Corporate Social Responsibility:Schauma für Afrika, Dove für Kinder

Überall zeigt sich die Industrie plötzlich verantwortungsvoll, will helfen, schützen, Gutes tun. Von der Rettung vor Magersucht bis zur Rettung des Regenwaldes steht alles auf dem Programm.

Klaus Wieking

Anzeigen in Publikumstiteln, Spots in TV und Kino, dazu Broschüren und PR-Programme - der Mediadruck, den Unilever mit der "Dove Aktion für mehr Selbstwertgefühl" entfacht, ist enorm. Nachdem die Dove-Kampagne mit Frauen ohne 90-60-90-Maße ("Keine Models, aber straffe Kurven") super-erfolgreich war, dreht die Pflegemarke das Konzept weiter.

Corporate Social Responsibility: Mit Anzeigen fahndeten die SOS-Kinderdörfer nach Partnern aus der Wirtschaft, die sich für die Organisation engagieren wollen.

Mit Anzeigen fahndeten die SOS-Kinderdörfer nach Partnern aus der Wirtschaft, die sich für die Organisation engagieren wollen.

(Foto: Foto: w&v)

Jetzt will Dove nicht nur Frauen helfen, mit den Widrigkeiten eines unperfekten Äußeren klar zu kommen, sondern auch Jugendliche mit sich selbst versöhnen. Kooperationspartner ist u.a. das "Frankfurter Zentrum für Ess-Störungen". "Als globale Marke wollen wir Verantwortung übernehmen", so Brand-Managerin Nicole Ehlen. Bis 2008 will Unilever mit der Aktion eine Million Kinder weltweit erreichen.

Verantwortungsgefühl hat derzeit heftig Konjunktur

Allianzen zwischen Marken und Unternehmen auf der einen und Non-Profit-Organisationen, kurz NGO's, auf der anderen Seite sind nicht neu, haben aber derzeit heftig Konjunktur. Im großen Stil forcieren Firmen ihr gesellschaftliches Engagement und wollen es als PR- und Marketinginstrument nutzen. Im Wettbewerb, um sich von der Konkurrenz zu differenzieren. In der Kommunikation mit Finanzmärkten, Analysten und der Politik, neudeutsch Stakeholder. Innerhalb der internen Kommunikation. Und nicht zuletzt in der Produkt-PR.

Überall demonstriert die Industrie plötzlich Verantwortung, will helfen, sammeln, schützen, Gutes tun. Von der Rettung vor dem Diät-Wahnsinn bis zur Rettung des Regenwalds ist alles im Programm. Ein paar aktuelle Beispiele: Schauma wirbt mit den Unesco-Botschaftern und Milchschnitte-Brüdern Klitschko für Schulen in Afrika; der Papierhersteller SCA sammelt beim Verkauf der Toilettenpapiermarke Danke Geld für den WWF; Masterfoods unterstützt über die Marken Whiskas und Pedigree Kinder;

Der Oberbegriff: Corporate Social Resposibility

Waschmittelhersteller wie Procter & Gamble und Colgate gründen die "Nachhaltigkeitsinitiative" Charter;der Modefilialist New Yorker unterstützt die "United Kids Foundation", eine Hilfsorganisation für Kinder. Subsumiert werden solche Aktivitäten unter dem Begriff Corporate Social Responsibility (CSR).

Eine international vernetzte Begriffshuber-Industrie ist bislang vergeblich darum bemüht, verbindlich zu klären, was hinter den drei Großbuchstaben steckt, wo die Trennlinie zu Corporate Citizienship verläuft und was das Ganze eigentlich mit Corporate Gouvernance zu tun hat.

Schauma für Afrika, Dove für Kinder

Eine der kürzeren CSR-Definitionen lautet, dass Firmen über das gesetzlich vorgeschriebene Maß hinaus soziale und ökologische Belange in ihre Geschäftstätigkeit integrieren müssen. Einig sind sich die Auguren aus Wissenschaft und Kommunikationswirtschaft immerhin darüber, dass das Thema schwer im Kommen ist.

Corporate Social Responsibility: Die Pflegemarke Dove will Kindern und Jugendlichen, die nicht dem gängigen Schönheitsideal entsprechen, zu mehr Selbstbewusstsein verhelfen.

Die Pflegemarke Dove will Kindern und Jugendlichen, die nicht dem gängigen Schönheitsideal entsprechen, zu mehr Selbstbewusstsein verhelfen.

