Cum-Ex:Anwalts Geheimnis

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Die Kanzlei hat ihren Frankfurter Standort in einem der ältesten Bürohochhäuser der Stadt. (Foto: imago images)

Juristen von Clifford Chance sollen Durchsuchungen bei ABN Amro erschwert haben. Jetzt wird auch gegen sie ermittelt.

Von Jan Willmroth, Frankfurt

Die erneute Razzia wegen Cum-Ex-Geschäften der niederländischen Großbank ABN Amro zieht weitere Kreise. Am Donnerstag haben Ermittler auch Geschäftsräume der Kanzlei Clifford Chance in Frankfurt durchsucht. Nach Informationen von Süddeutscher Zeitung und WDR suchten die Fahnder nach belastendem Material gegen ABN Amro, das bei der Kanzlei gelagert oder digital gespeichert sein soll. Dem Vernehmen nach hat die Kanzlei tatsächlich einige Archivakten mit Bezug zur Bank herausgegeben, war aber nicht selbst Gegenstand der Durchsuchungen. Damit handelt es sich um eine sogenannte Durchsuchung im Zeugenstatus. Dessen ungeachtet sind die Hürden für Durchsuchungsbeschlüsse in Anwaltskanzleien grundsätzlich hoch.

Clifford Chance hat jetzt noch ein weiteres Problem. Seit der ersten Cum-Ex-Razzia bei ABN Amro am 19. November 2019 ermittelt die Staatsanwaltschaft Köln gegen mehrere Anwälte der Sozietät wegen Strafvereitelung. Grund dafür soll das Auftreten der Clifford-Vertreter während der Durchsuchungen bei der Bank sein. Damals lag die Federführung bei der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt, die diesmal nicht beteiligt war.

Die Anwälte sollen die Ermittlungen in einem Maße erschwert haben, dass die Razzia in Teilen ergebnislos abgebrochen werden musste. Mit mehr als zwei Dutzend Anwälten soll Clifford Chance den Ermittlern den Zugang zu verfahrensrelevanten Unterlagen und Daten verwehrt haben, unter anderem etwa mit Verweis darauf, dass bestimmte Daten auf Servern in den Niederlanden gespeichert und nicht zugänglich seien. Die Kanzlei wollte sich zu den Vorgängen unter Verweis auf das Mandatsgeheimnis und auf die laufenden Verfahren nicht äußern. So bleibt zunächst offen, wie die Kanzlei mit der Situation umgeht, und ob sie sich möglicherweise selbst gegen das Verhalten der Ermittlungsbehörden zur Wehr setzt. Die Staatsanwaltschaft Köln wollte die Informationen auf Anfrage nicht kommentieren.

Mehrere Banken hatten Clifford Chance mit internen Untersuchungen beauftragt

Als die Ermittler zum ersten Mal anrückten, damals noch sehr diskret, wurde man bei der Bank offenbar kreativ. Am Tag der Razzia im November sollen etwa Bankmitarbeiter plötzlich krank geworden und nach Hause geschickt worden sein. Am vergangenen Donnerstag waren dann auch Rettungssanitäter mit entsprechender Ausrüstung dabei beobachtet worden, wie sie mit Polizei und Staatsanwaltschaft am Morgen die Deutschlandzentrale der Bank in der Mainzer Landstraße in Frankfurt betraten. Die Bundespolizei sicherte bis zum späten Abend die Zugänge zu dem Gebäude, am Freitag setzten die Behörden die Aktion fort. ABN Amro hatte stets erklärt, mit den Ermittlern zu kooperieren und zuletzt im aktuellen Quartalsbericht ausführlicher seine Verwicklung in Cum-Ex-Geschäfte erläutert. An der Kooperationsbereitschaft gibt es aber Zweifel, zumal eine so groß angelegte Durchsuchungsaktion wie am Donnerstag bei kooperativem Verhalten nicht nötig wäre. Wer verlangte Dokumente und Daten freiwillig herausgibt, erhält normalerweise keine so große Aufmerksamkeit.

Clifford Chance hat seinen Frankfurter Standort schräg gegenüber in einem der ältesten Bürohochhäuser der Stadt. Die Sozietät gehört zu den weltweit größten Wirtschaftskanzleien und hat mehrere große Unternehmensmandate im Zusammenhang mit der Aufarbeitung des Cum-Ex-Steuerskandals in Deutschland. So vertreten Clifford-Chance-Anwälte unter anderem die US-Großbank BNY Mellon und die französische Société Générale, die derzeit am ersten Cum-Ex-Strafprozess in Bonn beteiligt sind und dabei jeweils mit der Rückzahlung von Geldern aus den fraglichen Geschäften rechnen müssen. Mehrere Banken hatten Clifford Chance mit internen Untersuchungen zu den möglicherweise illegalen Praktiken beauftragt, darunter auch ABN Amro.

Beim Handel von Aktien mit (cum) und ohne (ex) Dividendenanspruch hatten sich zahlreiche Banken, Hedgefonds und weitere Akteure an Handelsmustern beteiligt, mit denen sie sich zuvor nicht gezahlte Steuern anrechnen oder erstatten ließen. Durch die Geschäfte entstand der deutschen Gesellschaft bis Ende 2011 ein Schaden von schätzungsweise mehr als zehn Milliarden Euro. Gegen mehrere Hundert Beschuldigte aus dem In- und Ausland laufen Ermittlungsverfahren wegen schwerer Steuerhinterziehung oder der Beihilfe dazu. Im Fokus steht dabei auch die steuerrechtliche Beratung namhafter Kanzleien, die diese Geschäftsmodelle wohlwollend begutachtet haben. In diesem Zusammenhang ist Clifford Chance bislang nicht aufgefallen - wohl aber als Kanzlei, die ihre Mandanten bei der Aufklärung der Affäre vehement verteidigt.

© SZ vom 29.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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