Crowdfunding:Herzdame in Zwangsjacke

Crowdfunding: "Spiele mit Gefühlen. Betrüge den Verstand", warb Altius Management um Kunden - die vergebens auf das Kartenset warten, für das sie Geld bezahlten.

"Spiele mit Gefühlen. Betrüge den Verstand", warb Altius Management um Kunden - die vergebens auf das Kartenset warten, für das sie Geld bezahlten.

(Foto: Asylumcards)

Eine US-Firma sammelte für ein Spiel Geld ein - und tauchte unter. Nun wird sie bestraft.

Von Katrin Werner, New York

Asylum ist kein Spiel für jeden Geschmack. Das Leitmotiv des Kartensets ist eine psychiatrische Klinik. Die Herzdame steckt in einer Zwangsjacke, die Karodame ist eine fiese Krankenschwester mit gezückter Spritze, aus den Symbolen auf der Kartenrückseite tropft Blut. "Erschütternd, aber charmant", warb Altius Management, der Hersteller des Spiels. "Spiele mit mehr als nur mit Karten. Spiele mit Gefühlen. Betrüge den Verstand." Doch statt ihre Mitspieler zu täuschen, sind die Käufer des Asylum-Kartensets selbst betrogen worden. Genauer gesagt: die Möchtegern-Käufer.

Altius Management, ein Unternehmen, das niemand kennt, hat vor drei Jahren eine Kampagne bei der Geldsammel-Plattform Kickstarter im Internet angefangen. Kickstarter-Nutzer konnten der Firma mit Sitz in Nashville in den Vereinigten Staaten vorab Geld überweisen, damit sie das Psycho-Kartenspiel drucken lassen und ausliefern kann. Jedes Set sollte neun Dollar kosten, es gab noch ein paar Zusatz-Spielereien für große Fans. Die Kampagne war ein Erfolg. 810 Menschen aus der ganzen Welt gaben Geld, insgesamt 25 146 Dollar, eigentlich wollte Altius nur 15 000 Dollar einsammeln.

Doch dann passierte nichts. Eigentlich sollten die "Retro-Horror"-Karten im Dezember 2012 ausgeliefert werden, rechtzeitig zur Weihnachtszeit. Altius verschickte nichts, schrieb ein paar knappe Entschuldigungen auf die Internetseite von Kickstarter. Ab Mitte 2013 tauchte Altius unter. Das Geld war weg.

Bis zu diesem Sommer. Jetzt hat sich ein Gericht eingemischt und den Kickstarter-Kunden Recht gegeben und Altius zu Rückzahlungen und einer Strafe verurteilt. Seattles Generalstaatsanwalt Bob Ferguson hat Altius gejagt und erst einmal herausfinden müssen, wer hinter der Firma steckt. Ein Gericht des Bundesstaats Washington hat nun geurteilt, dass sie 54 841 Dollar zahlen muss. Es ist das erste Mal, dass ein Kickstarter-Betrüger bestraft wurde, weil er seine Versprechen nicht erfüllt hat. Das Urteil zeigt, dass ihre Opfer Rechte haben und diese auch durchsetzen können.

Crowdfunding ist anfällig für Betrug. Niemand weiß, wie seriös derjenige ist, der um Kapital bittet

Kickstarter ist eine der beliebtes- ten Crowdfunding-Plattformen. Künstler, Start-ups und allerlei gemeinnützige Vereine stellen auf der Internetseite ihre Ideen vor und bitten um Geld. Wer ein Projekt gut findet, kann es mit verschiedenen Summen unterstützen und bekommt meist etwas im Gegenzug. So kann jeder Internetznutzer zum Wagniskapitalgeber werden. Auch die Regeln sind einfach: Wenn die Kreativen genug Interessenten finden, die ihre Idee unterstützen, bekommen sie das Geld. Wenn sie die von ihnen vorher festgelegte Finanzierungssumme nicht erreichen, bekommen die Investoren ihr Geld zurück. Seit dem Start der Plattform im April 2009 haben 92 000 Projekte auf diese Weise Geld von Internetnutzern bekommen, insgesamt 1,9 Milliarden Dollar. Und Kickstarter ist nicht die einzige dieser Plattformen, auch Gofundme oder Indiegogo sammeln Milliarden bei Privatleuten ein - es ist eine beliebte neue Möglichkeit, ohne Bankkredite an Geld zu kommen.

Aber Crowdfunding ist auch anfällig für Betrug. Jeder kann jedem Geld geben. Es gibt kaum Prüfungen, wie vertrauenswürdig derjenige ist, der um Kapital bittet. Kickstarter verpflichtet den Anbieter zwar, seine Versprechen zu erfüllen. Aber das Internetunternehmen fordert auch die Geldgeber auf, selbst zu prüfen, wie wahrscheinlich es ist, dass sie etwas für ihr Geld bekommen - und es könne eben immer irgendetwas schief gehen, das sei Teil des Risikos. Kickstarter lässt Computer-Algorithmen nur oberflächlich nach Betrügern suchen, die Firmen wie Altius nicht finden können. Die Crowdfunding-Plattform selbst haftet nicht.

"Washington State wird Crowdfunding-Diebstahl nicht tolerieren", sagte Staatsanwalt Ferguson. "Wenn man Geld von seinen Kunden annimmt und seine Verpflichtungen nicht erfüllt, wird mein Büro die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen." Altius muss jedem Geldgeber, der im Bundesstaat Washington wohnt, Schadenersatz in Höhe von 668 Dollar zahlen. Hinter Altius Management steckt ein Mann aus Nashville, der sich manchmal J. Polchlopek III und manchmal nur Ed Nash nennt. Er war ein Neuling auf Kickstarter. Wenn jemand noch kein Projekt erfolgreich zu Ende gebracht hat, bedeutet das ein größeres Risiko für die Geldgeber.

In diesem Juni, als niemand mehr damit rechnete, bekam eine Hand voll Kickstarter-Kunden tatsächlich ihr Asylum-Kartenspiel. Das Urteil aus Washington traf Altius Management alias Edward J. Polchlopek III alias Ed Nash trotzdem.

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