Sie übernehmen Lieferdienste, Handwerksarbeiten oder putzen: Immer mehr Menschen in Deutschland sind sogenannte Crowdworker. Bei diesen Jobs sagt eine App oder Webseite, welcher Auftrag als Nächstes kommt. 116 000 Menschen bekommen Jobs über digitale Plattformen, und es werden künftig deutlich mehr werden. Das geht aus einer Kleinen Anfrage der Linken im Bundestag hervor, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt. In der Antwort bezieht sich das Bundesarbeitsministerium auf eine Sonderauswertung des Sozio-oekonomischen Panels für 2020. Das ist eine breite, wissenschaftliche Umfrage, die diese Frage zum ersten Mal gestellt habe. Demnach war damals rund jeder 16. Solo-Selbstständige, der also auf sich allein gestellt ist und keine Angestellten hat, ein Crowdworker.
Der Verdacht liegt nahe, dass es sich bei diesen Jobs häufig um prekäre Arbeit handelt. Auch Schein-Selbstständigkeit kann vorliegen. „Obwohl es sich faktisch um Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer handelt, wird eine Vielzahl der Beschäftigten systematisch als selbständig eingestuft“, kritisiert Susanne Ferschl, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Linken im Bundestag. Den Betroffenen fehle soziale Absicherung.
Neuere Zahlen als die von 2020 und detaillierte Informationen zu den Arbeitsverhältnissen liegen der Bundesregierung nach eigenen Angaben nicht vor. Im Koalitionsvertrag hatte sich die Ampel vorgenommen, bessere Daten über die auch als Plattformökonomie bezeichnete Branche zu sammeln. Präsentieren konnte das Ministerium allerdings auf die parlamentarischen Fragen bisher fast nichts. „Der Bundesregierung fehlt ganz offensichtlich der Überblick über einen ganzen Wirtschaftszweig, dabei sind die schlechten Arbeitsbedingungen in der Plattformarbeit seit Jahren bekannt“, sagt Ferschl.
Ein Urteil hilft den Crowdworkern
Seit 2020 hat sich der rechtliche Rahmen der Plattformökonomie stark verändert. Ein Grundsatzurteil des Bundesarbeitsarbeitsgerichts aus dem Jahr 2020 setzte Regeln, denen zufolge Crowdworker häufiger als zuvor nicht als selbständig eingestuft werden können, sondern Arbeitnehmerrechte erhalten müssen, etwa Kündigungsschutz. Außerdem hat die EU eine Richtlinie zur Plattformarbeit beschlossen. Diese muss noch in deutsches Recht umgesetzt werden, was laut Experten hierzulande allerdings nicht viel ändern werde. „Das hat nicht allzu große Auswirkungen“, sagt Jan Tibor Lelley, Fachanwalt für Arbeitsrecht bei der Kanzlei Buse, die Arbeitgeber berät. Das Arbeitsministerium teilt mit, die Plattformökonomie im Blick zu haben. Man prüfe „mögliche Regelungsbedarfe, die über die Umsetzung der Plattform-Richtlinie hinausgehen“.
Wie die Arbeitsverhältnisse in der Branche sind, zeigt eine Analyse über fest angestellte Crowdworker von Lieferdiensten. Deren durchschnittliches Jahreseinkommen beträgt demnach rund 16 400 Euro. Mitgezählt werden beim Jahreseinkommen weitere Jobs, die Crowdworker typischerweise haben. Zudem ist die Fluktuation groß. Nur jeder fünfte fest angestellte Crowdworker ist nach einem Jahr noch dabei. Insgesamt werde ihre Zahl weiter zunehmen, so die Bundesregierung. Sie verweist auf eine Prognose der EU-Kommission. Demnach könnte es 2025 europaweit rund 43 Millionen Plattformarbeiter geben.