Corona-Krise:OECD befürchtet 25 Millionen Arbeitslose mehr

Vorab-Ringen ums Konjunkturprogramm - Volumen bis 80 Milliarden?

Arbeitnehmer in Deutschland sind in einer besseren Situation als die meisten Kollegen in der Welt.

(Foto: dpa)

In den Industriestaaten wird Corona 2020 drastische Folgen für den Arbeitsmarkt haben. Die Pandemie zerstört fast die gesamten Beschäftigungserfolge seit der Finanzkrise 2008.

Von Alexander Hagelüken

Die Corona-Pandemie wird die Arbeitslosigkeit in den Industriestaaten fast verdoppeln. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) erwartet, dass die Zahl der Arbeitssuchenden dieses Jahr um etwa 25 Millionen auf mehr als 60 Millionen steigt. Dabei vergrößert sich die Ungleichheit: "Wenigverdiener zahlen den höchsten Preis". Deutsche Arbeitnehmer kommen wegen der Reaktion der Bundesregierung auf die Krise vergleichsweise gut weg.

Die 37 OECD-Mitglieder, zu denen alle großen Industrie- und einige Schwellenländer zählen, hatten Anfang diesen Jahres einen neuen Arbeitsmarktrekord erzielt. Dann schlug Corona zu und zerstörte fast die gesamten Beschäftigungserfolge seit der Finanzkrise 2008. Die Gesundheitsmaßnahmen gegen die Pandemie haben nach Berechnungen der OECD Hunderttausende, möglicherweise Millionen Tote verhindert.

So nötig sie waren, sie bremsten die Wirtschaft schwer. "Die Pandemie wirft einen langen Schatten auf die Welt", sagt OECD-Generalsekretär José Ángel Gurría.

Zweite Welle hätte weitreichende Folgen

Für die 650 Millionen Arbeitnehmer der OECD-Staaten hat das dramatische Folgen. Die Arbeitslosenrate dürfte dieses Jahr von 5,3 auf 9,4 Prozent zunehmen - ein historischer Höchstwert. Im Mai waren bereits 55 Millionen Menschen arbeitslos. Im kommenden Jahr falle die Arbeitslosenrate unter acht Prozent.

Kommt es dagegen überall zu einer zweiten Infektionswelle mit erneut massiven Einschränkungen der Wirtschaft, steige die Arbeitslosenrate dieses Jahr auf mehr als zwölf Prozent. Dann würde sich die Zahl der Arbeitssuchenden um etwa 45 auf über 80 Millionen erhöhen.

Der Unterschied zwischen den beiden Szenarien lässt sich auch am realen durchschnittlichen Einkommen der Menschen ablesen. Bleibt es bei einer ersten Infektionswelle, schrumpft der Verdienst in den meisten Staaten auf das Niveau von 2016. Bei einer zweiten Welle fällt er auf 2013 zurück.

Deutsche Arbeitnehmer sind in einer besseren Situation als die meisten Kollegen in der Welt. Die Arbeitslosigkeit in der Bundesrepublik war vor der Krise so niedrig wie in keinem anderen großen Industriestaat außer Japan. Durch die Pandemie werde die Beschäftigung in Deutschland weniger als ein Viertel so stark schrumpfen wie im Durchschnitt der Mitgliedsstaaten. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung rechnet im Jahresschnitt mit 2,8 Millionen Arbeitslosen, eine halbe Million mehr als 2019. Das wäre angesichts von etwa 25 Millionen Arbeitslosen mehr in den Industriestaaten relativ wenig. Die OECD erklärt die bessere deutsche Lage durch mehrere Faktoren: viele Corona-Tests, ein gutes Gesundheitssystem, zwei große wirtschaftliche Hilfspakete und die massive Ausweitung der Kurzarbeit.

Viele Staaten versuchten, das deutsche Kurzarbeitsmodell zu kopieren. Die OECD regt allerdings an, die Bundesregierung müsse die Kurzarbeit anpassen, falls die Corona-Krise länger bestehen sollte. Denn dann bestehe die Gefahr, dass Beschäftigte in nicht mehr zukunftsfähigen Firmen hängenblieben, statt den Job zu wechseln.

Wer wenig verdient, den trifft die Krise in Deutschland wie in anderen Industriestaaten weit härter. OECD-weit haben jene 25 Prozent mit den niedrigsten Einkommen doppelt so oft keine Arbeit mehr wie Gutverdiener. Sie können auch weit seltener im Home-Office arbeiten und steckten sich deshalb häufiger mit Corona an, wie sich an Fleischfabriken zeige. Die OECD fordert deshalb für sie einen besseren Gesundheitsschutz.

Insgesamt seien Frauen, Migranten und Jüngere besonders stark von der Krise betroffen. Gurría fordert die Regierungen auf, sich um diese Gruppen zu kümmern, gerade auch um den Absolventenjahrgang Corona. "Die Krise darf keine verlorene Generation produzieren, deren Berufsweg dauerhaft beschädigt wird." Nach der Finanzkrise 2008 hätten sich die Regierungen viel zu spät um die Jüngeren gekümmert, was lang anhaltende Narben verursacht habe, die immer noch sichtbar seien.

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