Süddeutsche Zeitung

Steuerskandal:Mr. Cum-Ex - nicht zu fassen

Bald soll der zweite große Cum-Ex-Prozess in Deutschland beginnen. Der Hauptbeschuldigte Hanno Berger hat sich in die Schweiz abgesetzt und ist nicht verhandlungsfähig - angeblich.

Von Klaus Ott

Hanno Berger ist in seinem Exil im Schweizer Engadin nicht zu sprechen und auch nicht per E-Mail zu erreichen. Ans Telefon geht nur seine Frau, sie kümmert sich auch um die Mails. Angeblich ist Mr. Cum-Ex, wie der aus Hessen stammende Steueranwalt auch genannt wird, ziemlich krank. Zumindest so krank, dass er nicht beim Landgericht Wiesbaden erscheinen kann. Dort soll in drei Wochen der zweite große Cum-Ex-Prozess in Deutschland beginnen, die "Strafsache gegen Dr. Berger u.a." wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung. So wie es aussieht ist der Jurist, der alle Vorwürfe bestreitet, in der Schweiz für die deutsche Justiz nicht zu fassen. Wahrscheinlich selbst dann nicht, falls ein Haftbefehl gegen ihn ausgestellt werden sollte.

Berger ist einer der Hauptbeschuldigten bei einem mutmaßlichen Steuerdiebstahl, der als einzigartig in der Bundesrepublik gilt. Zahlreiche Banken und Börsenhändler sollen mit Hilfe von Juristen wie Berger den Fiskus um insgesamt etliche Milliarden Euro geschädigt haben, indem sie sich beim Handel von Aktien mit (Cum) und ohne (Ex) Dividende eine nur einmal gezahlte Steuer auf Dividendenerlöse von den trickreich getäuschten Finanzbehörden mehrmals erstatten ließen.

Die Frankfurter Generalstaatsanwaltschaft, die Berger und andere angeklagt hat, beschreibt ihn als "spiritus rector". Gemeint ist, er sei Initiator und Kopf einer speziellen Cum-Ex-Variante gewesen. Dem Steueranwalt und seinen fünf Mitangeklagten wird Steuerhinterziehung in Höhe von 113 Millionen Euro bei Aktiendeals rund um die Hypo-Vereinsbank (HVB) vorgeworfen. Berger widerspricht.

Der Steueranwalt hat sich vor knapp acht Jahren während einer Razzia in die Schweiz abgesetzt. Berger geht auf die 70 zu und hat das Landgericht Wiesbaden wissen lassen, er sei krank und nicht verhandlungsfähig. Es gibt offenbar entsprechende Atteste. Das Landgericht soll ihm daraufhin vorgeschlagen haben, sich in Deutschland untersuchen zu lassen; nahe der Schweizer Grenze, damit er nicht weit reisen müsse. Bergers Anwälte äußern sich dazu auf Anfrage nicht. Seine Frau schreibt in einer Mail von "grundsätzlich dem Amts- und Dienstgeheimnis unterliegenden (vermeintlichen) Tatsachen". Die Frage, ob ihr Mann auf das Ansinnen des Gerichts eingehen werde, bleibt unbeantwortet.

Es ist nicht davon auszugehen, dass Berger zu einem Arztbesuch nach Deutschland kommt. Sollte er beim geplanten Prozessauftakt am 20. Oktober in Wiesbaden nicht erscheinen, dann könnte das Landgericht einen Haftbefehl gegen ihn erlassen. Vor einigen Jahren, als die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt einen Haftbefehl beantragte, hat das Landgericht dies abgelehnt. Doch selbst wenn es nun so weit käme, wäre damit wahrscheinlich nicht viel gewonnen. Ein Haftbefehl ginge per Rechtshilfe in die Schweiz. Berger könnte sich dort bei Gericht dagegen wehren.

Und überhaupt: Wenn sich jemand vom Fiskus "unter Vorspiegelung falscher Tatsachen" Gelder auszahlen lässt, die ihm nicht zustehen, dann liefert ihn die Schweiz normalerweise nicht aus. Nachzulesen ist das beim Bundesamt für Justiz in Bern. Berger hat also wenig zu befürchten. Und unschuldig ist er, nach eigener Ansicht, ja sowieso. Seine Frau schickt in seinem Auftrag eine 43-seitige Stellungnahme. Darin bezeichnet Berger das erste Cum-Ex-Strafurteil als "Muster ohne Wert". In dem Urteil hatte das Landgericht Bonn vor einem halben Jahren nach einem Musterprozess Cum-Ex-Deals, die gezielt zu Lasten des Fiskus gingen, als kriminell eingestuft. Das Urteil sei "grob rechtsirrig", so Berger.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5047817
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/aha
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.