(Foto: Foto: w&v)

"CSR hat enorm an Bedeutung gewonnen", erklärt die Expertin Birgit Riess von der Bertelsmann-Stiftung, die sich mit Studien und Vorträgen um die Verbreitung des CSR-Gedankens im Nadelstreifen-Milieu bemüht. Inzwischen bezieht die Stiftung Warentest CSR-Faktoren in ihre Tests ein, und das Manager-Magazin legt ein CSR-Ranking auf.

10,3 Milliarden für gemeinnützige Zwecke

Eine von Forsa erstellte Studie beziffert die Summe, die deutsche Unternehmen jährlich für gemeinnützige Zwecke ausgeben, auf 10,3 Milliarden Euro. Die Deutsche Bank etwa, die derzeit die Inszenierung der "Dreigroschen-Oper" finanziert, gibt für ihre Kulturarbeit im Jahr bis zu 80 Millionen Euro aus. Fast jeder vierte (24 Prozent) der 1000 von Forsa befragten Unternehmer hat sein Engagement für öffentliche Aufgaben verstärkt (gleichbleibend: 64 Prozent; rückläufig: 12 Prozent).

Gutes tun fiel Deutschlands Unternehmern bislang jedoch leichter, als darüber zu sprechen. "Deutsche Unternehmen machen sehr viel. Das hat aber noch nichts damit zu tun, dass das hervorragend kommuniziert wird", erklärt Andreas Steinert, Berater bei der PR-Agentur Pleon Kohtes Klewes.

Die Vermengung von Geschäft und Moral war in Deutschland verpönt

Das Thema CSR lasse sich fast auf jeder Kommunikationsoberfläche spielen. Doch anders als ihre US-amerikanischen Kollegen, die Charity systematisch zur Eigenwerbung einsetzen, hielten bislang viele deutsche Manager die Vermengung von Geschäft und Moral für degoutant und PR-untauglich. Für die Medien seien ohnehin nur bad news good news, meint der CSR-Experte eines Technologieunternehmens.

Inzwischen gibt es aber Anzeichen eines Sinneswandels, der nicht zuletzt aus dem Legitimationsdruck resultiert, unter dem die Wirtschaft steht. So mühen sich Firmen, ihre CSR-Aktivitäten stärker in die Außendarstellung einzubinden. Etwa Beiersdorf. Der multinationale Konzern (Nivea etc.) sponsert über 300 soziale Projekte, in Deutschland unterstützen die Hamburger seit Jahrzehnten den Wettbewerb "Jugend forscht" und die "Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft".

Schauma für Afrika, Dove für Kinder

Mit dem Support nach dem Gießkannen-Prinzip soll nun Schluss sein. "Wir werden uns eine Hand voll Leuchtturm-Projekte suchen", kündigt Manuela Rousseau, Leiterin PR-Programme und Corporate Citizienship, an. Was zur Marke Beiersdorf, was zum Profil passe, werde künftig eine entscheidende Rolle spielen.

Auf Bündelungseffekte hofft auch Siemens bei der Neuordnung seiner CSR-Aktivitäten. 2005 packte der Münchner Technologie-Konzern Teile seines gemeinnützigen Tuns unter die "Dachmarken" "Siemens Generation 21" (Bildung) und "Caring Hands" (Soziales). Für die Programme wurden eigene Werbemittel und Aktionszeichen entwickelt. Die Bündelung sei auch im Sinne einer "größeren Sichtbarkeit" geschehen, erläutert Senior Consultant Bettina Schmidt-Breitenstein.

Das Geschäft mit der Moral ist nicht ohne Risiko

Der Image-Gewinn solcher Engagements, das wissen die CSR-Experten genau, ist allenfalls ein langfristiger. Zudem ist die Herausstellung solcher Aktivitäten nicht ohne Risiko. Schnell könnte den Unternehmen ihr CSR-Engagement als "Window Dressing" auslegt werden und kritische Geister herausfordern, genauer hinzusehen.

Solchen Gefahren zum Trotz haben derzeit unter dem Banner der Gemeinnützigkeit Allianzen zwischen Marken und NGO"s eine echte Sonderkonjunktur. "Hier ist ein echter Trend zu beobachten", erklärt Joachim Tomesch, bei Unicef Deutschland für die Spendenakquise zuständig.

