Nahaufnahme:Die Schaumwein-Chefin

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Juliette Monmousseau: "Damals ging es überhaupt nicht darum, mal Boss zu werden". (Foto: Leif Carlsson/oh)

Juliette Monmousseau leitet den berühmten Crémant-Produzenten Bouvet-Ladubay aus dem Loire-Tal.

Von Kathrin Werner

An der Wand in ihrem Büro, direkt über der dunklen Holzvertäfelung und den adrett arrangierten Schaumwein-Flaschen, hängt ein Bild: Fabrikschlote ragen darauf empor, Stromleitungen ziehen sich durch den grauen Himmel. Das Gemälde heißt "Turbin", ein französisches Slangwort für Arbeit. "Ich fand es witzig, das im Büro zu haben", sagt Juliette Monmousseau.

Arbeit in ihrem Unternehmen sieht ganz anders aus. Monmousseau ist die Chefin des Maison Bouvet-Ladubay, des größten Lieferanten von Crémant an deutsche Restaurants. Im lieblichen Loire-Tal, zwischen alten Schlössern und Weinbergen, produziert Bouvet-Ladubay im Jahr mehr als sechs Millionen Flaschen Schaumwein, der nach der alten Methode in der Flasche vergoren wird und Champagner hieße, wenn er aus der Champagne käme. Monmousseau führt Bouvet-Ladubay in fünfter Generation, sie hat den Job vor fünf Jahren von ihrem Vater übernommen.

In der Traditionsbranche fällt sie auf, bei Branchentreffen ist sie oft die einzige Frau im Raum zwischen vielen Männern. Doch langsam ändert sich das, mehr Winzerinnen gründen Unternehmen und übernehmen Weingüter. Und mit Bouvet-Ladubay führt Monmousseau nun einen der größten Produzenten des Loire-Tals. "Am Anfang hat man mich manchmal nicht ernst genommen, da war ich auch noch viel jünger", sagt Monmousseau. "Heute beeinflusst es meine Arbeit nicht mehr, ich nenne mich zum Beispiel auch Directeur der Firma und nicht Directrice."

Die Pandemie trifft nicht so hart wie gedacht

Monmousseau hat eigentlich Grafikdesign studiert und ist nach Paris gezogen, um in einer Werbeagentur und später für Filmverleihfirmen zu arbeiten, zuletzt im internationalen Vertrieb. In das Unternehmen, das ihr Vater führte, wollte sie nicht einsteigen. "Man könnte fast sagen, dass ich entkommen bin", sagt sie. Als Jugendliche hatte sie bei Bouvet-Ladubay gejobbt, im Laden mitgeholfen und Führungen durch die Gewölbe gegeben. Eigentlich war es ihre Schwester gewesen, zu der eine Aufgabe im Unternehmen gepasst hätte, schließlich studierte sie Wirtschaft. Aber sie entdeckte ihre Leidenschaft fürs Kochen und zog nach London. Die Mutter der Schwestern, eine Schwedin, war ebenfalls Profiköchin.

Juliette Monmousseaus Karriere in Paris war nicht so aufregend, wie sie sich sie vorgestellt hatte. Gleichzeitig geschah bei Bouvet-Ladubay so viel. Das Unternehmen gehörte jahrzehntelang der Familie, später zunächst zum Champagnerkonzern Taittinger, dann zur United Breweries Group des indischen Multimillionärs Vijay Mallya. Monmousseau heuerte in "unserer indischen Zeit", wie sie sagt, bei ihrem Vater an und übernahm den internationalen Vertrieb, eine Aufgabe, die sie interessierte und die ihr lag, allein schon weil sie Französisch, Englisch, Spanisch, Deutsch und Schwedisch spricht. "Damals ging es überhaupt nicht darum, mal Boss zu werden", sagt sie. Doch die indischen Eigentümer ermunterten sie, mehr und mehr Verantwortung zu übernehmen. Als Mallyas Fluglinie pleiteging, stand Bouvet-Ladubay wieder zum Verkauf. Juliette Monmousseau und ihr Vater fuhren durch den Eurotunnel nach London, um den Inder zu treffen und zu besprechen, wie es weitergehen soll. "Zurück kamen wir mit einem Plan, den wir nur noch ausführen mussten." Die Familie Monmousseau, die das Unternehmen trotz all der Eigentümerwechsel immer weiter geführt hatte, kaufte die Firma 2015 zurück.

"Glauben Sie mir, es gibt auch Meetings, in denen wir nicht trinken."

Das Schaumwein-Haus hat etliche Krisen durchlebt seit der Gründung im Jahr 1851. Das Coronavirus ist da fast nur eine Randnotiz. Seit Beginn der Pandemie ist die Nachfrage nach Crémant im Einzelverkauf so stark gestiegen, dass es Monmousseau selbst überrascht hat. Insgesamt ist der Umsatz im vergangenen Jahr zwar um fast zehn Prozent eingebrochen, vor allem weil Restaurants geschlossen sind, aber so viel mehr Menschen kauften Bouvet-Ladubay in den Läden, dass die Krise das alte Unternehmen längst nicht so hart traf wie gedacht. Die Menschen stoßen gerne bei Videoschalten mit ihren Freunden virtuell miteinander an, glaubt sie. "Und jetzt kommt der Frühling, da kann man mit ein paar Freunden draußen im Park ein Gläschen trinken", sagt sie. "Wenigstens etwas, worauf man sich freuen kann."

Auch bei der Arbeit trinken Monmousseau und ihre gut 60 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen gern zusammen ein Glas Crémant. "Es ist wichtig für uns, uns weiterhin zu treffen und zum Beispiel die Woche zusammen ausklingen zu lassen", sagt Monmousseau. Und genug Platz zum Abstandhalten gebe es auch in dem alten Maison aus dem 19. Jahrhundert. "Glauben Sie mir, es gibt auch Meetings, in denen wir nicht trinken." Man mag das glauben oder nicht - Arbeit bei Bouvet-Ladubay im Loire-Tal sieht jedenfalls anders aus als auf dem Bild an Monmousseaus Wand.

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