Cum-Ex-Skandal:Razzia bei gleich zwei Banken

Abendstimmung auf dem Main

Die Skyline von Frankfurt: Die Ermittler erhöhen den Druck auf die Finanzindustrie.

(Foto: dpa)

Die Ermittler erhöhen den Druck auf die Finanzbranche. Es ist kein Zufall, dass beide Institute am selben Tag durchsucht werden.

Von Klaus Ott, Jörg Schmitt und Jan Willmroth

Die Staatsanwaltschaft Köln treibt die Aufklärung des Cum-Ex-Skandals voran, der die Steuerzahler mehr als zehn Milliarden Euro gekostet haben könnte. Nach Informationen von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR durchsuchen Ermittler seit Dienstagmorgen die Büros und Räume des Privatbankhauses Hauck & Aufhäuser in Frankfurt und München sowie die Varengold Bank am Hamburger Fischmarkt. Die Institute sollen an sogenannten Cum-Ex-Geschäften beteiligt gewesen sein und dabei Steuern in Millionenhöhe hinterzogen haben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt seit Längerem gegen mehrere verantwortliche Mitarbeiter beider Banken.

Es ist kein Zufall, dass beide Institute am selben Tag Besuch von Ermittlern bekommen. Mehrere Kronzeugen hatten bei der Kölner Staatsanwaltschaft ausgesagt, dass beide Bankhäuser teils gemeinsame Sache gemacht hätten, um in die Staatskasse zu greifen. Die beiden Institute sollen von der Erstattung gar nicht gezahlter Steuern profitiert haben. Hauck & Aufhäuser soll dabei für Investmentfonds tätig gewesen sein, die bei der Varengold Bank in Hamburg eingerichtet wurden. Der Verdacht scheint sich erhärtet zu haben; was sich davon bestätigt, muss sich aber erst noch zeigen. Derartige Ermittlungen könnten später auch ergebnislos beendet werden. Ein Varengold-Sprecher wollte die Vorgänge nicht kommentieren. Eine Sprecherin von Hauck & Aufhäuser teilte mit, die Bank kooperiere "selbstverständlich vollumfänglich mit den Behörden".

Die Hintergründe der Durchsuchungen am Dienstag haben auch eine heikle politische Komponente, die am Ende Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) als früheren Finanzminister und seinen Nachfolger Olaf Scholz (SPD) in Erklärungsnot bringen könnte. Laut Staatsanwaltschaft geht es um "Tatzeiträume von 2010 bis 2016", wie ein Sprecher der Kölner Behörde auf Anfrage mitteilte. Nach Erkenntnissen der Ermittler haben zahlreiche Banken auch nach 2011 noch Wege gefunden, sich unrechtmäßig Steuern anrechnen oder erstatten zu lassen.

Im Jahr 2011 nämlich war es der Bundesregierung nach ihrer Überzeugung gelungen, eine verhängnisvolle Lücke bei der Kontrolle von Börsengeschäften zu schließen. Namhafte Banken, Finanz- und Beratungsfirmen hatten diese Lücke genutzt, um die Finanzbehörden jahrelang systematisch zu täuschen und sich beim Handel von Aktien mit (Cum) und ohne (Ex) Dividende eine nur einmal gezahlte Steuer vom Fiskus mehrmals erstatten oder anrechnen zu lassen.

Nach der corona-bedingten Zwangspause machen die Ermittler nun Ernst

Mit der Gesetzesnovelle vor neun Jahren war aber nicht Schluss mit solchen Tricks, anders als es das Bundesfinanzministerium und seine nachgelagerten Behörden stets darstellen. In Beschuldigtenvernehmungen, vor Gericht im ersten Cum-Ex-Strafprozess in Bonn und bei früheren Durchsuchungen haben sich die Hinweise auf verschiedene neuartige Handelsmodelle gehäuft, die in den Augen der Staatsanwaltschaft Köln genauso strafbare Steuerhinterziehung waren wie Cum-Ex in seiner klassischen Form.

Hauck & Aufhäuser, Varengold und deren Partner hätten beispielsweise, so der Verdacht, fällige Steuerzahlungen in die eigenen Kassen umgeleitet oder dabei geholfen, statt das Geld an den Fiskus zu überweisen. In anderen Fällen hätten die Akteure in mehreren Staaten gleichzeitig Steuererstattungen kassiert. Wie bei Cum-Ex sollen Bank-Manager, Steueranwälte und deren Helfer gezielt nach Kontrolllücken gesucht haben, um den Fiskus austricksen zu können.

Nach der corona-bedingten Zwangspause für Ermittlungen machen die Kölner Beamten mit der Aufklärung der Cum-Ex-Affäre nun Ernst. In den vergangenen Wochen durchsuchten die Fahnder gleich mehrere in das Cum-Ex-System involvierte Banken. Die Strafverfolger wollen mit den neuen Razzien offenbar auch verhindern, dass lang laufende Verfahren verjähren und der Fiskus sein Geld nicht mehr zurückholen kann. Erst vor 14 Tagen hatten die Ermittler die Büros der Bundesverbandes deutscher Banken in Berlin und Frankfurt durchsucht. Dabei ging es um die Frage, ob Banker über den Lobbyverband versucht haben, Gesetzesvorhaben in ihrem Sinne zu beeinflussen, um lukrative Cum-Ex-Geschäfte in abgeänderter Form weiter betreiben zu können.

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