Coronavirus:Warum der Dax bebt

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Vor der absinkenden Kurve des DAX-Index in der Frankfurter Börse steht auf einem Bildschirm eine Übersichtskarte zu den Coronavirusfällen in Deutschland. (Foto: Bloomberg)

Der 9. März 2020 könnte in die Geschichte eingehen: Die Börse bricht ein wie zuletzt vor 18 Jahren. Was die amerikanische Wirtschaft angeht, will US-Präsident Trump nun gegensteuern.

Von Harald Freiberger, Christoph Giesen, Hongkong, und Meike Schreiber, Frankfurt, München/Frankfurt/Hongkong

Ulrich Kater beobachtet die Börse seit mehr als 30 Jahren. Am Montagmorgen fühlte er sich an die dunkelsten Stunden erinnert. "Episoden mit solch extremem Stress sind selten, zuletzt haben wir das 2008 beim Zusammenbruch von Lehman Brothers und 2001 beim Einsturz der Zwillingstürme erlebt", sagt der Chefvolkswirt der Deka Bank. Der 9. März 2020 könnte in die Geschichtsbücher eingehen: Der Deutsche Aktienindex (Dax) brach zum Handelsstart um 8,2 Prozent ein. So viel verlor das deutsche Börsenbarometer an einem Tag zuletzt vor gut 18 Jahren, eben am 11. September 2001.

Begonnen hatte es am Morgen in Asien. In Tokio sackten die Aktienkurse um fünf Prozent ab, in Südkorea und Hongkong um mehr als vier Prozent. In Europa ging es weiter, schließlich auch in den USA, wo der Dow-Jones-Index mit 7,3 Prozent im Minus eröffnete und der Handel unterbrochen wurde - ein Schritt, um die Panik einzudämmen. Zwei Gründe gibt es für den weltweiten Kurseinbruch: Zum einen werden die wirtschaftlichen Folgen des Coronavirus immer deutlicher sichtbar. Zu allem Übel kam ein nie dagewesener Einbruch auf dem Ölmarkt hinzu.

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Für Tage wie diesen gibt es an der Börse nur noch ein Wort: Crash. Die Investoren fliehen aus allem, was mit Risiko verbunden ist, und kaufen dafür sichere Anleihen und die Krisenwährung Gold. Die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen steht nun bei minus 0,83 Prozent, so niedrig wie nie. Die Feinunze Gold kostet fast 1700 Dollar, so viel wie seit neun Jahren nicht. Die Generation der jüngeren Börsenhändler hat so etwas überhaupt noch nicht erlebt. Kaum ein Superlativ war ihnen zu groß, "absolut chaotisch" sei die Lage.

"Dieser Tag wird als schwarzer Montag in Erinnerung bleiben", sagte Neil Wilson, Chef-Analyst des Online-Brokers Markets.com. Die große Gefahr ist, dass es nicht bei dem einzigen Tag bleibt. "Ein Ende des Börsenbebens ist nicht in Sicht", warnte Shafali Sachdev, Devisen-Expertin der Bank BNP Paribas. Am 20. Februar erreichte der Dax seinen Höchststand bei rund 13 800 Punkten, nun notiert er fast 23 Prozent niedriger. Die Einbrüche von 2001/02 und 2008 zeigen allerdings, dass es noch viel tiefer gehen kann. Die Frage, die sich an den Kapitalmärkten alle stellen: Kann man etwas gegen eine weitere Kursschmelze tun?

"Das Problem ist, dass so etwas wie Corona noch nie da war, es kommt wie eine globale Naturkatastrophe über die Märkte", sagt Chefvolkswirt Kater. Man könne erst einmal wenig dagegen machen, die Belastung durch das Virus gehe aber mit der Zeit wieder zurück. Umso wichtiger findet Kater es, zu verhindern, dass die wirtschaftlichen Folgen sich weiter verschlimmern. "Noch sind Lieferverträge nur verschoben, richtig krass würde es, wenn sie storniert würden." Dann liefe die Wirtschaft viel langsamer und schwächer an.

