Corona-Krise:102 Staaten rufen beim IWF um Hilfe

Corona-Krise: Gesundheitshelfer in der südafrikanischen Metropole Johannesburg: Besonders Schwellenländer in Afrika haben IWF-Kredite angefragt.

Gesundheitshelfer in der südafrikanischen Metropole Johannesburg: Besonders Schwellenländer in Afrika haben IWF-Kredite angefragt.

(Foto: Michele Spatari/AFP)

Die globale Krise erfasst Dutzende Länder gleichzeitig. Noch nie haben so schnell so viele Länder beim Internationalen Währungsfonds wegen eines Kredits angefragt.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Was waren das für friedliche Zeiten, als die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), damals Christine Lagarde, auf einer der traditionellen Jahrestagungen in Washington erklärte, sie sehe ein paar Wolken am Horizont aufziehen. Besser, die Staaten dieser Welt reparierten ihre Dächer jetzt, solange die Sonne scheine. Was damals nach Schönwetterwolken aussah, hat sich binnen eines guten Jahres zu einer extrem dunklen Wetterfront verdichtet.

Die internationale Staatengemeinschaft befinde sich in einem "entscheidenden Augenblick", warnte Lagardes Nachfolgerin Kristalina Georgiewa am Mittwoch in Washington. Die durch das Coronavirus ausgelöste globale Gesundheitskrise fordere "großen menschlichen Tribut". Alle Politiker seien gefordert, mit "außergewöhnlichen Maßnahmen" Menschen vor dem Virus zu schützen und damit die Voraussetzung zu schaffen, dass normales gesellschaftliches und wirtschaftliches Leben wieder eingeführt werden kann.

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Ebenso wie die Welt ringsum ist der IWF im Ausnahmezustand. Erstmals in seiner Geschichte findet das Frühjahrstreffen der Finanzminister und Notenbankchefs aus aller Welt komplett virtuell statt. Noch nie haben so viele Staaten binnen kürzester Zeit wegen Krediten angefragt: Bis zu Beginn des virtuellen Frühjahrstreffens waren es 102 Länder, vor allem Entwicklungs- und Schwellenländer aus Afrika, Lateinamerika und Asien. Elf Anträge sind schon bestätigt, weitere 40 sollen im April entschieden werden.

Ähnlich wie die Europäer hat der IWF ein finanzielles Netz aufgespannt und wegen der Corona-Krise noch mal engmaschiger geflochten. Insgesamt kann der Fonds Kredite im Volumen von 1000 Milliarden Dollar ausgeben. Neu ist, dass er die anteiligen Kreditbeschränkungen für alle Staaten gelockert hat; sie können jetzt doppelt so hohe Unterstützung beantragen wie in normalen Zeiten. Zudem bereitet der IWF kurzfristige Kreditlinien für Notfälle vor, sollte ein Staat praktisch über Nacht Geld benötigen. Für die ärmsten Mitgliedstaaten soll es Schuldenerleichterungen geben, dafür hat der IWF seine Katastrophenhilfe angepasst. Zusätzlich soll es Geld geben, um Armut zu bekämpfen und ärmste Länder für Investoren attraktiv zu machen, in Kooperation mit der Weltbank. Auffällig ist, dass der IWF verstärkt zur Anlaufstelle der ganz armen Staaten geworden ist; ähnlich wie die Weltbank, von der Georgiewa zum IWF gewechselt ist. Länder wie die Türkei oder Indonesien scheuen dagegen den Gang nach Washington.

Aus Europa hat es bisher sechs offizielle Anfragen gegeben, allesamt von kleineren Ländern auf dem Balkan und früheren Sowjetrepubliken. Die Staaten der Europäischen Union kommen bislang ohne finanzielle IWF-Hilfen durch die Pandemie. Für die Euro-Zone gibt es ein engmaschig geknüpftes Netz aus schnellen Kreditlinien und längerfristigen Krediten aus dem Euro-Rettungsfonds ESM. Vor allem aber steht die Europäische Zentralbank bereit, alle nötigen Maßnahmen zu ergreifen, um in akuten Notsituationen einzugreifen.

Und Corona-Bonds? IWF-Europa-Direktor Poul Thomsen hält es für "zu früh", über gemeinsame Euro-Anleihen zu entscheiden. Corona-Bonds seien eine von mehreren Möglichkeiten, mit denen die Europäer einander unterstützen könnten, um die von dem Coronavirus ausgelöste Krise zu bewältigen, sagte er in Washington. "Was jetzt wirklich zählt, ist, dass alle Länder den finanziellen Spielraum haben, um alles zu tun, um das Virus einzudämmen und das Leben der Bürger zu retten." Das von den Euro-Finanzministern beschlossene Hilfspaket von 500 Milliarden Euro sei absehbar ausreichend. Die schwere Schuldenkrise in Europa vor zehn Jahren hätte zudem gezeigt, dass die europäischen Staats- und Regierungschefs "am Ende immer alles tun, was nötig ist, um Europa zu retten".

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