Nachfrage nach Kooperationen hat sich verdoppelt

Die Nachfrage nach solchen Kooperationen habe sich verdoppelt. Die Zahl der Marken, die Wohltätigkeit in ihre Kommunikation einbinden, ist inzwischen Legion: Kekshersteller Griesson-de Beukelaer sammelt mit der Unicef für Schulen in Afrika; Volvic hilft, ebenfalls im Verein mit Unicef, Brunnen in Äthiopien zu bohren; Krombacher treibt mit und für das Deutsche Kinderhilfswerk, die Deutsche Knochenmarkspenderdatei (DKMS) und den WWF Spenden ein und und und ...

"Cause Related Marketing" heißt diese neue Spielart der Werbung und sieht nach einer Win-Win-Situation aus: Die Labels profitieren vom guten Ruf der gemeinnützigen Organisationen, die NGO"s von den Spenden und der Media-Power der Marken. "Eine große Kampagne könnten wir uns alleine gar nicht leisten", sagt Stephan Schumacher, Marketer bei der DKMS.

Schauma für Afrika, Dove für Kinder

Die Wirklichkeit sieht indes anders aus. Bei 90 Prozent der Anfragen, so Unicef-Mann Tomesch, wüssten weder die Unternehmen noch die Agenturen, was sie eigentlich genau wollen. Ähnliches vermeldet SOS-Kinderdörfer. "Bei den meisten Kooperationsangeboten geht es eindeutig um Verkaufsförderung", erklärt Thomas Marschall, Chef der Marketinggesellschaft der SOS-Kinderdörfer. Oft fehlen den Anrufern selbst rudimentäre Kenntnisse über den potenziellen Partner.

Entsprechend gering ausgeprägt sind die Kenntnisse, wie operativ mit einem so sensiblen Thema umzugehen istDa werden Marken und Engagements zusammengezwungen, die nichts miteinander zu tun haben (Schauma/Schulen in Afrika), eine Spende mit einem Produktkauf gekoppelt (8 Rollen Klopapier = 5 Cent für den WWF), die Endsumme einer Spendenaktion nicht genannt (Griesson-de Beukelaer) oder ein PR-Erfolg willkürlich weitergedreht (Dove Aktion für mehr Selbstwertgefühl).

Der Hauch des Marketinggags

Heraus kommen auf diese Weise viele kurzatmige Werbeaktionen, die stets der Hauch des Marketinggags umweht und die weder der guten Sache noch dem guten Firmennamen dienen. "Noch weiß keiner so recht, wie er mit Cause related Marketing umgehen soll", meint Claudia Blankenfeld, deren Agentur Making Sense sich auf Charity-Themen spezialisiert hat.

Deutlich professioneller, da erfahrener, gehen zumindest die großen NGO"s mit Kooperationen um. "Marken" wie SOS-Kinderdörfer oder Unicef setzen beispielsweise einen Screening-Prozess auf, um adäquate Partner zu finden. Dabei überprüft Unicef selbst die Firmenbeteiligungen möglicher Partner. Generell bevorzugen die NGO"s statt kurzer Liaisons langfristige Kooperationen, die zudem den Vorteil haben, authentisch zu wirken.

Symbiotische Beziehungen möglich

Solche Partnerschaften können zu geradezu symbiotischen Beziehungen mit gegenseitigen Besuchen, Symposien und Volunteer-Programmen führen, berichtet SOS-Marketer Marschall, dessen Organisation u.a. WMF, Obi, Vorwerk und Beiersdorf zu ihren Dauer-Sponsoren zählt. Mit solchen Partnern packen die NGO's auch PR-Pakete inklusive gemeinsamer Pressekonferenzen, Bereitstellung des Logos, Entwicklung gemeinsamer Produkte etc.

Solche tiefen Kooperationen aber sind die Ausnahme, die Spendenakquise mit Partnern aus der Industrie steckt noch in den Kinderschuhen. Bei SOS-Kinderdörfer Deutschland machen Firmenspenden nur zwischen zwei bis drei Prozent des jährlichen Aufkommens von rund 120 Millionen Euro aus. Der Trend zeigt indes nach oben. "Kooperationen wird es vermehrt geben, da bin ich zuversichtlich", meint DKMS-Manager Schumacher.

Auch das Thema Corporate Social Responsibility wird den Unternehmen erhalten bleiben, zumal der Druck auf die Wirtschaft, sich nachhaltig und glaubwürdig gesellschaftlich zu engagieren, hoch bleiben wird. Damit bleibt CSR als wichtiger Bestandteil von Corporate Communications auf der Agenda der Kommunikatoren - also noch viel Überzeugungsarbeit für die CSR-Experten.

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