Süddeutsche Zeitung

Ermittlungen:Cum-Ex-Razzia bei niederländischer Bank in Frankfurt

Bewaffnete Polizisten betraten das Gebäude: Ziel der Aktion ist die Großbank ABN Amro.

Von Jan Willmroth, Frankfurt

Wegen Cum-Ex-Geschäften zulasten der Staatskasse sind am Donnerstag Ermittler mit großem Polizeiaufgebot im Frankfurter Bankenviertel angerückt. Ziel der Aktion ist nach Informationen von Süddeutscher Zeitung und WDR die niederländische Großbank ABN Amro. Vor deren deutscher Niederlassung an der Mainzer Landstraße fuhren laut Augenzeugen am Donnerstagmorgen mehrere Mannschaftswagen und andere Einsatzfahrzeuge vor, bewaffnete Polizisten betraten das Gebäude. Im Einsatz waren neben Staatsanwälten Beamte des Bundeskriminalamts, der Bundespolizei und der Steuerfahndung.

Das Institut wird bereits zum zweiten Mal binnen weniger Monate durchsucht. Anders als Mitte November haben sich die Ermittler diesmal aber offenbar dazu entschieden, weniger diskret vorzugehen. Im Rahmen der seit Jahren andauernden Ermittlungen wegen steuergetriebener Aktiengeschäfte hat eine so groß angelegte Aktion Seltenheitswert. Nach Informationen von SZ und WDR leitet diesmal die Staatsanwaltschaft Köln die Maßnahmen.

ABN Amro soll an verschiedenen Stellen in Cum-Ex-Kreisläufe eingebunden gewesen sein. Das geht aus Zeugenaussagen bei der Staatsanwaltschaft Köln sowie Erkenntnissen aus mehreren Cum-Ex-Verfahren hervor, darunter auch Verfahren der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt. Bei den Geschäften geht es - stark vereinfacht - darum, Steuerzahlungen vorzutäuschen und sich eine nur einmal entrichtete Steuer auf Dividenden mehrfach erstatten zu lassen. In diesem Zusammenhang ermitteln Strafverfolger gegen mehrere Hundert Beschuldigte wegen des Verdachts der schweren Steuerhinterziehung und gehen seit Jahren gegen beteiligte Banken vor. Der Steuerschaden geht in die Milliarden.

Die Frankfurter Generalstaatsanwaltschaft hatte anlässlich der ersten Durchsuchungen bei ABN Amro im November mitgeteilt, man verdächtige sechs Personen der schweren Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit den Aktiendeals, darunter zwei frühere Prokuristen "einer Frankfurter Investmentbank". Die Beschuldigten sollen in den Jahren 2008 und 2009 Cum-Ex-Geschäfte mit dreistelligen Millionenbeträgen getätigt haben. Mittels falscher Steuerbescheinigungen seien die Finanzämter dabei getäuscht worden. Schaden laut Generalstaatsanwaltschaft: 53,3 Millionen Euro. Die zwei früheren Prokuristen sollen Leerverkäufe über die Bank "abgewickelt" haben, hieß es im November in einer Mitteilung der Behörde.

Bei der Staatsanwaltschaft Köln werden in zwei Ermittlungskomplexen offenbar vor allem Fälle aus den Jahren nach 2009 untersucht. Zu den Hauptverdächtigen gehören mehrere ehemalige Manager eines der Vorgängerinstitute des heutigen ABN-Amro-Konzerns. Das Mutterinstitut der deutschen Privatbank Bethmann war nach der Finanzkrise aus der einst zwangsverstaatlichten belgisch-niederländische Bank Fortis und der damaligen ABN Amro hervorgegangen. Noch immer gehören dem niederländischen Staat 56,3 Prozent der Aktienanteile an der Bank.

Ein Sprecher von ABN Amro teilte mit, die genauen Hintergründe der Razzia noch nicht zu kennen. "ABN Amro kooperiert vollumfänglich mit den deutschen Behörden", hieß es schriftlich.Im aktuellen Quartalsbericht hat die Bank ihre Cum-Ex-Verwicklung explizit erwähnt. Mehrere Vorgänger der Bankengruppe seien "direkt oder indirekt" in diese Transaktionen involviert gewesen, heißt es darin. Der in Amsterdam beheimatete Konzern kooperiere mit den Behörden in Deutschland und liefere erbetene Informationen "in größtmöglichem Umfang". Dass die Ermittler ein zweites Mal bei dem Institut einrücken, und dann auch noch so, lässt indes vermuten, dass sie in dem letzten Punkt anderer Meinung sind - denn von den meisten Razzien im Zusammenhang mit Cum-Ex bekommt kaum jemand etwas mit. Die Razzia wäre insoweit auch als Signal an die ganze Branche zu verstehen: Wer nicht spurt, wird zur Kooperation gezwungen.

Nicht weit vom Schauplatz der aktuellen Razzia gab es vor bald acht Jahren einen vergleichbaren Fall. Im Skandal um Steuerbetrug mit CO₂-Zertifikaten waren damals 500 Beamte, teils schwer bewaffnet und behelmt, in der Zentrale der Deutschen Bank einmarschiert - eine unmissverständliche Reaktion darauf, dass die Bank es trotz eindeutiger Warnungen nicht für nötig befunden hatte, mit den Fahndern zu kooperieren.

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