Süddeutsche Zeitung

Steuerskandal:Präzedenzfall in der Cum-Ex-Affäre

  • Die Privatbank Warburg und der Hamburger Fiskus verhandeln seit Wochen, wie viel die Bank im sogenannten Cum-Ex-Skandal zahlen soll.
  • Bei einer vorzeitigen Einigung könnte Warburg deutlich besser weggkommen als vor Gericht. In Bonn läuft derzeit der erste Strafprozess wegen des Skandals.

Von Klaus Ott, Jan Willmroth, Frankfurt, und Nils Wischmeyer, Köln

Alle schweigen. Niemand mag auch nur andeutungsweise sagen, was da gerade verhandelt wird zwischen der Privatbank Warburg aus Hamburg und dem dortigen Fiskus. "Kein Kommentar", erklärt die Bank. Die Finanzbehörde in der Hansestadt wiederum verweist auf das Steuergeheimnis; ebenso wie das damit auch befasste Bundesfinanzministerium. So also soll ein Präzedenzfall im größten deutschen Steuerskandal gelöst werden: im Verborgenen. Viele andere Banken könnten das dann auch versuchen.

Seit Wochen feilschen Warburg und der Hamburger Fiskus darum, wie viel die Privatbank im sogenannten Cum-Ex-Skandal zahlen muss, um zumindest finanziell ihre Ruhe zu haben. Jetzt ist nach Informationen der Süddeutschen Zeitung eine Einigung greifbar nahe. Um zwei Beträge geht es demnach; um 75 Millionen Euro und um eine weitere Zahlung in Millionenhöhe. Damit könnte die Privatbank, wenn es gut für sie läuft, einer Entscheidung des Landgerichts Bonn zuvor kommen. Dort läuft der erste Cum-Ex-Strafprozess in Deutschland; und außer um zwei angeklagte britische Börsenhändler geht es auch um fünf Finanzfirmen, darunter zwei Gesellschaften der Warburg-Gruppe.

Warburg soll daran mitgewirkt haben, den Staat beim Handel von Aktien mit (Cum) und ohne (Ex) Dividende zu betrügen. Die Bank bestreitet das. Sollte das Gericht zu dem Ergebnis kommen, die Cum-Ex-Geschäfte der Börsenhändler seien strafbar gewesen, könnte das auch für beigeladene Finanzfirmen böse Folgen haben. Sie könnten verpflichtet werden, dem Staat hohe Schäden zu erstatten. Für Warburg geht es laut Anklage, je nach Sichtweise, im Extremfall um bis zu 275 Millionen Euro. Wobei das Gericht noch prüfen müsste, ob diese Berechnungen korrekt sind.

In einem früheren Prüfbericht einer Wirtschaftsprüfgesellschaft war von möglichen Steuernachforderungen inklusive Zinsen in Höhe von bis zu 189 Millionen Euro die Rede. So oder so wäre das viel Geld für die 1798 gegründete Privatbank. Warburg käme wahrscheinlich weit besser weg, wenn man sich vor einem Urteil mit dem Fiskus einigte. Der wiederum hätte sofort sicheres Geld, statt abwarten zu müssen, ob eine Bonner Entscheidung zu Lasten von Warburg vor höheren Gerichtsinstanzen Bestand hätte. Andererseits könnte ein Verdikt in Bonn dem Fiskus mehr Geld bringen. Und es wäre ein Signal für viele andere Banken, dass die Justiz durchgreift und möglichst viel Geld zurückholen will. Der Gesamtschaden bei Cum-Ex für die Staatskasse soll mehr als zehn Milliarden Euro betragen.

Der Bonner Richter würde vorzeitige Vereinbarungen wohl akzeptieren

Vor knapp zwei Monaten hatten die Anwälte der Warburg-Gruppe vor Gericht in Bonn erklärt, die Privatbank wolle "auf keinen Fall" Vorteile aus den fraglichen Aktiengeschäften ziehen. Die Bank spreche daher mit den Finanzbehörden darüber, alle Gewinne aus den Geschäften unverzüglich zurückzuzahlen. Der Cum-Ex-Gewinn bei Warburg soll aber nach Erkenntnissen der Ermittler deutlich kleiner sein als der Schaden, der für die Staatskasse durch die betreffenden Geschäfte rund um die Privatbank entstanden sei. Und die Justiz darf in so einem Fall und unter bestimmten Umständen ein Unternehmen wie Warburg für die gesamte Schadenssumme haftbar machen. Das könnte teuer werden für das Geldinstitut aus Hamburg.

Der Vorsitzende Richter im Bonner Cum-Ex-Prozess, Roland Zickler, hat bereits angedeutet, vorzeitige Vereinbarungen zwischen den am Prozess beteiligten Banken und dem Fiskus zu akzeptieren. Warburg müsste im Fall einer Einigung also nicht mehr befürchten, dass die Kammer eine Vermögenseinziehung anordnet. Wobei fraglich ist, ob der angedachte Kompromiss überhaupt in Ordnung wäre: Laut einer Maßgabe des Bundesfinanzministeriums vom 30. Juli 2008 sind solche Deals eigentlich nur zulässig, wenn der Sachverhalt "nur unter erschwerten Umständen ermittelt werden kann." Das Gericht ist indes bei der Aufklärung schon weit voran gekommen.

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SZ vom 31.01.2020/vd
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