Cum-Ex-Steuerskandal:So dreist soll die Maple Bank den Staat abgezockt haben

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Firmenlogo der Maple Bank. Ehemalige Manager des Geldinstituts müssen sich jetzt vor Gericht verantworten. (Foto: Frank Rumpenhorst/dpa)

Im Skandal um Aktiengeschäfte zulasten des Fiskus wird einer der spektakulärsten Fälle verhandelt: Fünf Ex-Manager eines insolventen Instituts stehen von heute an vor Gericht. Es geht um einen mutmaßlichen Schaden von 390 Millionen Euro für den Steuerzahler.

Von Jan Willmroth, Frankfurt

Wenn die Maple Bank von sich reden macht, dann geht es immer um riesige Summen. Einmal zahlte die Anwaltskanzlei Freshfields 50 Millionen Euro an den Insolvenzverwalter des ehemaligen Frankfurter Instituts, vor wenigen Tagen einigte sich die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY außergerichtlich mit ihm und überweist nun dem Vernehmen nach gut zwölf Millionen Euro. Der Geldbetrag, den frühere Maple-Manager dem Steuerzahler gestohlen haben sollen, ist für solche Verhandlungslösungen aber dann doch zu hoch: fast 389 Millionen Euro, mutmaßlich erbeutet mit komplexen Aktiengeschäften in den Jahren 2006 bis 2010.

Dieser Betrag kommt jetzt vor Gericht, und mit ihm fünf frühere Manager der Bank, die zur fraglichen Zeit den Aktienhandel organisiert haben sollen. An diesem Montag beginnt am Landgericht Frankfurt der Prozess gegen den früheren Bankchef Wolfgang Schuck und vier weitere Ex-Banker. Die Frankfurter Generalstaatsanwaltschaft hatte im Dezember 2019 insgesamt acht Verdächtige angeklagt, Schuck und ein weiterer früherer Geschäftsführer der Bank waren zwischenzeitlich sogar in Untersuchungshaft und sind seit März 2020 jeweils gegen Kaution in Millionenhöhe wieder frei.

Ein weiterer Ex-Maple-Banker ist nun erst später an der Reihe, genau wie der frühere Freshfields-Partner Ulf Johannemann und ein weiterer früherer Top-Anwalt der Kanzlei, die Gutachten für die Bank verfasst hatten und als Steuerberater tätig waren. Johannemann, ehemals ranghöchster Steuerrechtler bei Freshfields, war zwischenzeitlich ebenfalls Untersuchungshäftling, als erster Beschuldigter überhaupt in dieser Affäre.

Eine besonders dreiste Version von Cum-Ex

Auch ohne die drei steht ein aufwendiges Verfahren bevor. Es geht um Geschäfte, mit denen Banker und ihre Helfer den deutschen Staat über Jahre hinweg insgesamt um einen zweistelligen Milliardenbetrag gebracht haben sollen. Allein in Frankfurt werden wegen dieser Deals ein Dutzend Verfahren gegen zahlreiche Manager und Ex-Manager, gegen Banker, Anwälte und Investoren geführt. Sie alle sollen sich beim Handel von Aktien mit (cum) und ohne (ex) Dividendenanspruch bereichert haben oder zumindest an den Geschäften beteiligt gewesen sein. Ziel war es, sich eine nur einmal gezahlte Kapitalertragsteuer mindestens doppelt erstatten oder anrechnen zu lassen. Laut einem teils rechtskräftigen Urteil des Landgerichts Bonn war das schwere Steuerhinterziehung.

