Cum-Ex-Geschäfte:Drogeriekönig Müller bekommt Millionen zurück

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Der Chef der Müller-Drogeriekette Erwin Müller hat sich von seiner ehemaligen Bank erfolgreich mehrere Millionen Euro zurückerstritten. (Foto: Eigner/imago)
  • Der Drogerieunternehmer Erwin Müller hat den jahrelangen Rechtsstreit mit seiner früheren Bank J. Safra Sarasin gewonnen.
  • Er bekommt von ihr 44,8 Millionen Euro Schadenersatz, zuzüglich mehrerer Millionen Euro Zinsen.

Von Stefan Mayr, Ulm

Triumph auf ganzer Linie für Erwin Müller. Der Drogerieketten-Inhaber hat im Streit mit seiner ehemaligen Hausbank J. Safra Sarasin vor dem Landgericht Ulm Recht bekommen, die Schweizer Bank muss ihm 44,8 Millionen Euro Schadenersatz zahlen. Genau diese Summe hatte er gefordert. Zusätzlich muss das Baseler Unternehmen dem Ulmer Multimillionär etwa acht Millionen Zinsen zahlen. Allerdings ist das Urteil noch nicht rechtskräftig. Es ist davon auszugehen, dass die Bank Rechtsmittel einlegt.

Die Vorsitzende Richterin Julia Böllert machte am Montag im Sitzungssaal 213 des Ulmer Gerichts kurzen Prozess: Nach fünf Minuten war ihre Urteilsverkündung wieder beendet. Erwin Müller selbst war zu dem Termin wie auch am ersten Prozesstag nicht erschienen. Auch sein Anwalt Eckart Seith begnügte sich damit, einen jüngeren Anwalt vorbeizuschicken. Am ersten Verhandlungstag war Seith noch höchstselbst zusammen mit einem Partner erschienen. Das Bankhaus Safra Sarasin und seine Anwälte glänzten durch Abwesenheit. Auf Anfrage teilte die Privatbank mit, sie prüfe nun das weitere Vorgehen. Dies könnte "auch eine Berufung gegen diesen Entscheid beinhalten".

Es könnte eine teure Geschichte werden für das Geldhaus: Das Gericht verdonnerte die Bank zusätzlich zur Zahlung von etwa zwei Millionen Euro Zinsen pro Jahr. Bei einem Zinssatz von "fünf Prozent über dem Basiszinssatz" und einigen weiteren Jahren Verfahrensdauer könnte sich das Investment für Müller im Nachhinein sogar noch lohnen - immer vorausgesetzt natürlich, er behält auch in der letzten Instanz Recht.

Prozess um Cum-Ex-Geschäfte
:"Opfer eines bandenmäßigen Betrugs"

Der Drogerieunternehmer Erwin Müller fühlt sich von seiner Bank falsch beraten und will 45 Millionen Euro Schadenersatz. Zum Prozessauftakt erscheint er trotz Anordnung nicht.

Von Stefan Mayr, Ulm, und Valentin Dornis

Auch andere prominente Investoren verloren viel Geld

Zwischenzeitlich hatte der heute 84-jährige Firmenpatriarch davon ausgehen müssen, dass seine Millionen-Einlage in einen von Sarasin vermittelten Fonds komplett verloren ist. 2011 hatte er aus seinem Privatvermögen etwa 50 Millionen in den "Sheridan Solution Equity Arbitrage Fund" investiert. Dieser machte zusammen mit Partnern nach Erkenntnissen von Staatsanwälten und Steuerfahndern sogenannte Cum-Ex-Deals, mit denen der deutsche Fiskus ausgetrickst worden sei. Dabei ließen sich die Cum-Ex-Akteure den Ermittlungen zufolge mehrmals Kapitalertragssteuer zurückerstatten, obwohl diese nur einmal bezahlt worden sei. Derartige Geschäfte betrieben mehrere Fonds, dabei entstand dem Fiskus ein geschätzter Schaden von mehr als zehn Milliarden Euro. Inzwischen ermitteln mehrere Staatsanwaltschaften gegen zahlreiche Verdächtige. Im Bundestag will ein Untersuchungsausschuss klären, ob das Schlupfloch nicht früher hätte geschlossen werden müssen. Trotz vorheriger Warnungen dauerte es bis 2012, ehe das Bundesfinanzministerium den mutmaßlichen Betrug am Steuerzahler beendete. Schließlich brach der Sheridan-Fonds zusammen, Müller musste sein Geld abschreiben - jedenfalls vorläufig. Anderen prominenten Investoren erging es ähnlich, auch Clemens Tönnies und Carsten Maschmeyer und dessen Ehefrau Veronica Ferres sind oder waren im Clinch mit der Schweizer Bank. Die firmierte, als der Sheridan-Fonds an Müller und andere Investoren vermittelt wurde, noch unter Sarasin. Der Einstieg der Safra-Gruppe erfolgt erst später.

