Süddeutsche Zeitung

Schweizer Großbank:Der nächste Absturz der Credit Suisse

Die Aktie der Schweizer Großbank fällt so tief wie noch nie - schon wieder. Dabei sollte doch mit einer neuen Strategie und viel Geld alles besser werden. Aber offenbar fehlt das Vertrauen.

Von Isabel Pfaff und Meike Schreiber, Bern/Frankfurt

Bei der Credit Suisse erleben sie gerade Tage für die Geschichtsbücher - aber nicht im guten Sinn. Schon wieder markierte der Kurs der einst so stolzen Schweizer Großbank am Mittwoch ein historisches Tief: Am Nachmittag kostete eine Aktie rund 2,80 Franken, so wenig wie noch nie. Selbst im Vergleich zum alles andere als rosigen Vorjahr ist das eine verheerende Zahl. Und der letzte Kurssturz ist noch gar nicht lang her: Erst Anfang Oktober war die Aktie schon einmal heftig abgesackt, auf unter vier Franken - damals vor allem, weil in den sozialen Medien über den Untergang der Credit Suisse spekuliert wurde.

Letztlich kam es nicht dazu, der Kurs erholte sich wieder, und ein paar Wochen später setzte die angeschlagene Bank zum Befreiungsschlag an. Am 27. Oktober stellte das Führungsduo um Konzernleiter Ulrich Körner und Verwaltungsratspräsident Axel Lehmann einen radikalen Umbauplan vor: Die Credit Suisse, die mehrere Krisenjahre hinter sich hat und voraussichtlich bald das fünfte Verlustquartal in Folge verkünden muss, soll sich in eine kleine UBS wandeln. Wie die mächtige Konkurrenz soll auch aus der Credit Suisse in erster Linie ein Vermögensverwalter werden, das Investmentbanking soll stark schrumpfen und ein eiserner Sparkurs soll bald wieder Gewinne einbringen.

Die Kapitalerhöhung läuft nach Plan, Ruhe aber bringt sie nicht

Wichtigster Teil des Plans ist eine Kapitalerhöhung. Mit der Ausgabe neuer Aktien will die Credit Suisse vier Milliarden Franken frisches Geld einnehmen, damit soll der teure Umbau finanziert werden.

Auf einer außerordentlichen Generalversammlung am vergangenen Mittwoch stimmten mehr als 90 Prozent der Aktionäre für den Plan - obwohl eine Kapitalerhöhung die bestehenden Anteile verwässert. Nun ist das Vorhaben bereits in vollem Gang: Als Retter stieg wie angekündigt die Saudi National Bank mit etwa 1,5 Milliarden Franken und damit als Großaktionär ein. Jetzt sind die bestehenden Aktionäre dran. Sie haben Bezugsrechte für neue Aktien erhalten, die derzeit gehandelt werden können. Die neuen Aktien selbst sollen am 9. Dezember an die Börse kommen.

Man könnte also sagen: Es läuft alles nach Plan. Warum also der neuerliche Kurseinbruch?

Der erste Teil der Antwort hat mit dem Handel der Bezugsrechte zu tun. Der läuft offenbar rege - aber wenn viele Investoren ihre Anrechte lieber loswerden als nutzen wollen, setzt das auch die Aktie selbst unter Druck. Der zweite Teil hat mit einer brisanten Information zu tun, die die Credit Suisse am Tag ihrer Generalversammlung publizieren musste: Demnach haben im Zuge der Turbulenzen Anfang Oktober viele Credit-Suisse-Kunden ihr Geld abgezogen, bis zu 84 Milliarden Schweizer Franken, also rund sechs Prozent der insgesamt verwalteten Gelder. In der Vermögensverwaltung waren es sogar ganze zehn Prozent. Es ist ein Ausdruck des massiven Vertrauensverlusts, den die Bank allein in den vergangenen paar Monaten erlitten hat.

Nach eigenen Angaben konnte die Credit Suisse den Abfluss zwar bremsen, aber bis jetzt nicht stoppen. Und das ist ziemlich beunruhigend: Wenn Kundengelder abfließen, bröckelt auch das Fundament, auf dem die Bank ihre Zukunft aufbauen will. Gewinne rücken damit in noch weitere Ferne, was wiederum erneut Kunden abschreckt.

Die Bank steckt in einem gefährlichen Strudel

Damit ist die Bank in eine Art Strudel geraten. Parallel zum Absacken der Aktie stieg nämlich die Risikoprämie für so genannte Kreditausfallderivate der Credit Suisse am Mittwoch auf ein Rekordhoch. Mit diesen sogenannten Credit Default Swaps (CDS) sichern sich Investoren untereinander gegen Pleiten ab. Sie sind daher ein wichtiger Indikator dafür, wo die Marktteilnehmer die größten Risiken vermuten. Sich gegen eine Pleite innerhalb der kommenden fünf Jahre abzusichern, kostet im Fall der Credit Suisse derzeit ungefähr viermal so viel wie bei anderen großen Banken. Diese Derivate können bei Pleiten großer Unternehmen aber auch selbst gefährliche Kettenreaktionen auslösen.

Zugleich muss die Credit Suisse inzwischen vergleichsweise hohe Zinsen zahlen, wenn sie sich über Anleihen bei Investoren Geld besorgt - zuletzt bis zu 9,5 Prozent. Banken refinanzieren sich sowohl über Anleihen als auch über das Geld von Privatanlegern und Firmen auf ihren Konten. Die hohen Zinsen sind nicht nur ein Signal, dass das Geldhaus akut in Schwierigkeiten steckt, sondern erschweren mittelfristig auch den Weg hin zu einem belastbaren Geschäftsmodell. Die Bank hat damit hohe Beschaffungskosten und ist kaum noch wettbewerbsfähig. Je mehr sich wiederum dieser Eindruck verfestigt, desto weiter steigen die Zinsen und damit die Kosten. Hinzu kommt, dass Geschäftspartner der Bank wiederum zusätzliche Sicherheiten verlangen. Eine gefährliche Abwärtsspirale, aus der sich das Geldhaus - anders als erwartet - mit der Kapitalerhöhung nicht befreien konnte.

So machen nun wieder dunkle Vorahnungen in den sozialen Medien die Runde. Kann sich die Bank noch retten? Erholt sich der Aktienkurs womöglich, wenn der Handel mit den Bezugsrechten in einer guten Woche endet?

Die Credit Suisse selbst will die Entwicklungen nicht kommentieren. Indessen fragen sich immer mehr Schweizerinnen und Schweizer, ob der Staat bald wieder eine Großbank retten muss. In der Finanzkrise vor fast 15 Jahren war es die heute so erfolgreiche UBS, die Hilfe brauchte. Jetzt könnte es die Credit Suisse treffen. Konkrete Hinweise auf eine Rettung gibt es bislang zwar nicht. Aus dem Schweizer Staatssekretariat für internationale Finanzfragen (SIF) ist lediglich zu hören, dass die Finanzmarktaufsicht Finma "die Credit Suisse im Rahmen ihrer Aufsichtstätigkeit eng" begleite. Hinter den Kulissen könnten allerdings bereits Krisengespräche zwischen Finma, Nationalbank und schweizerischem Finanzministerium laufen, wie sie seit 2011 für solche Fälle vorgesehen sind.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5706817
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/sry
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.