So lautet auch der zentrale Vorwurf der Generalstaatsanwaltschaft im Fall Maple. Bankchef Schuck, mehrere Geschäftsführer, Aktienhändler und Finanzfachleute hätten bei der winzigen Maple Bank eine besonders dreiste Form der Cum-Ex-Geschäfte organisiert. Im Jahr 2006 etwa sollen die gehandelten Aktien dabei ganz im Maple-Bank-Kosmos verblieben sein, man habe mit Schwestergesellschaften in London und Mailand gehandelt und sich selbst Steuerbescheinigungen ausgestellt. Im Anschluss sei dann das Finanzamt getäuscht worden, die Angeklagten hätten zugleich hohe Boni kassiert. Das alles sei zuvor abgesegnet gewesen mit Gutachten von Freshfields, deren Steuerfachleute von Beginn an eingebunden gewesen seien.

In den nachfolgenden Jahren von 2007 an habe die Bank dann ein ausländisches Institut eingebunden, um den Fiskus nach einer Gesetzesänderung weiter täuschen zu können. Damals ging es der Anklage zufolge erst so richtig los, mit zweistelligen Erstattungsbeträgen pro Jahr, mit Boni für die Chefs, die selbst Manager von Großbanken alt aussehen ließen.

Selbst im Kontext der zahlreichen öffentlich diskutierten Cum-Ex-Fälle gilt jener der insolventen Bank mit dem grünen Ahornblatt im Logo als krass. 388,56 Millionen Euro sollen die Banker des Instituts erbeutet haben, weitere gut 100 Millionen Euro zahlte der Fiskus am Ende nicht mehr aus. Bis ins Jahr 2013 hätten ihnen die Freshfields-Anwälte geholfen, das Finanzamt zu täuschen, so formuliert es die Generalstaatsanwaltschaft: erst mit mutmaßlichen Gefälligkeitsgutachten, um die Geschäfte zu legitimieren, später dann im Zusammenhang mit Betriebsprüfungen.

Freshfields kommt glimpflich davon

Die enorme Tragweite dieses Verfahrens ist inzwischen ein Stück weit geschmälert. Ursprünglich hatte die Generalstaatsanwaltschaft den Plan, Freshfields vereinfacht gesagt gleich mit anzuklagen. Die Kanzlei sollte als Verfahrensbeteiligte mit vor Gericht stehen, wegen der niedrigen einstelligen Millionenbeträge, die Johannemann und sein Team in Sachen Maple abgerechnet hatten. Das bleibt der Kanzlei nun erspart, man einigte sich mit den Ermittlern auf eine Zahlung von zehn Millionen Euro an den Fiskus. "Die Einbeziehung der Sozietät in die strafrechtliche Aufarbeitung des Maple-Komplexes ist damit abgeschlossen", teilte Freshfields dazu mit. Das Verfahren gegen Johannemann und einen weiteren Ex-Partner der internationalen Kanzlei wurde abgetrennt - das Gericht beschränkt sich wegen Corona zuerst auf die mutmaßlichen Hauptverantwortlichen. Aus der Idee, erstmals die Rolle der Rechtsberater im Cum-Ex-Skandal zu klären, wird erst einmal nichts.

Damit stehen Ex-Bankchef Schuck und mit ihm die früheren Geschäftsleiter im Fokus, alle begleitet von prominenten Strafverteidigerinnen und -verteidigern. Zwei der Angeklagten haben bei den Ermittlern ausgepackt und die anderen schwer belastet, was sie in der Hoffnung auf eine Belohnung womöglich vor Gericht wiederholen werden. Ein früherer Geschäftsführer, der unter anderem für die Steuererklärungen zuständig war, sagte dagegen sinngemäß, er sei getäuscht worden. Das gab auch Johannemann bei den Ermittlern zu Protokoll; sein Verteidiger wollte sich auf Anfrage nicht äußern. Der Rest der Angeklagten ließ sich bislang nicht ein. Schucks Verteidigerin lehnte eine Stellungnahme ab. Fünf Angeklagte, deren Verteidiger teils gegeneinander arbeiten, eine Generalstaatsanwaltschaft unter Erfolgsdruck, mutmaßliche Steuerschäden, so hoch, dass einem schwindelig wird: Das sieht nach einem harten Kampf aus. Und der dürfte lange dauern.

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