Steuereinnahmen in Corona-Zeiten:In Städten und Gemeinden geht die Angst um

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Ein maroder Gehweg. Wegen der Corona-Einschränkungen nehmen die Kommunen weniger Steuern ein, Geld, das für Sanierungen fehlt. (Foto: Oliver Berg/dpa)
  • Die Corona-Krise trifft die Kommunen mit beispielloser Wucht.
  • Der Deutsche Städte- und Gemeindebund geht davon aus, dass die Auswirkungen drastischer sein werden als bei der Finanz- und Wirtschaftskrise.
  • Viele Firmen haben Steuerstundungen beantragt. Zudem brechen Einnahmen in öffentlichen Einrichungen weg, während Fix- und Personalkosten aber weiterhin anfallen.

Von Uwe Ritzer, München

Sie haben sich allerhand vorgenommen in Neuenrade, einem 12 200 Einwohner zählenden Städtchen im Märkischen Kreis. Die Kita und eine Schule sollen saniert werden, ebenso zwei Plätze und der Gehweg an der Bahnhofstraße. Insgesamt zwei Millionen Euro will Neuenrade in diesem Jahr investieren, gar 3,6 Millionen sollen es 2021 sein. So war der Plan. Nun aber trifft die Corona-Krise die Kleinstadt im Sauerland wie alle deutschen Kommunen mit beispielloser Wucht.

"Spätestens als das öffentliche Leben so drastisch runtergefahren wurde, war mir klar, dass unsere Stadtfinanzen massiv bedroht sind", sagt Gerhard Schumacher, 58. Als Kämmerer ist er seit 19 Jahren zuständig für die Finanzen von Neuenrade. "Das erste Quartal wird auf der Einnahmenseite noch einigermaßen gelaufen sein", schätzt er. "Aber im Rest des Jahres werden wir erhebliche Einbußen haben."

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Ob in Millionenstädten oder in winzigen Landgemeinden - überall hat das große Rechnen begonnen. Und überall wächst die Sorge. "Die Corona-Krise wird die Kommunen härter treffen als die Finanz- und Wirtschaftskrise", sagt ein Sprecher des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. Damals gingen allein die Gewerbesteuereinnahmen um 20 Prozent zurück. Ein erster, seriöser Kassensturz wird am 15. Mai möglich, wenn Unternehmen die nächste Rate ihrer Gewerbesteuer-Vorauszahlung an die jeweilige Kommune überweisen müssen. Dieses Mal werden die Zahlungen tröpfeln, bestenfalls.

Die Gewerbesteuer-Einnahmen werden wohl deutlich sinken

Denn viele Firmen haben angesichts massiv geschrumpfter oder ganz zum Erliegen gekommener Geschäfte Steuer-Stundungen beantragt. Landauf, landab rechnen Kämmerer damit, dass auch im Rest des Jahres deutlich weniger Gewerbesteuer fließen wird als kalkuliert. Frankfurt am Main etwa geht von einer Halbierung auf eine Milliarde Euro aus, in Hamburg ist von 1,65 Milliarden Euro weniger Gewerbesteuer die Rede.

Selbst wenn die Beschränkungen gelockert und das wirtschaftliche Leben wieder angekurbelt werden sollten, werden die Kommunen die Auswirkungen der Pandemie in ihren Kassen noch lange spüren. Weil Firmen Gewerbesteuer zurückverlangen und längerfristig auch weniger bezahlen werden. Und weil der Anteil, den Kommunen von der Einkommensteuer ihrer Bürgerinnen und Bürger kassieren, weniger wird, je mehr Menschen kurzarbeiten oder arbeitslos sind. Was umgekehrt die Sozialausgaben treibt.

Derweil brechen Städten und Gemeinden die Einnahmen weg. Weil Zoos, Kitas, Büchereien, Bäder oder Theater geschlossen sind und kaum noch jemand Bus, Tram- oder U-Bahn fährt, die Fixkosten etwa für das Personal aber weiter zu Buche schlagen. In vielen Großstädten schlägt durch, dass auf Flughäfen, in Häfen oder Messezentren nichts mehr geht, an deren Erlösen die Kommunen beteiligt sind.