Kaum war Müllers Millionen-Traum geplatzt, verklagte der Drogerie-Unternehmer seine damalige Hausbank auf 44,8 Millionen Schadenersatz. Sarasin habe zwölf Prozent Rendite versprochen und die Investition als "abgesichert" bezeichnet, beteuerte sein Anwalt Eckart Seith am ersten Verhandlungstag im April. Das Risiko eines Totalverlusts habe die Bank nicht erwähnt.

Zudem habe Müller nichts von dem moralisch wie juristisch angreifbaren Konstrukt geahnt. "Hätte er es gewusst, hätte er den Berater der Bank eine Minute später vor die Tür gesetzt", tönte Seith. Der Stuttgarter Anwalt bezeichnete seinen Mandanten als "Opfer eines bandenmäßigen schweren Betrugs". Er sprach von einem illegalen "Schmarotzer"-Fonds und warf der Bank mangelhafte Beratung vor.

Sarasin-Anwalt Markus Meier seinerseits widersprach dem Bild des ehrbaren Unternehmers: "Wir reden hier über einen milliardenschweren, erfahrenen Geschäftsmann." Müller habe sehr wohl gewusst, wie sein Geld vermehrt wurde. Tatsächlich hatte Müller zuvor mit solchen Fonds Millionen-Renditen eingestrichen, die offenbar mit solchen Cum-Ex-Deals zustande gekommen waren. Hatte Müller also dem Fiskus zuvor bewusst geschadet?

Die Bank kann nun noch zwei weitere Instanzen anrufen

Das Gericht ließ diese Frage offen. Erstens konnte die Kammer ihn nicht fragen, weil er trotz Vorladung nicht erschienen war. Zweitens hatte sie eine andere Frage zu klären: War die Beratung der Bank korrekt oder nicht? Die Entscheidung fiel deutlich aus: Die Kammer bezeichnete das Vorgehen der Bank als "fehlerhaft".

Sie habe "fälschlicherweise zugesichert", dass seine Einlage gegen Verlust versichert sei. "Dies war aber nicht der Fall", sagte die Richterin. Ihr Urteil klingt nach Höchststrafe: Zu den 44,8 Millionen Schadenersatz plus zwei Millionen Zinsen pro Jahr kommen noch Verfahrens- und Anwaltskosten in jeweils sechsstelliger Höhe. Macht insgesamt etwa 55 Millionen.

Die Bank kann nun noch zwei weitere Instanzen anrufen: Zunächst das Oberlandesgericht Stuttgart, dann den Bundesgerichtshof. Bis ein rechtskräftiges Urteil steht, können noch Jahre vergehen. Insofern bleibt wohl in zweifacher Hinsicht offen, ob das Ulmer Urteil wegweisend für andere Cum-Ex-Prozesse ist. Letztlich muss jeder Einzelfall geprüft werden.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Fassung dieses Beitrags hieß es, die Banker von Safra Sarasin hätten mit dem Geld des Fonds "Sheridan Solution Equitiy Arbitrage Fund" sogenannte Cum-Ex-Deals gemacht, "mit denen sie den deutschen Fiskus austricksten. Dabei ließen sie sich mehrmals Kapitelertragsteuer zurückerstatten, obwohl sie diese nur einmal bezahlt hatten". In dem Beitrag ist auch von Sarasin-Fonds beziehungsweise einem Safra-Sarasin-Fonds die Rede. Dies ist falsch. Richtig ist, dass der Sheridan-Fonds von Sarasin nur vertrieben, von der Bank aber nicht selbst betrieben wurde. Damals firmierte die Bank noch unter Sarasin. Der Einstieg der Safra-Gruppe erfolgte erst später. Weder die Banker von Sarasin noch von Safra Sarasin machten selbst Cum-Ex-Deals; sie ließen sich daher auch nicht eine einmal bezahlte Kapitalertragsteuer mehrmals erstatten und tricksten insofern auch nicht den Fiskus aus.

© SZ vom 23.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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