehen lassen. Ob Mr. Cum-Ex tatsächlich ausgeliefert wird, steht also noch lange nicht fest. Bliebe noch die Möglichkeit, dass Berger frühere Ankündigungen wahr macht, sich den Verfahren gegen ihn in Deutschland zu stellen. Sein Anwalt Schaffelhuber hatte im Herbst 2020 auf SZ-Anfrage noch mitgeteilt: "Herr Berger hat wiederholt erklärt, dass er sich einem Verfahren stellen wird. Dabei bleibt es auch."

Danach sieht es allerdings nicht aus.

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