Im ersten Cum-Ex-Strafprozess hat die 12. Strafkammer am Landgericht Bonn erstmals deutlich gemacht, dass Banken, Finanzfirmen und Angeklagte den entstandenen Schaden wohl ausgleichen müssen. Vorsitzender Richter Roland Zickler machte am Mittwoch klar, dass er kaum Hindernisse für eine Einziehung sehe.
Was technisch klingt, ist ein großer Erfolg für Ermittler und Finanzbehörden. Denn die Einschätzung bedeutet für die beiden Angeklagten sowie fünf Banken und Investmentgesellschaften, dass diese den entstandenen Steuerschaden aus illegalen Cum-Ex-Geschäften in Höhe von rund 390 Millionen Euro aller Voraussicht nach zurückzahlen müssen - vorbehaltlich einer späteren Entscheidung beim BGH, der sich sehr wahrscheinlich in Revision mit dem Verfahren beschäftigen wird.
Konkret geht es dabei um die Hamburger Bankengruppe M. M. Warburg, deren Tochter Warburg Invest, die Investmentgesellschaft Hansa Invest, eine Tochter der französischen Großbank Société Générale und die Bank of New York Mellon. Sie sind vor dem Landgericht in Bonn nicht als Täter angeklagt, sondern sitzen dort als Einziehungsbeteiligte. Das bedeutet, der Richter kann bei ihnen Vermögen abschöpfen.
Zwar müssten noch einige Beweise gesichtet werden, so das Gericht. Nach jetzigem Stand müssten sich die Beteiligten aber darauf einstellen, das Geld vollständig zurückzuzahlen. Die Ermittler versuchen seit Jahren, mehrere Milliarden Euro an Cum-Ex-Schäden für den Fiskus zurückzuholen. Ihre Arbeit gipfelte in diesem ersten Cum-Ex-Strafprozess vor dem Landgericht Bonn, der seit September 2019 läuft.
Angeklagt sind die Ex-Aktienhändler Martin S. und Nick D. Sie sollen zwischen 2006 und 2011 zuerst bei der Hypovereinsbank und später in der Hedgefondsfirma Ballance Cum-Ex-Geschäfte getätigt haben. Dabei handeln Aktienhändler, Fonds und Banken bestimmte Aktien mit (cum) und ohne (ex) Dividende über den Dividendenstichtag hinweg. An diesem Tag zahlen Firmen einen Teil ihrer Gewinne an Aktionäre aus. Darauf müssen diese eine Steuer abführen, die sie sich unter bestimmten Umständen zurückholen konnten.
Der Richter sieht keine großen Hindernisse für die Einziehung der Vermögen
Die Cum-Ex-Akteure holten sich diese Steuer aber nicht nur einmal, sondern zwei- oder mehrfach zurück. Den Finanzbehörden entstand dadurch ein Schaden von mehr als zehn Milliarden Euro, wie Steuerfahnder schätzen. Die Staatsanwaltschaft Köln wirft Nick D. und Martin S. schwere Steuerhinterziehung in 33 Fällen vor, bei einem weiteren Angeklagten soll es beim Versuch geblieben sein. Der Steuerschaden dieser Fälle summiert sich auf etwa 390 Millionen Euro, den das Gericht nun von Martin S., Nick D. und den fünf Finanzfirmen zurückholen will.
Große Hindernisse sieht die 12. Strafkammer dabei nicht. Eine Verjährung der Fälle sei, anders als von einigen Beteiligten erhofft, bisher nicht zu erkennen. Es sei nachzuweisen, dass die "Beute" aus den Cum-Ex-Geschäften zumindest kurzfristig bei Angeklagten, Banken oder Investmentgesellschaften gelandet sei, oder diese für die jeweilige Tat bezahlt wurden. Wichtig sei, dass es bei der Einziehung nicht um Schuld gehe, sondern nur darum, ob das Geld zu irgendeiner Zeit von einem der Beteiligten vereinnahmt worden sei. Das sieht das Gericht als gegeben.
Wie sich die Rückzahlung von etwa 390 Millionen Euro auf die Beteiligten verteilt, ließ das Gericht offen. Die Beträge dürften sich aber an der Anklage der Staatsanwaltschaft Köln orientieren. Demnach müsste die Warburg-Gruppe mit mehr als 275 Millionen Euro das meiste bezahlen - eine hohe Summe für die Bank. Die Gesellschafter versicherten am Dienstag, dass sie die "finanzielle Leistungsfähigkeit" von Warburg auch bei einer großen Rückforderung sicherstellen würden. Sie wollen also einspringen, sollte es für Warburg knapp werden. Welches Vermögen das Gericht bei den die beiden Angeklagten, Martin S. und Nick D., einziehen wird, hat der Richter unklar gelassen.