Credit Suisse:Die Schweiz zahlt einen hohen Preis

Credit Suisse: Praktisch: Die Hauptsitze der Credit Suisse (rechts) und der UBS liegen in Zürich nebeneinander.

Praktisch: Die Hauptsitze der Credit Suisse (rechts) und der UBS liegen in Zürich nebeneinander.

(Foto: Michael Buholzer/dpa)

Eine Finanzkrise inklusive Bankensturm hat die Schweiz mit der Fusion von UBS und Credit Suisse vorerst abgewendet. Doch das Land steht eine Woche danach vor einem Scherbenhaufen.

Von Isabel Pfaff, Bern

Knapp fünf Tage nach der Zwangsfusion der beiden Schweizer Großbanken UBS und Credit Suisse steht eines fest: Die hastige Einigung wird ein politisches Nachspiel haben. Das Parlament, das kaum Mitspracherecht hatte bei der spektakulären Rettungsaktion, hat für Mitte April eine außerordentliche Sitzung zusätzlich zu den üblichen vier Terminen im Jahr. Denn der Unmut ist groß - nicht zuletzt, weil die Schweizer Regierung, der Bundesrat, an mehreren Stellen Notrecht angewandt hat, um die Übernahme der Credit Suisse durchzuboxen.

Ein solcher Eingriff in die - in der Schweiz sehr ausgeprägten - politischen Mitwirkungsrechte fand das letzte Mal während der ersten Corona-Welle 2020 statt. Damals wusste tatsächlich niemand, was da drohte. Im Fall der Credit Suisse muss man jedoch sagen: Hätten Politik und Aufsicht früher genauer hingesehen, wäre eine solche Hauruck-Rettung der zweitgrößten Bank des Landes wohl nicht nötig gewesen.

Mit das größte Problem, das die Schweiz gerade verdauen muss: Ihr Regelwerk, das sie sich nach der UBS-Rettung 2008 gab, um zu verhindern, dass nochmal eine Großbank mit Steuergeldern gerettet werden muss, kam im Fall der Credit Suisse gar nicht zur Anwendung. Eigentlich sieht die Too-big-to-fail-Gesetzgebung nämlich vor, dass sich eine in die Krise geratene Bank wie die Credit Suisse im Ernstfall aufspalten muss. Damit kann der systemrelevante Teil - das Einlagengeschäft, das Schweizer Kreditgeschäft und der Zahlungsverkehr - weiterlaufen; die übrigen Bereiche werden abgewickelt.

Doch statt dieses Szenario zu aktivieren, entschied sich die Schweiz für eine Übernahme der Credit Suisse durch ihre Konkurrentin, abgesichert durch staatliche Garantien in Höhe von 209 Milliarden Franken. Finanzministerin Karin Keller-Sutter begründete das am Sonntag mit dem Zustand der Bank: Der Schweizer Notfallplan sei für Banken gedacht, die ihre Verpflichtungen nicht mehr erfüllen können. "Hier hatten wir aber ein Liquiditäts­problem", so Keller-Sutter. Nur: Angesichts des massiven Vertrauensverlusts hätte die Credit Suisse über kurz oder lang auch ein Solvenzproblem bekommen. Warum also ging man hier nicht nach dem politisch vorgesehenen Drehbuch vor, sondern ersann einen rechtlich wackeligen Rettungsplan, der der Schweiz nun eine Megabank beschert, von der noch größere Risiken ausgehen als von den beiden Großbanken zuvor?

Es kann auch alles plötzlich ganz schnell gehen

Viele vermuten politischen Druck aus dem Ausland dahinter. Wie die Financial Times jüngst berichtete, sollen die Amerikaner und die Franzosen den Schweizern praktisch keine Wahl gelassen haben. Eine entschiedene Rettungsaktion sollte die wachsende globale Panik eindämmen. Und die eigentlich vorgesehene Lösung, also Aufspaltung und Abwicklung, sahen alle Beteiligten wohl als zu riskant an für die Finanzmärkte.

Schon wieder also geht in der Schweiz alles ganz schnell, wenn der Druck vor allem aus den USA groß genug ist - wie schon bei den nachrichtenlosen Vermögen in den 1990ern und auch beim Ende des Bankgeheimnisses 2009. Jahrelang ausdiskutierte Gesetze? Werden im Zweifelsfall einfach per Notrecht aus dem Weg geräumt. Für den Ruf der Schweiz als sicheren, stabilen und vor allem rechtstaatlichen Wirtschaftsstandort sind solche Ereignisse gefährlich.

Genau das wollen die politischen Parteien des Landes nun aufarbeiten. Die Sozialdemokraten (SP) fordern sogar eine parlamentarische Untersuchungskommission zum Thema. Einig sind sich die politischen Lager darin, dass die Too-big-to-fail-Gesetzgebung überarbeitet werden muss. SP und Grüne fordern für die Zukunft ein Trennbankensystem, also die Aufspaltung von Großbanken in eine risikoarme Geschäftsbank und eine Investmentbank.

Politische Forderungen zielen auch auf das Boni-Problem: Während es zunächst so aussah, als dürfe die Credit Suisse ihren Mitarbeitern wie vorgesehen ihre Boni für 2022 auszahlen, hat die Regierung am Dienstag diese Zahlungen teilweise eingefroren. Die SP will nun ein Boni-Verbot und einen Lohndeckel bei systemrelevanten Banken einführen, die Grünen wollen die Instrumente der Aufsicht stärken, um Manager stärker persönlich zur Verantwortung ziehen zu können. Vertreter der liberalen FDP und der rechtskonservativen SVP wollen zudem der neuen Riesen-UBS die Auflage machen, dass sie das Inlandgeschäft der Credit Suisse wieder herauslöst, damit dies unabhängig weiterbestehen kann. Die Politiker wollen damit das Wettbewerbsproblem im Inland lösen.

Fest steht: Einfach wird das Leben mit der neuen Superbank nicht. Schon in Woche eins ist es zu ersten Unstimmigkeiten zwischen Staat und UBS gekommen. Bei den Verlustgarantien, die der Bund für einen klar abgegrenzten Teil des CS-Portfolios gesprochen hat, ist offenbar unklar, wie weit diese gehen. Die ersten fünf Milliarden Franken muss die UBS schultern, die nächsten neun Milliarden der Bund - so weit, so unstrittig. Verluste über 14 Milliarden hinaus will die UBS mit dem Bund teilen, dieser sieht sich aber nicht in der Pflicht. Auf die Schweiz dürfte mit ihrer erstarkten Bank ein Machtkampf zukommen.

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