Schweizer Großbank:Schmerzhafter Umbau bei der Credit Suisse

Schweizer Großbank: Die Credit Suisse legt nach Milliardenverlusten Umbaupläne vor.

Die Credit Suisse legt nach Milliardenverlusten Umbaupläne vor.

(Foto: Michael Buholzer/dpa)

Mit radikalen Einschnitten will die zweitgrößte Schweizer Bank ihre weitgehend hausgemachte Krise bewältigen. Die Maßnahmen gehen weit - und könnten tatsächlich die Wende einleiten.

Von Isabel Pfaff, Bern

Gemessen am Aktienkurs dürfte der 27. Oktober 2022 als eher düsterer Tag in die Geschichte der Credit Suisse eingehen: Um zeitweise 15 Prozent sackte die Aktie der zweitgrößten Schweizer Bank am Donnerstag ab. Sicher, zum vierten Mal in Folge muss die Bank einen Quartalsverlust vermelden, das allein hätte wohl auch schon für einen Kursknick gereicht. Doch deutlich mehr wühlten wohl die lange erwarteten Umbaupläne der Bank die Finanzwelt auf, die Konzernchef Ulrich Körner am selben Tag vorstellte.

"Das ist ein historischer Moment für die Credit Suisse", lässt Körner sich in der Pressemitteilung zitieren. Er meint es natürlich positiv, sieht den Umbau als Befreiungsschlag, der die Credit Suisse nach Jahren der Krisen und Fehltritte endlich wieder auf sicheres Terrain führen soll. Doch die verkündeten Einschnitte und Maßnahmen sind so heftig, dass der Markt zunächst alles andere optimistisch reagiert.

Was haben Körner, seine Konzernleitungsmannschaft und der Verwaltungsrat vor? In aller Kürze: das Investmentbanking eindampfen, frisches Geld über eine Kapitalerhöhung beschaffen, Tausende Stellen streichen. Im Großen und Ganzen waren diese Schritte zwar erwartet worden, aber die Einschnitte gehen tief.

Das Investmentbanking, das die Bank zuletzt immer wieder in die roten Zahlen zog und auch diesmal einen Vorsteuerverlust von 666 Millionen Franken verzeichnete, soll in den kommenden Jahren stark umgebaut werden. Erstens, das Beratungs- und Kapitalmarktgeschäft gliedert die Bank aus, es soll unter der wiederbelebten Marke First Boston betrieben werden. Den Großteil des Verbriefungsgeschäfts, zweitens, will die Bank an die Beteiligungsgesellschaft Apollo Global Management und die Allianz-Tochter Pimco verkaufen. Drittens: Der Bereich "Markets", also das Handelsgeschäft mit Aktien, Währungen und Anleihen, bleibt bei der Bank, soll sich aber eng an den Bedürfnissen der Kunden der Vermögensverwaltung und des Schweizgeschäfts orientieren. Und viertens will die Bank Geschäfte, die nicht-strategisch, wenig lukrativ und risikobehaftet sind, in eine Abwicklungseinheit ausgliedern. 2025, so der Plan, wird die einst große Investmentbanking-Einheit um 40 Prozent geschrumpft sein.

Die zweite große Ankündigung von Donnerstag betrifft die Sparziele

Diese Restrukturierung, so Ulrich Körner, werde helfen, aus der Credit Suisse eine "einfachere und stabilere Bank" zu machen. Dass die Bankspitze insbesondere beim Investmentbanking einen Neustart will, zeigt der ebenfalls am Donnerstag verkündete Abgang des bisherigen Chefs der Einheit, Christian Meissner.

Die zweite große Ankündigung von Donnerstag betrifft die Sparziele der Bank. Bis 2025 will die Credit Suisse ihre Kosten um 15 Prozent auf 14,5 Milliarden Franken senken. Das soll unter anderem mit einem massiven Stellenabbau erreicht werden: Von heute weltweit 52 000 Vollzeitstellen sollen in drei Jahren nur noch 43 000 übrig sein. Fast 3000 Stellen davon will die Bank schon bis Ende des Jahres streichen. Der Abbau ist weitreichend - doch die Credit Suisse muss sparen, wenn sie den Umbau meistern will. Allein die angekündigten Reformen werden sie nach eigenen Angaben 2,9 Milliarden Franken kosten.

Die Bank braucht also Geld - weshalb sie als dritte Maßnahme am Donnerstag wie erwartet auch eine Kapitalerhöhung ankündigte. Mit der Ausgabe neuer Aktien will die Credit Suisse vier Milliarden Franken aufnehmen. Es dürfte vor allem dieser Schritt sein, der die Anleger am Donnerstag am meisten beunruhigte: Wenn sich die Zahl der Aktien erhöht, sinkt der Gewinn pro Aktie. Kapitalerhöhungen sind deshalb ein bei Aktionären unbeliebtes Mittel, und Analysten zufolge ist sie bei der Credit Suisse nun höher ausgefallen als erwartet.

Zudem holt sich die Bank in ihrer Not wieder einmal Hilfe aus Nahost: Bereits in der Finanzkrise 2008 ließ sie sich vom katarischen Staatsfonds retten, der damit zum größten Einzelaktionär aufstieg. Im Rahmen der jetzigen Kapitalerhöhung will jetzt die Saudi National Bank bei der Credit Suisse einsteigen. Mit der geplanten Investition von 1,5 Milliarden Franken wird die saudische Nationalbank zum Großaktionär.

Es sind große Verschiebungen, die Konzernleiter Ulrich Körner und Verwaltungsratspräsident Axel Lehmann mit diesem Sanierungsprogramm in Gang setzen. Letztlich schicken sie sich an, aus der Credit Suisse eine kleine UBS zu machen: Die größte Schweizer Bank, die 2008 im Gegensatz zur Credit Suisse vom Staat gerettet werden musste, hat einen ähnlich radikalen Umbau bereits hinter sich, das Investmentbanking längst zurückgefahren und sich voll auf die stabile Vermögensverwaltung konzentriert. Seit einigen Jahren erntet sie die Früchte dieses Prozesses, das Geschäft läuft hervorragend.

Dass die UBS zum Vorbild taugt, sagen und schreiben Beobachter und Analysten schon lange. Es brauchte offenbar mehrere Skandale, milliardenschwere Fehltritte, eine praktisch komplett ausgewechselte Führungsmannschaft und nicht zuletzt die beiden ehemaligen UBS-Banker Körner und Lehmann, um den Rat endlich in die Tat umzusetzen. Die Bankspitze bezeichnet den Umbauprozess als "großartige Reise", für die sie "die richtigen Leute und den richtigen Fokus" hätte - ein großes Versprechen nach Jahren der stetigen Enttäuschung.

13 Milliarden Franken haben Kundinnen und Kunden der Credit Suisse zuletzt von der Bank abgezogen, wie aus dem Bericht zum dritten Quartal hervorgeht. Das zeugt von starkem Misstrauen gegenüber der Krisenbank - ebenso wie die heftige Kursreaktion am Donnerstag. "Wir müssen hart daran arbeiten, das Vertrauen wieder herzustellen", räumte Körner am Donnerstag denn auch ein. Eine Schlüsselrolle dabei wird die Unternehmenskultur spielen und ob es Körner und Lehmann gelingen wird, die Macht der Investmentbanker endlich zu brechen - zugunsten von dringend benötigter Stabilität, Sicherheit und Kontrolle.

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