Cum-Ex-Skandal"Größter Fehler meines Berufslebens"

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Schauplatz des dritten und noch vieler weiterer Prozesse rund um Aktiengeschäfte zulasten des Fiskus: das Landgericht in Bonn.
Schauplatz des dritten und noch vieler weiterer Prozesse rund um Aktiengeschäfte zulasten des Fiskus: das Landgericht in Bonn. (Foto: Dominik Bund/imago images)

Ein früherer Warburg-Manager soll geholfen haben, den Fiskus mit Cum-Ex-Aktiendeals um mehr als 100 Millionen Euro zu prellen. Nun will ihn die Staatsanwaltschaft im Gefängnis sehen.

Von Jan Diesteldorf und Nils Wischmeyer, Bonn

Der dritte Cum-Ex-Prozess am Landgericht Bonn steht vor dem Abschluss. Nach 20 Verhandlungstagen haben am Donnerstagvormittag Staatsanwaltschaft und Verteidigung ihre Plädoyers vorgetragen. Die Staatsanwaltschaft beantragte eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren für den Angeklagten Manager M., während dessen Verteidiger eine Strafe auf Bewährung für angemessen halten. Damit liegen die Erwartungshaltungen der beiden Seiten weit auseinander. Nun muss die Strafkammer in Bonn entscheiden.

Angeklagt ist der frühere Chef der Investmentgesellschaft Warburg Invest, einer Tochter der Hamburger Privatbank M. M. Warburg. In dieser Rolle soll der heute 63-Jährige zusammen mit anderen Beteiligten sogenannte Cum-Ex-Geschäfte ermöglicht haben. Dabei handelt es sich um komplizierte Börsendeals, bei denen die Akteure rund um den Dividendenstichtag große Aktienpakte im Kreis schickten. Anschließend ließen sie sich Steuern vom Staat erstatten, die zuvor niemand gezahlt hatte. Dem Fiskus entstand dadurch insgesamt ein Schaden von mehr als zehn Milliarden Euro, schätzen Steuerfahnder heute.

Im aktuellen Prozess geht es um zwei Investmentfonds, die Warburg Invest in den Jahren 2009 und 2010 eigens für die Cum-Ex-Kreisgeschäfte aufgesetzt hatte. Allein mit diesen beiden Fonds hätten die Beteiligten den Fiskus laut Anklage um Millionen Euro geprellt. M. stand damals als Geschäftsführer in der Verantwortung.

Mehr als 100 Millionen Euro Steuerschaden

Die Staatsanwaltschaft Köln sieht den Vorwurf der besonders schweren Steuerhinterziehung am Ende der Hauptverhandlung bestätigt. Durch die Geschäfte, an denen M. beteiligt war, sei ein Steuerschaden von insgesamt mehr als 100 Millionen Euro entstanden, erklärte der Vertreter der Ermittlungsbehörde in seinem Plädoyer. Das sei wesentlich mehr als bei anderen Steuerdelikten. Darüber hinaus hob er hervor, dass Cum-Ex-Geschäfte ein direkter "Griff in die Staatskasse" gewesen seien. Das wiege schwerer, als dem Staat Steuern vorzuenthalten.

Die Staatsanwaltschaft stufe M. nicht als Gehilfen, sondern als Täter ein. Strafmildernd wirkte ihrer Meinung nach, dass M. selbst keinen Profit aus den Geschäften gezogen habe. Anders als andere Akteure der Cum-Ex-Deals hat er keine erhöhten Boni oder gar Millionenzahlungen erhalten. Im Ergebnis sei der Staatsanwaltschaft zufolge eine Haftstrafe von sieben Jahren angemessen.

Die vier Verteidiger des Angeklagten stimmen mit der Staatsanwaltschaft teilweise überein - zumindest bestreiten sie nicht mehr, dass es sich bei den Deals um steuerschädliche Cum-Ex-Geschäfte handelte und ihr Mandant daran beteiligt war. M. hatte vor wenigen Wochen inmitten des Prozesses eine spektakuläre Wende hingelegt und nach langem Mauern gestanden. Er habe seine Taten zuvor beschönigt, erklärte er, und habe die Geschäfte trotz seines Störgefühls nicht unterbunden.

Diese Einlassung sehen die Verteidiger als strafmildernd an. M. sei außerdem nur der Beihilfe schuldig, erklärten sie. Trotz der Höhe des Steuerschadens hoffen sie auf ein mildes Urteil. Eine zur Bewährung ausgesetzte Strafe würde es M. erlauben, sein aktuelles Leben weiterzuführen - vorausgesetzt, er bleibt straffrei.

"Ich sehe das als größten Fehler meines Berufslebens."

Wie wichtig war M.s Beitrag für den Erfolg der in Rede stehenden Cum-Ex-Fonds? Vor allem in dieser Frage liegen Verteidigung und Staatsanwaltschaft weit auseinander. Verteidiger Ingo Heuel etwa sagte, sein Mandant habe an den Taten "keinen Cent verdient" und deshalb kein hohes Eigeninteresse an den Taten, auch wenn er die "Notbremse" nicht gezogen habe. M. sei zudem nicht die bestimmende Kraft gewesen. Die Entscheidung, die beiden Fonds aufzusetzen, habe unter anderem Warburg-Miteigentümer Christian Olearius getroffen. Zusammengefasst sei M. also zwar ein wichtiges, aber dennoch nur kleines Rädchen einer großen Industrie gewesen. Die Verteidigung forderte, das zu berücksichtigen - auch wenn M. sich seiner Schuld bewusst sei und die Konsequenzen für seine Taten nun tragen wolle.

Zum Schluss hatte der Angeklagte das Wort. Er beugte sich übers Mikrofon und sagte nur wenige Sätze, darunter: "Ich sehe das als größten Fehler meines Berufslebens." Das Urteil fällt kommende Woche.

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