Süddeutsche Zeitung

Lobby der Finanzindustrie:Cum-Ex-Razzia beim Bankenverband

Ermittler durchsuchen Büros in Berlin und Frankfurt. Sie vermuten, dass Beschuldigte versucht haben, Einfluss auf die Gesetzgebung zu nehmen.

Von Klaus Ott, Jörg Schmitt und Jan Willmroth

Staatsanwälte, Steuerfahnder und weitere Ermittler durchsuchen seit Dienstagmorgen die Büros des Bundesverbands deutscher Banken (BdB) in Berlin und Frankfurt am Main. Hintergrund der Razzia sind nach Informationen von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Köln im Zusammenhang mit Cum-Ex-Geschäften wegen des Verdachts der schweren Steuerhinterziehung.

Die Fahnder vermuten, dass Beschuldigte mehrerer Verfahren über den Bankenverband versucht haben, in ihrem Sinne auf Gesetze Einfluss zu nehmen. So sollen sie in verbandsinternen Arbeitskreisen und im Austausch mit dem Bundesfinanzministerium darauf hingewirkt haben, Schlupflöcher offenzuhalten für das für Kreditinstitute lukrative Geschäft mit der Mehrfacherstattung von Steuern bei Aktiengeschäften. Nach Schätzungen von Steuerfahndern hat das den Fiskus allein bis Ende 2011 mehr als zehn Milliarden Euro gekostet. Gegen Verantwortliche oder Mitarbeiter des Bankenverbandes wird nicht ermittelt, es ist eine Durchsuchung im Zeugenstatus.

Die Staatsanwaltschaft Köln bestätigte Maßnahmen bei einem Verband, ohne Namen zu nennen. Es gehe darum, Beweismittel zu finden, "die für die Fortführung der Ermittlungen und die weitere Aufhellung des komplexen Sachverhalts von Bedeutung sein können". Der BdB teilte mit, "vollumfassend" mit den Behörden zu kooperieren.

Mit einem möglichen Einfluss des Bankenverbandes auf die Gesetzgebung des Bundesfinanzministeriums hatte sich in den Jahren 2016 und 2017 bereits ein Untersuchungsausschuss des Bundestags beschäftigt. Allerdings blieben wichtige Details zur Rolle des Bankenverbands bis heute ungeklärt. Die Parlamentarier hatten seinerzeit etwa nicht auf alle angeforderten Unterlagen des Bankenverbandes zugreifen können, darunter E-Mails zwischen Funktionären der Bankenlobby und einem Berater des Ministeriums, der damals auch vom Bankenverband Geld bekam.

Womöglich versuchen die Ermittler nun, an diese Mails und an weiteren Schriftverkehr zu gelangen. Erst Mitte März hatte das Bonner Landgericht in einem ersten Urteil Cum-Ex-Geschäfte als Straftaten gewertet. Noch in diesem Jahr stehen weitere Prozesse bevor, unter anderem in Bonn und am Landgericht Wiesbaden. Allein die Staatsanwaltschaft Köln ermittelt im Zusammenhang mit den Aktiengeschäften zulasten der Staatskasse in annähernd 70 Ermittlungskomplexen gegen bald 900 Beschuldigte.

In einem ersten Cum-Ex-Strafurteil wurden zwei britische Investmentbanker im März am Landgericht Bonn wegen schwerer Steuerhinterziehung zu Bewährungsstrafen verurteilt. Der Schuld- und Strafauspruch gegen den Haupttäter ist nun rechtskräftig. Er erhielt eine Strafe von einem Jahr und zehn Monaten Haft auf Bewährung. Über den Rest des Urteils entscheidet der BGH in Revision.

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