Covestro, BASF und Co.:Wie die hohen Energiepreise die Chemieindustrie treffen

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Am Standort Brunsbüttel produziert Covestro unter anderem Hartschaum für die Gebäudedämmung. Nun könnte der Dax-Konzern arabische Eigentümer bekommen. (Foto: Covestro)

Wegen des Kriegs in der Ukraine fürchten Firmen wie Covestro und BASF, dass ihr wichtiger Rohstoff Gas knapp wird. Die Folgen dürften früher oder später auch Verbraucher spüren.

Von Elisabeth Dostert und Benedikt Müller-Arnold, Köln

Die Chemieindustrie ist ein Frühindikator: Wie die Geschäfte in der für Deutschland so wichtigen Branche laufen, ist ein Hinweis darauf, wie es in anderen Industrien in ein paar Monaten aussehen wird, wie sich Konjunktur und Inflation entwickeln dürften. Chemikalien wie Naphta oder Polyurethan erscheinen weit weg vom Alltag der Menschen, sind es aber nicht. Sie stecken in Lacken und Kunststoffen, in Kosmetika und Waschmitteln, in Verpackungen und Kunststoffglas.

Was die Chemiekonzerne dieser Tage im Rahmen ihrer Bilanzvorlagen mitteilen, gibt durchaus Anlass zur Sorge. Das Leben dürfte teurer werden, weil Energiepreise infolge des Krieges in der Ukraine steigen könnten, und Firmen daraufhin mehr Geld für ihre Produkte verlangen. Aber man spürt auch: So wenige Tage nach der Invasion Russlands in der Ukraine sind Prognosen schwierig. Niemand weiß, wie lange der Konflikt andauern wird.

Vor allem der starke Anstieg der Erdgaspreise trifft die Chemieindustrie gleich doppelt: Sie braucht zum einen den Energieträger, den Deutschland bislang vor allem aus Russland importiert, für ihre eigene Strom- und Dampferzeugung. Zum anderen ist Erdgas ein wichtiger chemischer Rohstoff, etwa für Stickstoffdünger, für Wasserstoff oder auch den Kraftstoff-Zusatz Adblue, dessen Preis in den vergangenen Monaten merklich gestiegen ist. Insgesamt entfallen etwa 15 Prozent des gesamten Erdgas-Bedarfes Deutschlands auf die Chemieindustrie.

Das spürt zum Beispiel Covestro. Das energieintensive Dax-Unternehmen stellt Kunststoffe her, die beispielsweise als Gehäuse von Laptops oder Smartphones dienen, als Schaumstoff in Matratzen oder Autositzen stecken oder als Dämmstoff in Häusern und Kühlschränken. Im Corona-Krisenjahr 2020 mussten die Leverkusener "nur" knapp eine halbe Milliarde Euro für Energie ausgeben: Zu Beginn der Pandemie waren Erdgas oder Strom zeitweise recht günstig, auch Covestro produzierte mitunter weniger Kunststoffe und brauchte weniger Energie.

Doch schon im vergangenen Jahr seien die Energiekosten auf etwa eine Milliarde Euro gestiegen, sagt Finanzchef Thomas Toepfer: Branchen wie die Auto- oder Elektronikindustrie benötigten wieder mehr Material; Gas und Strom wurden vor allem Ende 2021 deutlich teurer in Europa. Nach den jüngsten Turbulenzen erwartet der Konzern, dass er in diesem Jahr etwa 1,5 Milliarden Euro alleine für Energie bezahlen dürfte.

Nicht jedes Unternehmen kann höhere Kosten an die Kundschaft weiterreichen

Was für andere Firmen womöglich ein existenzbedrohender Kostenanstieg wäre, hat Covestro zumindest im vergangenen Jahr an die Kundschaft weitergereicht: Über weite Strecken des Jahres sei man "praktisch ausverkauft" gewesen, sagt Toepfer. Das Unternehmen verkaufte mehr Kunststoffe zu deutlich höheren Preisen, der Gewinn stieg auf 1,6 Milliarden Euro.

Auf das laufende Jahr blickt Covestro nun vorsichtiger, prognostiziert einen leichten Rückgang des Gewinns, vor allem wegen der teureren Energie und weil das Unternehmen einen schärferen Wettbewerb erwartet. Finanzchef Toepfer sagt gleichwohl: "Wir gehen weiterhin davon aus, dass wir diese gestiegenen Kosten größtenteils oder vollständig an unsere Kunden weitergeben können."

Entwicklung eines Kühlerschutzmittels für Batteriefahrzeuge: BASF gelang es im vergangenen Jahr, höhere Energiekosten an die Kundschaft weiterzugeben. (Foto: Andreas Pohlmann/OH)

Doch genau das gelingt längst nicht jeder Chemiefabrik. Beispielsweise häuften sich schon Ende 2021 Meldungen, wonach Firmen die erdgasintensive Ammoniak-Produktion in Deutschland gedrosselt haben, nachdem der Energieträger deutlich teurer geworden war. Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine sind die Gaspreise im Großhandel abermals gestiegen.

Die Branche blicke mit großer Sorge auf die Eskalation, heißt es vom Verband der Chemischen Industrie (VCI). "Wirtschaftlich könnte die Lage für energieintensive Branchen sehr problematisch werden, sollte Gas in Europa knapp werden", sagt Hauptgeschäftsführer Wolfgang Große Entrup. "Den Chemieunternehmen drohen in diesem Fall explodierende Preise für Erdgas bei einem ohnehin historisch extrem hohen Preisniveau."

Die Chemiebranche braucht Erdgas sowohl als Energieträger als auch als Rohstoff für Prozesse

Auch der weltgrößte Chemiekonzern BASF musste allein im letzten Quartal 2021 infolge der höheren Gaspreise Mehrkosten in Höhe von etwa 800 Millionen Euro verkraften. Vorstandschef Martin Brudermüller rechnet nicht mit einer schnellen Erholung.

Zwar können sich vor allem große Konzerne mit verschiedenen, langjährigen Lieferverträgen vor kurzzeitigen Preiskapriolen schützen. Doch selbst der langfristigste Vertrag läuft irgendwann mal aus.

Was die Stromversorgung betrifft, haben viele Betriebe den Vorteil, dass sie sich in sogenannten Chemieparks angesiedelt haben: Deren Betreiber versorgt die Fabriken vor Ort zentral mit Strom und Dampf, allen voran mit eigenen und vergleichsweise effizienten Gaskraftwerken. Schwieriger schaut die Lage für kleinere Firmen außerhalb der Chemieparks aus: Sie sehen sich neben dem Gaspreis- auch mit einem Strompreisanstieg konfrontiert.

Ob es Herstellern wiederum gelingt, die höheren Kosten weiterzureichen, hängt vom Wettbewerbsdruck ab: Je spezieller und unverzichtbarer seine Produkte, desto wahrscheinlicher gelingt dies.

Covestro-Chef Markus Steilemann bezeichnet die Energie-Krise auch als Weckruf an alle, die bislang noch daran gezweifelt hätten, dass sich die Industrie von fossilen Rohstoffen lösen sollte. So hat die frühere Bayer-Tochter schon einige Verträge abgeschlossen, um im großen Stil Windstrom für Werke in Deutschland und Belgien oder Solarstrom in China einzukaufen. Und weitere Abschlüsse sollen folgen, sagt Steilemann: "Wir werden sukzessive auf erneuerbare Energien umsteigen."

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