Credit Suisse:Aufruf zum Schreddern

Credit Suisse: Der Hauptsitz der Schweizer Bank Credit Suisse am Paradeplatz in Zürich.

Der Hauptsitz der Schweizer Bank Credit Suisse am Paradeplatz in Zürich.

(Foto: ARND WIEGMANN/REUTERS)

Die skandalgeplagte Credit Suisse soll Investoren aufgefordert haben, Dokumentation über ein Geschäft mit Privatjets und Luxusjachten zu vernichten. Es geht auch um russische Oligarchen.

Von Hannes Munzinger

Der Schweizer Finanzplatz ist in schwerem Gewässer. Vergangene Woche enthüllte die Süddeutsche Zeitung gemeinsam mit internationalen Partnermedien die "Suisse Secrets", eine Recherche über die geheimen Geschäfte der Großbank Credit Suisse mit einer Vielzahl problematischer Kunden - von Verbrechern über Kleptokraten und Geheimdienstlern zu korrupten Oligarchen.

Drei Tage später begann der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine - und während die EU, die Vereinigten Staaten und Großbritannien mit beherzten Sanktionen gegen Putins Machtzirkel und die ihn unterstützenden Oligarchen reagierten, zögerte die Schweiz mit entsprechenden Schritten. Bundespräsident Ignazio Cassis verwies auf die eidgenössische Tradition der Neutralität. Erst nach erneuter internationaler Kritik und mutmaßlich unter dem Eindruck des brutalen Vorgehens Russlands in der Ukraine zog das Land nach.

Die zweitgrößte Bank des Landes, die Credit Suisse, sorgte unterdessen für ein wenig Konstanz in turbulenten Zeiten: nämlich für einen weiteren Skandal. Wie die Financial Times berichtet, soll die Credit Suisse Investoren aufgefordert haben, Informationen und Dokumentationen im Zusammenhang mit einem sogenannten Verbriefungsgeschäft zu vernichten oder dauerhaft zu löschen.

Konkret soll es um Kredite gehen, die mit den Gegenwerten von Privatjets, Luxusyachten und Immobilien gesichert seien. Diese Kredite habe die Bank verbrieft und als Finanzinstrument an Investoren verkauft. An diese Investoren ging nun offenbar die Aufforderung, die Informationen zu vernichten. Unter den Kunden, deren Jets und Yachten als Kreditsicherung dienten, sind offenbar superreiche Oligarchen. Die Dokumente könnten Informationen über die Vermögenswerte dieser Oligarchen beinhalten.

Ob es sich dabei auch um russische Staatsbürger handelt, die unter die aktuellen Sanktionen fallen, ist nicht bekannt. Die Financial Times bezieht sich in ihrer Berichterstattung jedoch auf eine interne Präsentation aus der zuständigen Abteilung, die von Kreditausfällen in Folge von Sanktionen gegen russische Oligarchen berichtet. Ein Drittel der Ausfälle von Flugzeug- oder Yachtkrediten sei demnach schon in den Jahren 2017 und 2018 auf Sanktionen zurückzuführen gewesen.

Die Credit Suisse hangelt sich seit Monaten von Skandal zu Skandal

Der Deal, um den es nun geht, wurde Ende 2021 abgeschlossen und soll ein Kreditvolumen von etwa zwei Milliarden US-Dollar aufweisen. Das Verbriefungsprodukt wurde offenbar vor allem an Hedgefonds verkauft, um Risiken auszulagern. Im Erfolgsfall hätten diese Hedgefonds wohl zweistellige Renditen eingestrichen.

Die Aufforderung der Bank, Informationen zu vernichten, ist offenbar eine Reaktion auf die Berichterstattung über den Deal. Die Bank scheint die Wahrheit über jene Geschäfte mehr zu fürchten als schlechte Presse über deren Vertuschung. Die Credit Suisse hangelt sich seit Monaten von Skandal zu Skandal. Vor zwei Wochen hat beispielsweise ein Prozess gegen die Bank und eine ehemalige Beraterin begonnen, in dem die Bundesanwaltschaft der Bank schwere Versäumnisse bei der Geldwäscheprävention vorwirft. Das Verfahren dreht sich um bulgarische Drogenhändler, die laut Anklage Konten bei der Schweizer Bank für ihre illegalen Machenschaften genutzt haben sollen. Im Januar hatte der Verwaltungsratspräsident der Bank, António Horta-Osório, seinen Posten räumen müssen, nachdem er mehrmals gegen Corona-Auflagen verstoßen hatte. Die Aktie des Unternehmens verlor allein im letzten Monat 18 Prozent ihres Wertes.

Die wiederkehrenden Probleme der Bank färben nun auf den gesamten Schweizer Finanzplatz ab. Nach der Veröffentlichung der Suisse Secrets sprach sich eine Mehrheit der Fraktionen im Europäischen Parlament dafür aus, die Praktiken der gesamten Finanzbranche des Alpenlandes durchleuchten zu wollen. Auch die Aufnahme der Schweiz auf eine schwarze Liste von Ländern, die die EU als Risikostaaten für Geldwäsche ansieht, wurde diskutiert. Und die Bank musste ihren Kunden erklären, wie es möglich war, dass Kundendaten in die Hände von Journalisten gelangten. Der Aufruf zum Schreddern von Dokumenten wirft nun abermals einen Schatten auf die Bank.

Am späten Donnerstagabend bestätigte die Credit Suisse, dass sie von Anlegern die Vernichtung von Dokumenten verlangt habe. Dies entspreche der Marktpraxis und sei so auch in einer Geheimhaltungsvereinbarung festgelegt gewesen. Es bestünde aber kein Zusammenhang mit den kürzlich eingeführten Sanktionen.

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