"Dieser Tag wird als schwarzer Montag in Erinnerung bleiben", sagt ein Analyst

Die UN-Wirtschaftsorganisation Unctad blickt pessimistisch in die Zukunft. Die Weltwirtschaft könnte dieses Jahr mit einer Summe zwischen einer und zwei Billionen Dollar getroffen werden, prognostizierte Richard Kozul-Wright von der Unctad. US-Präsident Donald Trump rief dagegen zur Ruhe auf: "Leben und Wirtschaft gehen weiter", sagte er, an der herkömmlichen Grippe seien vergangenes Jahr 37 000 Amerikaner gestorben. Banken bekommen die Unsicherheit gerade besonders zu spüren. Mit einem Minus von bis zu elf Prozent waren die Aktien der Deutschen Bank am Montag die größten Verlierer im Dax. Für die Commerzbank ging es ähnlich steil bergab. Am Montag fielen beide Papiere auf neue Tiefststände. Das weckt Erinnerungen an die trübesten Zeiten der Finanzkrise, als die Geldströme versiegten und Banken in Not gerieten. Die Analysten der Ratingagentur Scope halten es aber für unwahrscheinlich, dass es wieder soweit kommt. Europas Banken hätten höhere Eigenkapital- und Liquiditätsreserven als noch vor zehn Jahren. Als Herzkammern der Marktwirtschaft sind die Banken aber dennoch massiv von der Corona-Krise betroffen. Unternehmenskunden sagen Börsengänge oder Übernahmen ab und kämpfen mit Umsatzeinbrüchen. Ziemlich sicher werden deutlich mehr Kredite ausfallen. Bei Deutscher Bank und Commerzbank stellt sich zudem die Frage, wie sie ihren ohnehin sehr knapp kalkulierten Konzernumbau jetzt noch zum Erfolg führen wollen. Das Problem ist, dass die Banken angesichts des niedrigen Aktienkurses kaum noch frisches Kapital an der Börse aufnehmen können. Allein schon der Gedanke daran dürfte für weitere Verkäufe sorgen; und tatsächlich stürzen sich die Leerverkäufer, die von einem Kursrutsch profitieren wollen, bereits wieder auf die Aktien.

Einziger Lichtblick: Fragen Unternehmen nun vermehrt Kredite nach, um schwierige Situationen zu überbrücken, verdienen die Banken daran auch, sofern sie den Kredit zurückbezahlt bekommen. Die Hypo-Vereinsbank warb bereits in ganzseitigen Anzeigen mit "individuellen Finanzierungslösungen" für Mittelständler, die unter der Corana-Krise leiden.

Ihre Zahl dürfte in den nächsten Wochen deutlich steigen. Die Produktion der Unternehmen bricht nach und nach weg, die Kosten jedoch bleiben. Deshalb sei nun die Politik gefordert, Firmen zu helfen, sagt Chefvolkswirt Kater. Der erste Schritt, die Hilfe des Bundes beim Kurzarbeitergeld, ist bereits vollzogen. Weitere Schritte könnten Überbrückungskredite von Banken für Firmen sein - und Erleichterungen der Notenbank, solche Kredite zu gewähren. Auch mit einer Stundung von Steuern könnte der Fiskus Unternehmen helfen.

"Das Wichtigste ist es in dieser Situation, die Firmen zu unterstützen und damit den Menschen die Sicherheit zu geben, dass ihr Arbeitsplatz erhalten bleibt", sagt Kater.

In den Vereinigten Staaten will US-Präsident Donald Trump nun offenbar solche Hilfen auf den Weg bringen. Bei einem kurzfristig anberaumten Auftritt in Washington kündigte Trump am Montagabend an, die Regierung wolle mit dem Kongress unter anderem über Lohnsteuererleichterungen sowie über Kredite für Kleinunternehmen reden. Angedacht seien auch Hilfen für Menschen, die nach Stundenlohn bezahlt würden - für die also bei einem Arbeitsausfall wegen einer Erkrankung besondere Härten entstehen. Am Dienstag solle es dazu Gespräche mit Kongressvertretern geben. Auch Gespräche mit Fluggesellschaften, Kreuzfahrtveranstaltern und der Hotelindustrie seien geplant.

© SZ vom 10.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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