Steuertransparenz:Zeigt her eure Zahlen

EU-Gipfel in Brüssel, 2017

Verhandlungen in Brüssel: Für mehr Steuertransparenz gibt es derzeit keine Mehrheit.

(Foto: Natalie Neomi Isser)
  • Die EU-Staaten diskutieren, ob Konzerne offenlegen müssen, wie viel Gewinne sie je Land machen - und wie viele Steuern sie darauf zahlen.
  • Zuletzt hatte die SPD auf diese Lösung gedrängt. Eine Mehrheit in Europa ist aber nicht in Sicht, zeigt ein Protokoll der jüngsten Sitzung.

Von Bastian Brinkmann

Zum Beispiel Apple: Wie viel Gewinn macht der Konzern in Deutschland? Große Aktiengesellschaften müssen viele Informationen offenlegen, diese gehört aber nicht dazu. In Apples Pflichtveröffentlichung finden sich keinerlei Informationen darüber, was der Konzern hierzulande umsetzt, wie viele Mitarbeiter er beschäftigt - und was das deutsche Finanzamt am Ende davon hat. Mehr Transparenz bei diesen Daten soll die Steuerflucht großer Unternehmen eindämmen helfen, weil sie sich dann öffentlich rechtfertigen müssten. Die Europäische Kommission hat schon 2016 eine entsprechende Richtlinie vorgelegt. Doch es sieht nicht danach aus, als würde sie bald umgesetzt werden. Der Widerstand in Europa ist zuletzt sogar größer geworden. Das geht aus einer diplomatischen Korrespondenz hervor, die der Brüsseler Vertreter der Bundesrepublik an das Auswärtige Amt in Berlin geschickt hat. Das Papier liegt SZ, NDR und WDR vor.

Dabei war das jüngste Treffen der zuständigen Arbeitsgruppe Ende Oktober von manchen mit Hoffnung aufgeladen worden. Im September hatte Finanzminister Olaf Scholz verkündet, die Idee zu unterstützen, die in Fachkreisen Country-by-Country-Reporting heißt, weil die Konzerne Informationen Land für Land vorlegen müssten. Das war bemerkenswert. Deutschland war bislang einer der größten Blockierer. In Brüssel wurde jedoch deutlich, dass Scholz die Unions-Minister nicht an seiner Seite hat. Die Abstimmung in der Bundesregierung dauere noch an, hieß es. Wenn eine Regierung sich nicht einig ist, zählt das in Brüssel als Nein-Stimme. "Wenn sich die Bundesregierung mit Steueroasen wie Luxemburg und Mafia-Staaten wie Malta gemein macht, beschädigt dies die europäische Idee", kritisiert Fabio De Masi, Finanzexperte der Linkspartei im Bundestag. "Scholz hat sich erst bewegt, als es um den SPD-Parteivorsitz ging."

Die Liste der ablehnenden Länder ist mittlerweile sogar länger geworden. Bei der vorigen Sitzung im Januar waren elf Mitgliedsstaaten dafür, das Projekt zügig voranzutreiben, die Mehrheit äußerte sich skeptisch bis ablehnend. Nun sind es nur noch zehn Regierungen, die sich positiv äußern. Polen ist in das Lager der Gegner gewechselt. Das ist wichtig, weil über die Richtlinie per Mehrheit entschieden werden soll, da kommt es für die Befürworter auf jede Stimme an. Steuerfragen verlangen in der EU eigentlich Einstimmigkeit, weil sie das zentrale Haushaltsrecht berühren. Die Konzerntransparenz wird jedoch in der Arbeitsgruppe für Gesellschaftsrecht verhandelt, in der es um die Rechtsformen von Unternehmen geht. Hier reicht eine sogenannte doppelte Mehrheit: Es müssten 16 von 28 Mitgliedsstaaten zustimmen, die außerdem mindestens 65 Prozent der Bevölkerung vertreten.

Würde Deutschland in das Lager der Befürworter wechseln, wäre wegen der hohen Einwohnerzahl die zweite Hürde genommen, falls man auch Frankreich zu den Ja-Stimmen zählt. Paris äußerte sich im Oktober laut Korrespondenz zwar "verhaltener" als zuletzt, will das Thema aber auch weiter vorantreiben. Die Transparenz-Anhänger müssten also mindestens noch drei Mitgliedsstaaten gewinnen.

CDU-Wirtschaftsminister Altmaier stellt sich gegen die SPD-Minister

Doch ohne Zustimmung in der unionsgeführten Ministerien in Berlin bliebe das wohl vergebliche Mühe. Das Bundesfinanzministerium pochte auf Anfrage weiterhin auf "mehr Transparenz", damit auch internationale Konzerne "ihren fairen Beitrag zum Gemeinwesen" leisteten, sagte ein Sprecher. Zu den Mitteln gehöre auch das Country-by-Country-Reporting. Die Federführung für das Thema liegt in der Regierung beim Justizministerium von Christine Lambrecht (SPD). "Der Vorschlag fördert eine informierte öffentliche Debatte und Kontrolle", sagte eine Sprecherin des Justizministeriums.

Gegen das öffentliche Country-by-Country-Reporting hat sich Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) ausgesprochen. Die Sorge auch von Wirtschaftsverbänden ist, dass deutsche Konzerne Informationen veröffentlichen müssten, während ihre Konkurrenten außerhalb der EU dieser Pflicht nicht unterlägen. "Ein öffentliches Reporting würde deutsche Unternehmen im internationalen Wettbewerb benachteiligen", schrieb Altmaier in seiner kürzlich vorgestellten Mittelstandsstrategie. Außerdem würde die OECD-Lösung infrage gestellt. Über die OECD haben sich 90 Staaten dazu verpflichtet, Country-by-Country-Berichte auszutauschen, vorigen Sommer flossen die ersten Informationen. Diese gehen direkt an die Finanzämter und sind vertraulich, also nichtöffentlich. Das war für viele Staaten Bedingung, um mitzumachen. Würde die EU jetzt das Steuergeheimnis für die Konzerndaten aufheben, könnte das den OECD-Kompromiss gefährden, fürchtet man im Wirtschaftsministerium: Drittstaaten bräuchten dann ja nichts mehr liefern, wenn die Daten der Konzerne mit Sitz in der EU ohnehin öffentlich wären.

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