Süddeutsche Zeitung

EU-Finanzhilfen:Europareise mit Scheckbuch

EU-Kommissionschefin von der Leyen klappert die Hauptstädte ab, um die nationalen Pläne für die Milliarden aus dem Corona-Topf freizugeben. Doch es gibt Zweifel, ob ihre Behörde gut genug geprüft hat.

Von Björn Finke, Brüssel

Ursula von der Leyen verschwendet keine Zeit. Seit Mittwoch stellt Belgien die digitalen Impfzertifikate aus, welche die EU eingeführt hat, um das Reisen zu erleichtern. Die Kommissionspräsidentin, eine Bürgerin Brüssels, holte sich schon ihr Zertifikat und präsentierte es am Morgen in einer Videobotschaft. Danach konnte die Deutsche den begehrten QR-Code auf ihrem Handy direkt fürs Reisen einsetzen. Sie flog nach Lissabon und am gleichen Tag weiter nach Madrid. In der portugiesischen und in der spanischen Hauptstadt überbrachte von der Leyen den Regierungen eine frohe Botschaft: Die EU-Kommission hat die Pläne gebilligt, wie die Regierungen die Milliarden aus dem Corona-Hilfstopf ausgeben wollen.

Portugal und Spanien sind die ersten Länder, deren sogenannte Aufbau- und Resilienzpläne die Behörde akzeptiert hat. Doch bereits an diesem Donnerstag wird von der Leyen die gleiche Botschaft nach Dänemark und Griechenland tragen, am Freitag ist Luxemburg dran. Natürlich wäre es nicht nötig, dass die Chefin persönlich den Postboten spielt. Aber die Corona-Hilfen werden eines der wichtigsten Programme ihrer Amtszeit sein - da setzt sie sich gerne selbst in Szene.

Für den Fonds darf die Kommission erstmals im ganz großen Stil Schulden machen: bis zu 806 Milliarden Euro. Dafür platzierte die Behörde am Dienstag die erste Anleihe über 20 Milliarden Euro; die Nachfrage überstieg das Angebot um das Siebenfache. Es war die größte Anleihenplatzierung in der Geschichte der EU-Institutionen. Internationale Banken halfen der Kommission dabei, nicht jedoch die Deutsche Bank. Die Behörde schloss das Frankfurter Institut und neun andere Geldhäuser vorläufig von diesen Geschäften aus, weil sie an Marktmanipulationen und Kartellen beteiligt gewesen waren. Brüssel will erst prüfen, ob die Banken genug getan haben, damit sich so etwas nicht wiederholt.

Gut die Hälfte der 806 Milliarden Euro wird die Kommission bis 2026 als nichtrückzahlbare Zuschüsse an Mitgliedstaaten überweisen. Fast 390 Milliarden Euro kann sie nutzen, um den Ländern zinsgünstige Darlehen anzubieten. Die Kredite und der Großteil der Zuschüsse werden über ein neues EU-Programm verteilt, die Aufbau- und Resilienzfazilität. Dafür müssen die Regierungen Pläne für Investitionen und Reformen einreichen. Das haben bislang 23 Staaten gemacht, nur die Niederlande, Bulgarien, Estland und Malta fehlen noch. Die Kommission muss die Vorhaben prüfen und genehmigen - das ist nun bei Portugal und Spanien geschehen. Danach muss der Ministerrat seine Zustimmung geben, bevor die ersten Tranchen von Juli an ausgezahlt werden können.

Der Parteifreund ist "maßlos enttäuscht"

Die Pläne müssen diverse Kriterien erfüllen, etwa genug Geld für Klimaschutz und Digitales vorsehen. Bei den wirtschafts- und sozialpolitischen Reformen sollen sich die Staaten an den Empfehlungen orientieren, welche die Kommission jährlich für jedes Land veröffentlicht und die bislang oft ignoriert werden.

Im Europaparlament regt sich allerdings Unmut über einige Pläne - und das Vorgehen der Kommission. So beklagen die Grünen, dass manche Regierung Projekte als klimafreundlich verkaufen will, die es nicht sind. CDU-Politikerin von der Leyen muss sich aber auch von Parteifreunden harsche Kritik anhören: Der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber moniert einen "Mangel an Reformeifer". Zudem sei er "maßlos enttäuscht" darüber, wie schlecht die Kommission das Parlament über die Pläne informiere, sagt der wirtschaftspolitische Sprecher der christdemokratischen EVP-Fraktion.

Daneben äußert Ferber Zweifel daran, ob die Behörde die Vorhaben streng genug durchleuchte. Und er ist sauer, dass von der Leyen Pläne freigibt, bevor das Parlament sich diese richtig habe ansehen können: "Man kann nicht durch die EU reisen und Schecks verteilen, wenn die Pläne noch nicht ordentlich geprüft sind."

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