Der deutsche Städtetagspräsident und Leipziger Oberbürgermeister Burkhard Jung befürchtet 2020 ein Defizit in zweistelliger Milliardenhöhe. Hans-Günter Henneke, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Landkreistages, geht von 18 Milliarden Euro weniger aus, davon allein zwölf Milliarden durch Gewerbesteuerausfälle.

Eine Kommune nach der anderen zieht bereits die Notbremse. In Neuenrade etwa, der Kleinstadt im Sauerland, hatte Kämmerer Schumacher mit "Gewerbesteuer in der Größenordnung von etwa acht Millionen Euro gerechnet. Jetzt befürchte ich, dass es bestenfalls vier oder fünf Millionen sein werden." Weshalb er sich auf einen Nachtragshaushalt einstellt. Selbst bei kleinen Dingen soll gespart werden, wie dem neuen Mobiliar für den Sitzungssaal, oder die neue Beleuchtung der Kulturvilla.

Und natürlich stellt sich die Frage nach neuen Schulden. In der Finanzkrise musste Neuenrade Kassenkredite aufnehmen, um liquide zu bleiben, in der Spitze acht Millionen Euro. Bis 2019 hatte man den Betrag halbiert. "Nun wird das wieder hochgehen", fürchtet Schumacher.

Selbst bei kleinen Dingen soll gespart werden, wie dem neuen Mobiliar für den Sitzungssaal

Andere Kommunen, wie Albstadt und Rheinfelden in Baden-Württemberg oder Gera und Gotha in Thüringen, haben bereits Haushaltssperren erlassen. Die Kölner Kassenverwalterin Dörte Diemert wies alle Dienststellen und Dezernate der Stadt an, höchste Ausgabendisziplin zu üben, ihre Etats laufend zu prüfen und, wo möglich, auf genehmigte Ausgaben zu verzichten. Neues müsse "auf ein Minimum beschränkt" werden, eingekauft werden darf nur noch das Nötigste und was unbedingt "zur Krisenbewältigung erforderlich" sei.

In Wuppertal rechnet Stadtkämmerer Johannes Slawig mit Zusatzausgaben von bis zu 150 Millionen Euro. "Nach Corona wird Wuppertal eine andere Stadt sein", prophezeit er. Sein Offenbacher Kollege Peter Freier sagt: "Diese Krise wird tiefe Spuren hinterlassen." In Baden-Baden warnte Oberbürgermeisterin Margret Mergen bereits vor dem Schlimmsten. "Ich weiß nicht, wie am Ende unsere Finanzen aussehen werden - wahrscheinlich verheerend."

Von heute auf morgen hat Covid-19 die Lage verkehrt. Rathauspolitiker und Kämmerer waren es in den vergangenen Jahren gewohnt, dass die Steuereinnahmen sprudelten. Entsprechend optimistisch wurden die Haushaltspläne für das laufende Jahr, die vor dem Ausbruch der Corona-Krise beschlossen wurden, geplant. Nun droht vielerorts das Geld bald auszugehen. Bürgerinnen und Bürger müssen sich auf drastische Einschränkungen bei kommunalen Leistungen einstellen.

Dementsprechend werden die Forderungen der Kommunen nach staatlicher Hilfe immer lauter. Der Städtetagspräsident und Leipziger Oberbürgermeister Burkhard Jung verlangt "eine gemeinsame Kraftanstrengung, damit die Handlungsfähigkeit der Städte und die Liquidität der kommunalen Kassen sichergestellt wird". Nicht nur über die Wirtschaft, sondern auch über die Kommunen müssten Bund und Länder einen Rettungsschirm spannen, fordern deren Interessenverbände. Andernfalls drohe zahlreichen Kommunen die Zahlungsunfähigkeit.

© SZ vom 14.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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