Süddeutsche Zeitung

Cum-Ex-Skandal:Angeklagter belastet Deutsche Bank

Vor dem Landgericht Bonn geht es um die Cum-Ex-Geschäfte der Banken. Waren sie legal? Ein Angeklagter sagt aus, dass die Deutsche Bank bei diesen Geschäften womöglich eng eingebunden war.

Von Nils Wischmeyer, Bonn

Einer von zwei Angeklagten im ersten Cum-Ex-Strafprozess hat die Deutsche Bank am Donnerstag teils schwer belastet. Nick D. sagte am sechsten Verhandlungstag vor dem Landgericht in Bonn, dass die Deutsche Bank von Cum-Ex-Geschäften gewusst und sie sogar in Teilen genehmigt habe - und dass es eine "sehr enge Verflechtung" zwischen dem Handelsteam der Deutschen Bank und zwei Untereinheiten der Ballance-Gruppe gab, bei der er damals arbeitete. Die Ballance-Gruppe war ein Unternehmensgeflecht, das vom zweiten Angeklagten Martin S. sowie dem Beschuldigten Paul Mora aufgesetzt worden war. Später stießen Banker von der Deutschen Bank hinzu. Konkret geht es um Geschäfte von September 2009 an.

Mithilfe der verschiedenen Teile der Ballance-Gruppe sollen Nick D. und Martin S. der Staatsanwaltschaft zufolge mehrere Cum-Ex-Geschäfte getätigt haben und sind nun in 33 Fällen wegen schwerer Steuerhinterziehung angeklagt. In einem weiteren Fall soll es beim Versuch geblieben sein. Zusammen mit Geschäften in den Jahren zuvor bei der Hypovereinsbank sollen beide den Staat der Anklage zufolge um 447,5 Millionen Euro betrogen haben. Das Prinzip: Bei Cum-Ex-Geschäften hatten Banken, Investoren und Vermögende über Jahre hinweg Aktien mit (cum) und ohne (ex) Dividende rund um den Dividendenstichtag gehandelt und sich am Ende dieses Vorgangs eine nur einmal gezahlte Steuer mehrfach haben erstatten lassen. Der Prozess in Bonn soll klären, inwiefern diese Geschäfte strafbar waren.

Am sechsten Verhandlungstag nun stellte sich Nick D. den Fragen des Richters, der ihn nach der Verbindung zwischen der Deutschen Bank und der Ballance-Gruppe befragte. In zwei Firmeneinheiten, die im Prozessverlauf immer als BOML oder BOHL abgekürzt werden, soll Nick D. zufolge ein Team an Aktienhändlern gearbeitet haben, das zuvor zu großen Teilen bei der Deutschen Bank beschäftigt war und dann zur Ballance-Gruppe wechselte.

"Diese Finanzierungen sieht die Deutsche Bank heute auch sehr kritisch."

Dort aber sollen sie keineswegs autonom, sondern immer noch unter Anleitung des Londoner Handelstischs der Deutschen Bank agiert haben, sagte Nick D. aufFragen des Richters. Im Prinzip sollen sie eine "Außeneinheit"der Deutschen Bank gewesen sein. Die Händler bei BOML oder BOHL hätten viele der Transaktionen an die Deutsche Bank geschickt, wo die Transaktionen teils aufwendige Genehmigungsprozesse hätten durchlaufen müssen, sagt der Angeklagte. Im letzten Schritt dann soll die Deutsche Bank sogar an den Gewinnen beteiligt worden sein, glaubte sich Nick D. zu erinnern und wiederholte damit, was er bereits in der Vernehmung bei der Staatsanwaltschaft sagte. Allerdings schränkte er seine Aussage ein und erklärte, er habe den Vertrag, der so etwas belegen könnte, nicht schwarz auf weiß sehen können. Bisher stellte sich das Geldinstitut mit Sitz in Frankfurt auf den Standpunkt, dass es keine aktive Rolle bei Cum-Ex-Geschäften gespielt habe. Recherchen von SZ, NDR und WDR zeigen allerdings die mutmaßliche weitere Verstrickung des Geldinstituts.

Die Deutsche Bank formulierte später in einem Statement: "Eigene Cum/Ex-Geschäfte hat die Deutsche Bank nicht getätigt. Wir haben in der Vergangenheit jedoch schon immer gesagt, dass die Deutsche Bank in Cum/Ex-Geschäfte von Kunden eingebunden war." Dies habe der Bank zufolge auch Bankdienstleistungen wie beispielsweise die Finanzierung von Wertpapiertransaktionen beinhaltet. "Diese Finanzierungen sieht die Deutsche Bank heute auch sehr kritisch und kooperiert mit den Untersuchungen der Ermittlungsbehörden hierzu." Anders als andere Finanzinstitute sitzt die Deutsche Bank im Landgericht Bonn nicht auf der Anklagebank. Das liegt daran, dass sie anders als beispielsweise die Privatbank MM Warburg in diesem Verfahren keine bedeutende Rolle spielt.

Mit den Cum-Ex Geschäften sollen Staaten in Europa über Jahre hinweg um Milliarden Euro gebracht worden sein. Allein in Deutschland soll der Schaden bei rund zehn Milliarden Euro liegen, schätzen Steuerfahnder heute.

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Quelle:
SZ vom 27.09.2019
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