Süddeutsche Zeitung

Weltwirtschaft:Das Coronavirus wird zum Wachstumshemmer

Die ökonomischen Folgen des Coronavirus dürften weit größer sein als bisher gedacht - deutlich mehr als bei der Sars-Epidemie 2003. In Deutschland ist eine Schlüsselindustrie besonders betroffen.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Schlag auf Schlag werden nun die ökonomischen Auswirkungen der Corona-Seuche sichtbar, etwa am Donnerstag. Da wird bekannt, dass die Autoverkäufe in China im Januar 2020 um 20 Prozent eingebrochen sind, verglichen mit den Vorjahresdaten. Die Hauptursache dafür, schreiben Ökonomen der Forschungsabteilung der Commerzbank, scheine die Sperrung der Stadt Wuhan am 23. Januar 2020 zu sein. Nach der Abriegelung mehrerer Millionenstädte sei die Nachfrage massiv zurückgegangen.

Und erst kurz zuvor hatte eine andere Nachricht Aufsehen erregt. Die Mobilfunkmesse Mobile World Congress in Barcelona wurde abgeblasen. Der US-Handelsriese Amazon hatte als Erster seine Teilnahme abgesagt. LG Electronics, Ericsson und Nvidia folgten. Schließlich musste der Veranstalter die Messe, bei der Menschen aus aller Welt aufeinandergetroffen wären, ganz absagen. Ein möglicher Ausbruch des Virus mache das Event unmöglich.

Auch die Airlines spüren inzwischen die Auswirkungen. Lufthansa hat die Flüge nach Peking und Shanghai bis zum 29. Februar ausgesetzt. Nanjing, Shenyang und Qingdao werden gar bis zum 28. März nicht angeflogen. Das heißt auch, dass die Lufthansa auf eingeplante Umsätze verzichten muss, wie andere europäische Fluggesellschaften auch.

Abgesagte Großveranstaltungen, einbrechende Umsätze - wie sehr wird das die Weltwirtschaft bremsen und das Wachstum der deutschen, exportorientierten Volkswirtschaft? Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hält sich bedeckt, Voraussagen seien schwierig. Bisher rechne er damit, "dass das Wachstum im Jahr 2020 in China um einen Prozentpunkt geringer ausfallen könnte", sagt seine Sprecherin. Jedenfalls dann, wenn man den Verlauf der Sars-Pandemie aus dem Jahre 2002/2003 zugrunde lege und die chinesische Regierung nicht wirtschaftspolitisch gegensteuere.

Peking schweigt sich aus. Die Handelsdaten für Januar sind noch nicht veröffentlicht

Renommierte deutsche Ökonomen wie Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, sind deutlich besorgter. "Es zeichnet sich ab, dass die Folgen gravierender sein werden als beim Ausbruch von Sars", sagt Fratzscher. Das Coronavirus könne sich auf die Weltwirtschaft aber "signifikant höher" auswirken, weil Chinas Wirtschaft heute mehr als dreimal größer und Chinas Anteil am Welthandel um ein Vielfaches höher sei als damals. Fratzscher sagt, die Corona-Seuche verunsichere Verbraucher ebenso wie Investoren und Unternehmer. Absagen von Messen wie die in Barcelona spiegelten diese Verunsicherung wider, "die sich wirtschaftlich in gebremstem Konsum und geringeren Investitionen niederschlagen dürfte".

Peking schweigt derweil über das Ausmaß der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Seuche und verzögert die für vergangenen Freitag vorgesehene Veröffentlichung der chinesischen Handelsdaten für Januar. Modellrechnungen zufolge könnte eine wirtschaftliche Abschwächung Chinas die Wirtschaft des Euro-Raums um bis zu 0,25 Prozent bremsen; in Deutschland noch etwas mehr.

Deutsche Autobauer erzielen in China ein Drittel ihrer Gewinne. Breche die Nachfrage in China ein oder werde die Wertschöpfungskette gestört, würde dies vor allem die deutsche Wirtschaft hart treffen. Im Bundeswirtschaftsministerium verweist man zudem darauf, dass etwa zwei Prozent aller in Deutschland verarbeiteten Vorleistungen aus China kommen. Sollten die Lieferungen ausbleiben, könnten KfZ-Teile durch einheimische Zulieferer ersetzt werden. Schwieriger sei das für elektronische Erzeugnisse.

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SZ vom 14.02.2020/mxh
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